Wendeherbst 1989: Zeugnisse von Agonie und Aufbruch

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© Pavel

Stets mit seiner Kamera über der Schulter durchstreift Matthias Pavel Ende der 1980er Jahre Magdeburg. Auf der Suche nach dem Besonderen, fängt er die flüchtigen Momente ein: Scheinbar banale Alltagssituationen, spielende Kinder. Seinen ersten Fotoapparat, eine Beirette SL, hatte er mit 12 Jahren bekommen, die erste richtige Kamera kaufte er sich 1983 für 2000 hart ersparte Mark. Später richtete er sich ein Fotolabor im Badezimmer ein, das notwendige Wissen eignete er sich selbst an. Er wohnte damals am Hasselbachplatz, der zum Ausgangspunkt seiner Streifzüge durch die Stadt wird. Seine Fotografien zeigen vergessene Hinterhöfe ebenso wie wartende Menschen an Haltestellen. Er trifft Menschen in Jugendclubs, Kirchen und Kneipen – vom Studenten bis zum Punk – und ist in der Magdeburger Kulturszene unterwegs, wie dem Jugendclubzentrum Hasselbachplatz, der Düppler Mühle oder Max Lademann. Im Herbst 1989 dokumentiert er den sich abzeichnenden Umbruch. Die Ereignisse jener Tage und Wochen überschlugen sich förmlich: aus den ersten Montagsgebeten für Erneuerung wurden Demonstrationen durch Magdeburg. DDR Bürger suchten Zuflucht in der Prager Botschaft. Wenig später wurde Honecker durch Egon Krenz ersetzt. Der Druck jedoch hielt an. Pavel begleitete viele Ereignisse mit der Kamera. „Niemand wusste damals, was passieren würde, wie sich die Staatsmacht verhalten würde. Mit einer Kamera unterwegs zu sein war doppeltes Risiko. Einerseits, gegenüber der Stasi, andererseits gegenüber den Demonstranten, die einen für einen Stasispitzel hätten halten können.“

Am 4. November stand Pavel auch bei der größten Kundgebung Magdeburgs auf dem Domplatz mit auf der Tribüne. Eine Woche später fiel die Mauer. Aber dann ging es erst richtig los. Das Land begann sich aufzulösen, die Stasizentrale fiel, Bürgerkomitees nahmen ihre Arbeit auf, Runde Tische wurden gebildet, aus „Wir sind das Volk“ wurde „Wir sind ein Volk“.  

Und Matthias Pavel? Noch 1990 wurde er freier Redakteur bei der „DAZ - Die andere Zeitung“, bis heute kann er als freier Fotograf von seiner Kamera und dem Dokumentieren von Zeitgeschehen nicht lassen. Seine Bilder aus dem Winterhalbjahr 1989/90 sind zu bemerkenswerten Dokumenten geworden, die vom Leben zwischen Agonie und Aufbruch in diesen Jahren erzählen.

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