Stadtläufer: Zwielicht am Ende des Tunnels

Der Stadtläufer holt wieder aus. Er philosophiert über Großbauprojekte, deren Fertigstellungen zu lang dauern und jene, bei denen Bauverzögerungen einiges Unheil verhindert hätten.

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Der Magdeburger Stadtrat hat dem neuen Kostenplan zum Bau des City-Tunnels am Hauptbahnhof mehrheitlich zugestimmt, auch wenn jede Menge Zweifel daran laut wurden, ob die jetzt beschlossenen 210 Mio. Euro ausreichen und der Zeitpunkt der Fertigstellung Ende 2022 wirklich gehalten werden kann. Vorfreude und Stolz waren bei der Debatte jedenfalls nicht zu verspüren. Doch man fügte sich in das Unvermeidliche und hob (von Ausnahmen abgesehen) die Hand. Dass der BER nach vielen Jahren und Zusatzkosten nun endlich doch eröffnet wurde, scheint aber ein gutes Zeichen zu sein, es nährt die Hoffnung, dass nicht nur der Tunnel, sondern auch die Nordverlängerung der A 14 irgendwann zum Abschluss gebracht werden kann.  

Es wird allgemein ja gern die Frage aufgeworfen, warum Deutschland keine Großprojekte mehr stemmen oder jedenfalls nicht im ursprünglich veranschlagten Zeit- und Kostenplan realisieren könne. Die Antworten darauf sind vielfältig. Neben Planungsfehlern und bürokratischen Hürden sind es nicht zuletzt Protestbewegungen aus der Mitte der Gesellschaft (wie bei Stuttgart 21) sowie Klagen von Gegnern des jeweiligen Projekts, die das schnelle Gelingen unmöglich machen - wobei das Spektrum vom Naturfreund über den Anrainer bis zum betroffenen Geschäftsinhaber reicht. Irgendwer ist immer betroffen. Und in einem gesellschaftlichen Klima, das Großprojekte generell fragwürdig findet, geht natürlich auch beim jeweiligen Bauherrn jegliche Motivation verloren.

Könnte etwa Kaiser Wilhelm II. heutzutage noch einmal wie im September 1898 bei der Eröffnung des Stettiner Freihafens euphorisch ausrufen, dass Deutschlands Zukunft auf dem Wasser läge - und sofort eine adäquate Kriegsmarine fertigen lassen? Hätte er sich ohne eine solche überhaupt in den Ersten Weltkrieg gestürzt? Hätte Adolf Hitler unter diesen Umständen jene Autobahnen bauen lassen können, die es ihm ermöglichten, den Zweiten anzufangen? Und hätte Walter Ulbricht derart schnell eine derart lange Mauer errichten lassen können?

Das hätten diese drei Witzfiguren eben nicht tun können – und man muss sich nur einmal vorstellen, was Deutschland dadurch hätte erspart bleiben können. Aber letztlich leben wir ja vielleicht gerade durch diese geschichtlichen Irrwege nunmehr in einer Demokratie, in der infrastrukturelle Großprojekte eben schwerer zu realisieren sind.

Der Trost, den man darin finden mag, wird allerdings auf eine harte Probe gestellt, wenn man sich vor Augen hält, dass so manches Großprojekt, wie etwa unser Tunnel, eigentlich von Anfang an ziemlich sinnlos und weder das langjährige Warten auf seine Fertigstellung noch auch nur die 34 Millionen, die er ursprünglich kosten sollte, wert war. Man wird sich also nicht einmal richtig freuen können, wenn er endlich eingeweiht wird. Am Ende des Tunnels herrscht Zwielicht.

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