Der Stadtläufer - Feeling West

Magdeburg will im Kulturhauptstadtjahr ein großangelegtes Ausstellungsprojekt unter dem Arbeitstitel „Feeling East – Leben im Osten“ realisieren.

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Weil der Kulturhauptstadttitel 2025 an Chemnitz ging, die in die „Out of the Void“-Bewerbung investierte Arbeit aber nicht vollends umsonst gewesen sein soll, will Magdeburg nun im Kulturhauptstadtjahr ein großangelegtes Ausstellungsprojekt unter dem Arbeitstitel „Feeling East – Leben im Osten“ realisieren. Fünf ineinandergreifende Exhibitionen sollen über zwei Generationen den Wandel der ostdeutschen Lebenswelten und seine Bewältigung zeigen, wofür insgesamt schlappe fünf Millionen Euro veranschlagt sind, von denen die Stadt selbst knapp die Hälfte berappen soll. Der „Meilenstein für die Museumslandschaft“ soll allerdings nicht nur das Ziel der Kulturstrategie 2030 erreichen helfen, sondern wie nebenbei auch Magdeburgs Anspruch auf das „Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit“ untermauern, dessen Errichtung die Bundesregierung ausweislich plant.

Das wirkt zunächst einmal beides ein wenig larmoyant, so als wolle man zum einen beweisen, dass man den Kulturhauptstadttitel viel eher verdient gehabt hätte als der am Ende siegreiche Rivale, und als gäbe es andererseits keine andere Stadt in den neuen Ländern, die unter der Einheit so sehr gelitten hätte wie Magdeburg und deshalb geeigneter sei, ein Transformations-Zentrum zu beherbergen. Die Auswirkungen von Politik, Ideologie und Wirtschaft auf den Einzelnen, die Probleme mit den individuellen Rechten und Freiheiten, der Umgang mit gesellschaftlichen Normen und Tabus, das Gefangensein in Rollenbildern und das Freizeit- und Konsumverhalten (alles Themen der Ausstellung) waren hier offenbar so eminent, so schwierig und so katastrophal, dass gerade in dieser Stadt davon erzählt werden muss.

Darin sind sich alle, die das Projekt maßgeblich befürworten und verantworten sollen, einig: das Kulturdezernat, dass die Ratsvorlage eingebracht hat, das Kulturhistorische Museum, das zunächst ein Projektbüro einrichten soll (dessen Leitung sein Kurator für Zeitgeschichte übernimmt) und das die zu erbringende Machbarkeitsstudie verantwortet.

Dass wir mit der Deutschen Einheit womöglich schon viel weiter sind, als man glaubt, zeigt sich in der Herkunft der handelnden Personen. Die Kulturbeigeordnete, die Museumsdirektorin und der Kurator kennen den Osten zwar erst seit der zweiten der beiden Generationen, denen die Ausstellung gewidmet ist, haben aber dennoch bereits ein so intensives „Feeling East“ entwickelt, dass sie ihm unbedingt Ausdruck verleihen wollen. Das sind ermutigende Signale, das ist de facto der Vollzug der Einheit. Die erste der beiden Generationen, also jene, die Magdeburg schon vor 1989 erlebt hat, kommt gewiss auch irgendwie zu Wort, und selbst wenn nicht, wird man halt erfahren, was man damals in Bochum, Mönchengladbach oder Göttingen über uns gewusst und gedacht hat. Und das ist doch auch sehr interessant.

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