Startups in Magdeburg: Neue Gründer braucht das Land

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Es herrscht ein emsiges Treiben in dem Lagerraum, Berge von Kleidung findet ihren Weg zurück in die silberfarbenen Regale. Nebenan werden neue Pakete für junge Familien liebevoll gepackt. Es läuft beim jungen Magdeburger Startup Unternehmen kilenda von Hendrik Scheuschner und Patrick Trübe, dem Mietservice für Kinder- und Babykleidung. Erst vor kurzem sind sie mit einem Mitbewerber aus Berlin fusioniert. Aktuell beschäftigen sie über 20 Mitarbeiter. Das ist innerhalb von drei Jahren geschehen. Gründen kann so einfach sein und so wichtig für die Wirtschaft. Und doch: „wir haben zu wenig Gründer“, ruft es von den Dächern.Die junge Generation sieht sich nicht als hippe Jungunternehmer, sondern bei Großkonzernen wie VW und Co., will man den Statistiken glauben. Je konstanter die Arbeitsmarktsituation, desto weniger Gründungen gab es zuletzt. Nach einer statistischen Erfassung der KfW-Bank gingen die Existenzgründungen seit 2005 deutlich zurück. Lag die Quote da noch bei 2,84 Prozent fiel sie 2008 auf 1,54 und blieb bis heute auf diesem Niveau. Positiv: es gab zuletzt weniger Notgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus, die innovativen, die Startups blieben. Da geht es um neue Ideen, den Wunsch, schnell zu wachsen und das Produkt auf dem Markt zu platzieren. Davon gibt’s in Sachsen-Anhalt laut Startup-Monitor vom Bundesverband Deutscher Startups noch viel zu wenige, gerade mal 1,2 Prozent waren es da.

Studenten sind aktiv

Es gibt sie also, die Start-Ups. In Magdeburg heißen sie kilenda, Sci Flow, Nozz, Vesputi, UniNow und Train Your Town. Sie bieten neue innovative Ideen, Lösungen für Probleme der Wirtschaft, digitale Helfer für den Alltag. Die einen sind längst ausgegründet, die anderen stehen noch ganz am Anfang. Vieles passiert vor allem an der Universität und der Hochschule. Es sind Studenten, die gründen wollen. Das stellt auch Professor Matthias Raith von der OVGU immer wieder in seiner Grün­dervorlesung fest. „Die Studenten haben Lust auf Gründen. Das ist ein cooles Thema.“ Er ist Leiter des Lehrstuhls für Entrepreneurship, für Unternehmertum also, und war u.a. für das Impuls-Netzwerk verantwortlich. Das war das Intensivausbildungsprogramm für gründungsinteressierte Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter, das hieß: unternehmerische Gelegenheiten erkennen, Business-Plan ausarbeiten, mit der Idee auf dem Markt bestehen -quasi Chancengründungen.

Gründen ist wie eine Ehe

Die Grundsteine für seine Gründerlaufbahn legte auch Sebastian Meinecke während seines Studiums. Nach Sme Bicycles ist er aktuell dabei seine Fahrradmarke „Urwahn Bikes“ auf dem Markt zu platzieren. „Als Student ist man flexibel, um sich mit eigenen Projekten beschäftigen zu können. Man erhält Zugang zu zahlreichen universitären Inkubatoren, die es erleichtern, sich im Gründerdschungel zurecht zu finden.“ Meinecke war bei seiner ersten Gründung Einzelkämpfer. Nun tüftelt er in einem Team an der Umsetzung der neuen Produktidee, typisch für Startups.Laut Startup-Monitor ist die Zahl der Teamgründungen sogar von 25 auf 37 Prozent gestiegen. Insgesamt stehen sie mit 75 Prozent Anteil am Gründungsgeschehen deutlich über den Sologründungen. Denn gründen heißt auch: Verbündete finden, die die Aufgaben übernehmen, die einem nicht liegen, vielleicht das Spiel mit den Zahlen? Gründen ist wie eine Ehe, es muss passen. Und doch fehlt da etwas Entscheidendes: die praktische Erfahrung, wie das Verständnis für die Vermarktung und den Vertrieb der eigenen Idee. Da werden die Anlaufstellen, die dabei beratend unterstützen umso wichtiger. „Die Gründerszene war zum Zeitpunkt meiner Gründung im Jahre 2013 noch nicht sehr ausgereift. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es eine Anlaufstelle gab, die mich auf mehreren Ebenen unterstützen konnte. Die universitäre Institution TEGSAS half mir lediglich bei der Entwicklung des Geschäftsmodells und bei der Erstellung eines Businessplans“, sagt Meinecke.

Neue Gründerzentren an Uni und Hochschule 

Im vergangenen Jahr wurde das Transfer- und Gründerzentrum (TUGZ) aus der Taufe gehoben. Das bietet neben temporären Office-Plätzen die Startup-School. Ziel ist es dabei, durch externe Vorträge und individuelle Beratung die persönliche Entwicklung der Gründer zu fördern und bei der Geschäfts- und Produktentwicklung zu helfen. Der Fokus liegt auf Startups. Im Wintersemester haben etwa 60 Studenten an den verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen. Seit Ende des vergangenen Jahres hat nun auch die Hochschule Magdeburg-Stendal ein Gründerprogramm. „Wir versuchen, Teams miteinander zu vernetzen, unterstützen Teams, die mit ihrer Idee am Anfang, aber auch diejenigen, die vor der Ausgründung stehen“, sagt Nance Kaemmerer, Gründerberaterin am TUGZ. Sie lebt Startup, fiebert bei jedem Pitch ihrer Schützlinge mit. Sie kommt aus der freien Wirtschaft, weiß, worauf es ankommt. „Ich bin wie das inoffizielle Teammitglied.“ Das wünschen sich die Gründer, jemanden, der sie an die Hand nimmt. Willst du zum Beispiel finanzielle Unterstützung musst du dich durch das Minenfeld an Regularien der verschiedenen Gründerförderungen kämpfen.

Zahlreiche Förderprogramme

Fremd- und Eigenkapital, das ist ein wichtiges Thema für die Startups. Finanzierungsmöglichkeiten gibt es in Sachsen-Anhalt einige, sogar in der Frühphase, wo nur erste Prototypen existieren. Die Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) gehört regional zu den größten und erfahrensten Geldgebern. Diese unterstützt zum Beispiel Gründungsprojekte in der Vorgründungsphase, aber auch beständige Unternehmen und Innovationen. Insgesamt investierte die IB im vergangenen Jahr 47,23 Millionen Euro in Technologien und Innovationen. „Startups müssen flexibel auf äußere Faktoren reagieren. Das ist zum Beispiel mit Förderprogrammen wie dem ego.-Gründungstransfer möglich“, sagt Sebastian Meinecke. „Bei Anträgen für Förderungen muss man hartnäckig bleiben. Bei Sme Bicycles standen mir kaum Gelder zur Verfügung.“ Was also dann? Business-Angel à la „Höhle der Löwen“ trifft man nicht auf der Straße, man tritt mit ihnen direkt in Kontakt, beim jährlichen Investforum. Auch die Startup Night der bpc UnternehmerInnenakademie ist dabei, sich als Netzwerkveranstaltung zu etablieren. Da mischen sich Chancengründer, Selbstständige, und Business-Angel. Der Investmanager Jan Alberti verwaltet für Sachsen-Anhalt die landeseigenen IBG-Fonds und investiert in innovative Technologieunternehmen mit Sitz in Sachsen-Anhalt. Es geht um große Investitionen mit hohem Risiko. Investitionen aus Überzeugung: „Startups sind ein unglaublicher Motor für die Wirtschaft.“ 

Austausch ist wichtig

Fest steht: ein Startup braucht Austausch. Beim regelmäßigen Gründerstammtisch zum Beispiel. Neue und erfahrene Startups, aber auch Einzelpersonen treffen aufeinander und suchen das Gespräch. Johannes Schöllhorn von Nozz sagt: „Der Austausch mit anderen Startups ist für uns essentiell. Je mehr Ideen und Leute in der Startup-Szene unterwegs sind, desto mehr geniale verändernde Ideen können gemeinsam gedacht und, viel wichtiger, umgesetzt werden.“ Von einer Szene sind wir noch entfernt. „Die Vernetzung unter den Startups und den Anlaufstellen ist wichtig“, sagt Traudel Gemmer, Geschäftsführerin der bpc UnternehmerInnen Akademie und erfahrener Business-Angel. Sie ist seit 20 Jahren in der Gründerszene aktiv, bemühte sich jahrelang darum, dass Magdeburg ein spezielles Servicecenter für Gründerinnen bekommt. „Ich will, dass die jungen Leute etwas machen. Ich will, dass in der Stadt etwas passiert“, sagt sie. Passiert ist etwas. Gerade hat die Stadt ein neues Internet-Portal gestartet, um Anlaufstellen für Gründer und Selbstständige unter dem Dach „Gründerstadt Magdeburg“ zu vereinen. Auf der gleichnamigen Homepage werden Informationen zu Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge gebündelt. Sehr erfolgreich ist auch der seit gut zwei Jahren von der städtischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung organisierte Kreativsalon (kreativsalon-magdeburg.de, nächster am 16. Mai), bei dem regelmäßig Wirtschaft und Unternehmen der Kreativszene zusammengebracht werden. Um das Matching geht es ebenso beim von den Wirtschaftsjunioren neu organisierten Gründer-Themenabend in der Xampanyeria 226, der seinen Kick-off am 6. Mai hat. Zum Auftakt ist Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper zu Gast. 

Weitere Anlaufstellen:

www.igz-md.de

www.generation-selbststaendig.de

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