Stadtläufer: Antilopenterrine mit Trüffel

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Seit der Zoo in Neumünster offen über die Notschlachtung von Tieren aus seinem Bestand nachgedacht hat, um in Zeiten ausbleibender Einnahmen wenigstens seine Raubtiere ernähren zu können, ist die Welt der Tierfreunde in heller Aufregung. Für den Magdeburger Zoo war ein solches Horrorszenario nicht an die Wand gemalt worden (und ist mit der nun erfolgten Öffnung endgültig ad acta gelegt), dennoch sagt der Fall natürlich viel über die gesellschaftlichen Verwerfungen, die im Zuge der Covid-19-Krise an allen Ecken und Enden zu beobachten sind. Es war weder unserem Oberbürgermeister, der mit einer entsprechenden Initiative zunächst krachend gescheitert war, noch dem gesunden Menschenverstand zu vermitteln, warum ausgerechnet Zoos nicht öffnen durften, in deren Weitläufigkeit sich die Abstandsregeln doch wirklich problemlos einhalten lassen sollten und die gerade Kindern jene ersehnte Abwechslung an frischer Luft bieten, die sie so bitter nötig haben. Die Zootiere konnten von Glück reden, dass auch die Restaurants noch nicht wieder öffnen dürfen, weil sonst vielleicht noch andere Carnivoren als Löwe und Tiger auf die Idee hätten kommen können, sich an ihnen gütlich zu tun. Als nämlich etwa bei der Belagerung von Paris im Jahre 1870 die Lebensmittel knapp wurden, war der Zoo im Jardin des Plantes gezwungen, sämtliche Tiere zu verkaufen, die nicht mehr ernährt werden konnten. Die Pariser Restaurantbesitzer, die ihren Gästen seit Wochen nur noch Ratte hatten servieren können, griffen natürlich dankbar zu und kauften so viele exotische Tiere wie nur irgend möglich. Das Weihnachtsmenü, das am 99. Tag der Belagerung im Restaurant „Voisins“ serviert wurde, bestand demzufolge (im Ernst) aus folgenden Gerichten: Gefüllter Eselskopf, Elefantensuppe, gebratenes Kamel nach englischer Art, Kängurueintopf, Bärenkoteletts mit Pfeffersoße, Wolfshaxe mit Wildsoße, Katze mit Rattengarnitur sowie Antilopenterrine mit Trüffeln. Zum Nachtisch gab es Reispudding. Bleibt zu hoffen, dass nun nach der Wiedereröffnung die Besucher die Tiere nicht anstecken. Immerhin hat es in einem New Yorker Zoo einen Tiger erwischt – und solche Verluste können wir uns beim besten Willen nicht leisten. Immerhin haben wir es durch die Tötung von drei Tigerbabys und die Kastrierung von Taskan mühsam genug geschafft, unsere Tiger rasserein zu bekommen. Auf der anderen Seite weiß man aus New York zu berichten, dass die infizierte Tigerlady lediglich ein wenig huste und weniger Appetit habe – und das würde dafür sprechen, eine flächendeckende Infektion in Kauf zu nehmen, weil man zwei Fliegen mit einer Klappe schlüge: Es entstünde eine Herden- bzw. Rudel-Immunität (auch wenn Tiger in freier Wildbahn gar nicht im Rudel leben) – und der geringere Appetit der Großkatzen kann anderen Zootieren das Leben retten. Vielleicht bestellen sie dann die eine oder andere Antilopenterrine weniger.

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