Stadtläufer: Lyrik für die Kulturhauptstadt

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© Andrea Jozwiak

Die Bewerbungskriterien für den Kampf um den Titel der Kulturhauptstadt Europas beschränken sich (was vielen, die etwa glauben, dass Magdeburg gegen Dresden chancenlos sei, noch immer nicht klar ist) nicht auf eine Bestandsaufnahme der in einer Bewerberstadt quantitativ und qualitativ vorhandenen Kulturangebote – und das ist gut so. Wäre der Titelkampf nämlich etwa ein Literaturwettbewerb, dann könnten wir die Bewerbung seit Anfang Dezember getrost zurückziehen – und das, obwohl wir mit der Verleihung des „Deutschen Buchpreises“ an eine ehemalige Magdeburger Stadtschreiberin noch im Oktober einen echten literarischen Paukenschlag gelandet hatten.

© Andreas Lander

Lyrikwettbewerb: Gedichte für die Kulturhauptstadt

Doch dann kam die Lokalredaktion der Volksstimme gemeinsam mit dem Weihnachtsmarkt auf die Idee, einen weihnachtlichen Dichterwettstreit ins Leben zu rufen. Gefragt waren Gedichte mit Magdeburg-Bezug, die mit der Zeile „Lieber guter Weihnachtsmann“ beginnen sollten. Zu den ersten Teilnehmern gehörten unser Oberbürgermeister und der Kulturbeigeordnete. Was die beiden ablieferten, dürfte zwar allen potentiellen Teilnehmern viel Mut gemacht und für einen niedrigschwelligen Wettbewerb gesorgt haben, war auf der anderen Seite aber von einer derartigen Laienhaftigkeit, dass das völlige Fehlen literarischer Kompetenz an der Spitze unserer Kommune erschreckend evident wurde. Und da steht dann schnell der Verdacht der generellen kulturellen Inkompetenz im Raum.

Bürgermeister und Kulturbeigeordneter dichten

Natürlich muss man weder von einem Stadt­oberhaupt noch von dessen Kulturchef erwarten können, dass sie begabte Lyriker sind – aber man sollte von ihnen erwarten dürfen, dass sie das wissen. Denn selbst wenn sie ihre Verse nicht selbst verfasst, sondern ein(e) Referent(in) in die Spur geschickt haben, hätten sie deren Ergüsse niemals autorisieren dürfen. Das hat nicht einmal Schülerzeitungsniveau: pseudopoetische Syntax, absentes Versmaß, hanebüchene Assonanzreime – man weiß gar nicht, wo man beginnen soll. Daher habe ich an den Weihnachtsmann für das nächste Jahr folgende Bitte:  

Lieber guter Weihnachtsmann,

jeder tut halt, was er kann,

darum wäre es recht gut,

wenn er kann, was er da tut.

Kann er es hingegen nicht,

mach es ihm doch nicht zur Pflicht!

Es wird nur ein frohes Fest,

wenn er, was er nicht kann, lässt.

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