Barockmusik macht süchtig

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Magdeburg feiert den 250. Todestag von Georg Phillip Telemann mit der Telemania. Durch hochkarätige Konzerte von Alter Musik bis zum Jazz möchte Festival-Intendant

 Marco Reiß die Magdeburger mit dem „Telemann-Fieber“ anstecken.

Telemania - was für ein schönes Wort. Es ist die Verbindung aus Telemann und Manie, also „dem leidenschaftliche Drang, etwas tun zu müssen.“ Ja, dieser leidenschaftliche Drang treibt auch Marco Reiß an. Eigentlich ist er erster Violinist der Magdeburgischen Philharmonie, sichtbar nach außen trat er bisher höchstens als Primarius des „Rossini Quartetts“. Im Telemannjubiläumsjahr 2017, in dem der 250. Todestag des Barockkomponisten international geehrt wird, ist Reiß Intendant der „Telemania 2017“.

© Matthias Pavel

Als ihm vor einem guten Jahr die Intendanz für die Ausrichtung des Jubiläums angetragen wurde, sagte er unter der Bedingung zu, bei der Programmplanung größtmögliche gestalterische Freiheit zu haben. Denn Reiß wollte nichts weniger, als den großen Barockkomponisten einer deutlich breiteren Schicht in Magdeburg zugänglich zu machen, als es die alle zwei Jahre stattfindenden Telemann-Festspiele in all den Jahren geschafft haben, ganz nach dem Motto: Was den Leipziger ihr Bach soll den Magdeburgern künftig ihr Telemann sein – bekannt wie die beiden Ottos, der Kaiser und der Guericke. Einer wie Reiß ist dafür der richtige: Er versteht viel von klassischer Musik und hat mit seinem Rossini-Quartett oft schon den Crossover geübt. Sein erklärtes Ziel ist es, Telemanns geniales Werk „massentauglich“ zu präsentieren ohne es zu trivialisieren. Das ist der vielleicht entscheidend andere Ansatz als die bisherige engagierte Arbeit des Telemannzentrums und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Also ist Reiß in den letzten Monaten wie ein Getriebener unterwegs gewesen, hat jenseits der Basisfinanzierung durch Stadt und Land aus allen nur denkbaren Quellen Geld beschafft, hat mit ungezählten möglichen Partnern gesprochen und sie für sein Projekt begeistert. Aus diesem Ideenfundus wurde ein Programm gestrickt, das unglaublich facettenreich ist. Mehr als 100 einzelne Veranstaltungen wird es zwischen März und Juni geben. Von Theaterstücken über Schiffskonzertreisen nach Hamburg bis zum klassischen Konzert sind darunter auch ungewöhnliche Crossover-

Ideen wie Jazzinterpretationen durch Startrompeter Till Brönner (23.Juni), öffentliche Flashmobs oder das Projekt „Telemann is bigger than...“ bei dem Ensembles aller musikalischer Couleur darunter HipHop aufeinandertreffen. So wie Telemann es einst selbst formulierte, dass das Singen das „Fundament zur Music in allen Dingen“ sei, wird beispielsweise ein Telemann-Fanchor des 1. FC Magdeburg entstehen, der vor einem Liga-Spiel auf dem Rasen der MDCC-Arena Telemanns Musik erklingen lässt. Was für eine Bühne! In Magdeburg hatte sich Telemann einst im Selbststudium das Spiel von Musikinstrumenten beigebracht, „ohne zu wissen, dass Nothen in der Welt wären.“ Hier fand auch die Aufführung seiner ersten Oper „Sigismundus“ statt – Telemann war damals 12 Jahre alt. Die schönste Antwort darauf ist vielleicht die Uraufführung des Musicals „Telemann in Pop“ (20. Mai), das die Frage verfolgt: Wie wäre es, wenn jemand wie Telemann heute leben würde? Dabei wird das Leben und Werk Telemanns auf moderne Weise präsentiert. Auch andere Bühnen tragen ihren Teil zum Jubiläum bei: Das Puppentheater inszeniert die Abenteuer des Don Quijote mit Livemusik von Telemann – und spielt dafür erstmals klassische Livemusik in einem Stück.

Bei den „Hengstmanns“ gibt es ein „Kabarett des Barock“ als heitere halbszenische Aufführung und die Kammerspiele lassen in ihrem Stück „Das Glück des Gauklers“ (Premiere 2. Juni) miterleben, wie aus dem jungen Telemann doch kein über die Jahrmärkte ziehender Gaukler wurde (wie von der Familie befürchtet). Auch die interaktive Ausstellung „Hör mal Telemann!“ im Klosterbergegarten oder die dort ebenfalls stattfindende Lange Telemann-Nacht (24. Juni) sind geeignet, den Komponisten kennenzulernen. Und weil Telemann in zehn europäischen Städten gewirkt hat, finden Kooperationen mit anderen Telemann-Städten statt.

www.telemann2017.eu

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