Das Pferd hat nichts zu befürchten

Der Stadtläufer knöppft sich dieses Mal die E-Roller-Nörgler vor und spricht Tacheles über die Verkehrswende in Magdeburg.

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Um den ohne offizielle Genehmigung der Stadt gestarteten E-Roller-Verleih in Magdeburg ist eine heftige Diskussion entbrannt. Diese dreht sich allerdings nicht um die Frage, weshalb es so lange gedauert hat, bis auch hier ein solches Angebot vorgehalten wurde, sondern vielmehr um die, ob ein solches Angebot verkehrstechnisch und umweltpolitisch sinnvoll, sowie dem Straßenbild und dem  friedlichen urbanen Miteinander zuträglich sei.

Ohne es bis ins letzte Detail recherchiert zu haben, wage ich zwei Behauptungen. Magdeburg ist vermutlich die letzte deutsche Großstadt, in der die Fahrzeuge nicht längst zum Alltag gehören – und vermutlich die einzige, die eine Bürgerbefragung darüber abhält, ehe sie eine Konzessionsentscheidung fällt. Die Stadtverwaltung, die nach eigener Aussage an einem Konzept zur Verleihung von E-Rollern arbeitet, das sie, wenn sie damit fertig ist, den betroffenen Ämtern sowie dem Stadtrat vorlegen will, möchte eine bestimmte Zahl zufällig ausgewählter Magdeburger um ihre Meinung befragen, ehe sie dieses Konzept endlich fertigstellt.

Die öffentlichen Reaktionen aus der Einwohnerschaft lassen den Schluss zu, dass es zu einer mehrheitlichen Ablehnung der Roller kommen wird; denn es gibt zahlreiche Berichte von Magdeburgern, die auf dem Weg zum Supermarkt oder zur Apotheke wegen eines abgestellten Rollers einen Umweg von beinahe zwei Metern in Kauf nehmen mussten. Natürlich melden sich in solchen Diskussionen immer nur die Nörgler zu Wort, aber die sind in dieser Stadt nun einmal Legion. Man könnte die Umfrage im Prinzip auf eine noch viel einfachere Frage herunterbrechen: Wollen wir die Stadt für junge Menschen noch unattraktiver machen, als sie es schon ist?      

Die Argumente gegen den Verleih wiegen fraglos schwer. Die Roller blockieren Plätze im (von Ausgehwütigen und Touristen ohnehin schon hoffnungslos überfüllten) Stadtraum und werden von Unbekannten vereinzelt in Flüsse und Teiche geworfen. All dies gilt zwar auch für Fahrräder (und, wie wir gerade erleben durften, sogar für Autos), aber die Gegner haben ein noch gewichtigeres Argument: diese Roller stellen eine Gefahr für Blinde und Sehbehinderte dar. Allerdings gilt streng genommen natürlich auch das in vergleichbarem Maße für Autos und Fahrräder, sowie natürlich für Straßenlaternen, Bänke und Papierkörbe. Wenn es gerecht zugehen soll in dieser Stadt, müssen bei der geplanten Umfrage auch Straßenlaternen, Bänke, Papierkörbe, Fahrräder und Autos mit auf den Prüfstand. Lediglich das Pferd könnte ungeschoren davon kommen, da es durch artgemäße Geräusche und Gerüche auch von Blinden rechtzeitig wahrgenommen werden kann. Und dann hätte sich die Prognose Kaiser Wilhelms II., dass das Pferd vom Auto als Fortbewegungsmittel niemals verdrängt werden wird, am Ende doch noch bewahrheitet. Zumindest in Magdeburg.

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