Die Stadtgesellschaft ist gefragt

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Als vor gut zwei Jahren die Entscheidung fiel, dass der Kulturhauptstadttitel 2025 an Chemnitz geht, herrschte in Magdeburg nicht nur verständliche Enttäuschung, sondern zugleich trotziger Stolz auf die Qualität der eigenen Bewerbung. Dieser fand auch darin seinen Ausdruck, dass man entschlossen war, einige der in der „Out of the Void“-Bewerbung avisierten Projekte auch ohne die europäische Krone auf dem Haupt umzusetzen; um sich solcherart von einer Konkurrenz- in eine Korrespondenz-Metropole zu verwandeln – auf dass von der königlichen (Besucher-) Tafel ein paar Brosamen abfallen mögen.

Im Mittelpunkt steht dabei das großangelegte Ausstellungsprojekt „Feeling East – Leben im Osten“, bei dem fünf ineinandergreifende Teile den Wandel ostdeutscher Lebenswelten und dessen Bewältigung über zwei Generationen thematisieren sollen. Dieser „Meilenstein für die Magdeburger Museumslandschaft“ mit seiner „bundesweiten Strahlkraft“ sollte allerdings, als er vor einem Jahr erstmals ausführlich vorgestellt wurde, vor allem auch Magdeburgs Anspruch auf das „Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit“ untermauern, der, wie sich inzwischen herausstellte, nicht mal von der eigenen Landeregierung anerkannt worden ist.

Ausgeschieden ist inzwischen neben Magdeburg übrigens auch das thüringische Mühlhausen, so dass nur noch Leipzig, Halle, Jena, Frankfurt/Oder und Eisenach im Rennen sind. (Der Mühlhauser OB Bruns schimpfte übrigens wie ein Rohrspatz, weil zwei Drittel der Europäer angeblich in Städten von der Größe der seinen lebten und es daher völlig unangemessen sei, dass wieder einmal eine Großstadt den Zuschlag erhalten würde – was noch gar nicht feststeht, da Eisenach und der Geheimfavorit Frankfurt schließlich ebenfalls keine sind.) Doch an diese einstige Intention und doppelte Niederlage verschwendet die Verwaltung keinen Gedanken mehr und hält trotzig an diesem Projekt fest. Es wird sogar vehement ein Einbeziehen der Stadtgesellschaft forciert, die sich an der breit angelegten Diskussion über dieses ganz spezifische Gefühl, ein Ossi zu sein, beteiligen soll. Denn da keine der handelnden Personen, die das Projekt maßgeblich verantworten (nämlich die Kulturdezernentin, die Museums-Direktorin und der avisierte Kurator), eine ostdeutsche Sozialisation erfahren hat, muss die Expertise natürlich anders organisiert werden.

Und die Stadtgesellschaft wird sich gewiss nicht lumpen lassen und diese Ausstellung kenntnisreich kuratieren. Vor einhundert Jahren schon war Magdeburg eine europäische Hochburg modernen Bauens und Designs, und der Diskurs darüber wurde nicht im Elfenbeinturm, sondern auf der Straße geführt. Und dass wir nichts davon verlernt haben, zeigt die Heftigkeit, mit der hier inmitten der Kriegswirren und der Klimakatastrophe darüber gestritten wird, ob die nächsten Fahrradbügel, die im Stadtraum aufgestellt werden, aus Rundstahl oder aus Flachstahl sein sollten.

Wir wären eine würdige Kulturhauptstadt gewesen.

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