Kraftklub: „Unsere Fans sind jetzt Mainstream“

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© Christoph Voy

Ihr habt gesagt „Man kann als Band beim zweiten Album eigentlich nur alles falsch machen“ – verfolgte euch das beim Songwriting und im Studio?

Anfangs gar nicht, da haben wir einfach gemacht. Aber irgendwann sind wir doch wieder in diese Falle getreten, weil die Frage nach dem Druck und dem zweiten Album in Interviews öfter kam, dass wir uns wirklich Druck gemacht haben. Plötzlich redeten wir über Singles, Radiotauglichkeit, Chartplatzierungen und Musikkritiken. Diesen ganzen Schwachsinn, über den wir uns vorher nie Gedanken gemacht haben. Bis wir gesagt haben „Ey Leute, sowas ist nicht unser Ding. So waren wir doch sonst nie.“  Dann haben wir damit wieder aufgehört.


Aber ohne Charterfolge läuft es eben nicht. Für euch zählen aber eher Konzerte?

Uns geht es tatsächlich mehr ums Livegeschäft als um Chartplatzierungen. Wer weiß, hätten wir das Album später veröffentlicht, hätten vielleicht AC/DC auch eine neue Platte rausgebracht oder Helene Fischer hätte einen großen Auftritt gehabt, dann sind die auf Platz eins. Bei Chartplatzierungen denke ich „Mein Gott, dann verlierst du da halt, dann sind wir eben auf Platz zwei.“ Das ändert nichts an der Tatsache, das du viele CDs verkaufst. Uns ist eher wichtig, dass die Platte so gut ankommt, das wir eine tolle Tour spielen können und zu der auch Leute kommen, und wir auf Festivals gute Spielzeiten haben.


In „Zwei Dosen Sprite“ singst du über Promipartys „Irgendwie hab ich mir das anders vorgestellt. Irgendwie passen wir nicht in diese Welt“ – wie habt ihr euch die Rock ‘n‘ Roll-Welt früher ausgemalt?

Viel aufregender. Und unspießiger, als sie tatsächlich ist. Wir dachten nicht, dass sich die Leute da alle nur über Business-Sachen unterhalten, da sollen doch alle drauf scheißen! Das sind doch Rockstars, da geht’s um Drogen, Exzess, ausschweifend feiern – dachten wir. Das Gegenteil ist der Fall: Alle unterhalten sich immer nur übers Geschäft, jeder will von anderen hören, dass er total toll ist. Das hat uns sehr desillusioniert.


Bittere Erkenntnis. Gehst du da jetzt nur noch hin um dich zu betrinken?

So bitter war es gar nicht. Die einzige Konsequenz die man ziehen kann, ist nicht mehr hinzugehen. Und wenn man hingeht, gilt dasselbe, wie für jede andere Party auch: Solang man mit netten Leuten hingeht, wird es auch nett. Im besten Fall sollte man sich Kumpels mitnehmen und sich freuen, dass kostenlos Bier ausgeschenkt wird.


Aber in echt: Zum Kontakte knüpfen taugen solche Partys doch auch.

Die wichtigen Kontakte die ich auf Partys kennengelernt habe, kann ich an einer Hand abzählen. Diese werden definitiv übertrumpft von den Begegnungen, die ich lieber nicht gemacht hätte. (lacht)


Apropos Kontakte –  bei „Schöner Tag“ hat Casper einen Gastauftritt, auf seinem letzten Album habt ihr bei „Ganz schön okay“ mitgemacht: Ein Deal?

Nein, das war eher ein „Wir haben da diesen Part in diesem Song, der so industrial-mäßig abgeht. Da passt eine geile Reibeisenstimme drauf. Wen kennen wir denn, der solch eine Stimme hat?“ Da ist uns nur Casper eingefallen, wir haben keine anderen Freunde, mit solch einer Stimme. Casper und wir sind ja schon sehr lange befreundet und waren 2011 schon auf Tour, das hat uns zusammengeschweißt.


Hast du einen Traum-Partner für ein künftiges Feature?

Nö. Ich kenne mittlerweile alle Musiker aus Deutschland, die ich geil finde. Das klingt irgendwie etwas angeberisch – ich will auf jeden Fall gern weiter Features machen, mit Leuten die ich gut leiden kann. Das ist in dem Sinne dann kein Traum, wie mit Jay-Z ein Feature zu machen. Diesen Traum habe ich nicht. Jay-Z ist mir egal. Ich mache lieber mit Leuten Musik, mit denen es Spaß macht, sich zusammen was auszudenken.


Neben Casper – mit wem hast du schon zusammen gearbeitet?

Ich habe kürzlich was mit den Beatsteaks gemacht. Mit denen hänge ich viel lieber rum als mit Jay-Z. Glaube ich. (lacht) Also Jay-Z ist bestimmt auch cool, das weiß ich ja nicht. Vielleicht könnte ich auch super mit Jay-Z und Beyoncé abhängen und wir würden voll die coolen Freunde werden und wenn ich irgendwann ‘ne Frau habe, zusammen Pärchenurlaub machen. Und wenn wir uns fragen wo wir hinfahren sage ich so „Hey ich habe ‘nen Onkel, der hat ein Boot auf der Müritz“, dann sagt Jay-Z „Ja, Müritz ist bestimmt ‘ne schöne Seenplatte, aber wir haben da in Monaco ‘ne Yacht stehen?“, dann sage ich „Ja, in Monaco war ich auch noch nicht“ und dann fahren wir nach Monaco.


Vielleicht liest Jay-Z das hier und lädt dich ein!

Ich hoffe!


Ihr knallt euren Fans die Textzeile „Unsere Fans sind jetzt Mainstream!“ ins Gesicht. Gab es den schon Vorwürfe wie abgehoben ihr doch seid? 

Das fing damals ja schon in Chemnitz an, dass uns am Anfang alle cool fanden und wenn man dann im Fernsehen ist, erzählen Leute, die man kaum kennt, so Sachen über dich. Die sind total arrogant geworden, die haben sich voll verändert. Und man denkt sich „Ey, wir kannten uns auch nicht als wir noch unbekannt waren, du Vollidiot! Erzähle nicht so ein Scheiß über mich.“ Sowas kommt immer mal wieder.


Wie reagiert ihr auf sowas?

Wir lachen darüber! Ich habe mich als ich den Song geschrieben habe zum ersten Mal damit befasst und überlegt, was andere halt so über uns gesagt haben.


Gab es auf den Song jetzt negative Reaktionen der Fans?

Ich traue unseren Fans einen gewissen Humor zu und die Fähigkeit, diese Ironie zu entschlüsseln. Wenn man diesen Song falsch versteht, dann hat man wahrscheinlich auch keinen Spaß am Rest des Albums.


Es gibt bei euch keine „Die Welt ist total schön“-Songs – liegt das daran, dass du gut gelaunt einfach keine Texte schreiben kannst?

Es kann schon sein, dass ich lieber andere Sachen mache, wenn ich gut gelaunt bin. Wir finden es aber generell gut, sich kritisch mit seiner Umgebung auseinander zu setzen, als immer alles abzufeiern. Das ist langweilig!


Auf „In schwarz“ gibt es zwei Songs, die sich mit Demonstrationen beschäftigen – seid ihr privat politisch engagiert? Geht ihr auf Demos?

Ja zu beiden Fragen! Ich glaube in unserer Musik haben wir dazu schon alles gesagt! Ich finde es einfach eklig, wenn Leuten Empathie fehlt. Und sie für ihre Situation anderen Leuten die Schuld geben, denen es noch schlechter geht.


„Alles ist gut, solange die auf RTL noch dümmer sind als du“ – meinst du, das Fernsehen nimmt den jungen Leuten die Lust irgendwas zu verändern, weil sie sich nur mit diesen Programmen beschäftigen?

Ich finde es bedenklich, dass diese Empathie-Fähigkeit schwindet. Man setzt sich vor den Fernseher und lacht Leute aus. Echte Menschen. Und freut sich darüber, dass man nicht ganz so doof ist wie die. Das ist so unkonstruktiv, das kann ich nicht feiern. 

Interview: Friederike Steemann

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