Florian Schroeder: "Egal, was wir tun, es ist immer eine Entscheidung"

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© Frank Eidel

Gehe ich nach rechts oder nach links, lieber rot oder blau. In Ihrem neuen Programm geht es um Entscheidungen. Entscheidungen, die uns täglich unbewusst und bewusst begleiten. Warum ist das so schwer?

Um es paraphrasierend mit Paul Watzlawskis Worten zu sagen: Man kann nicht nicht entscheiden. Egal, was wir tun, es ist immer eine Entscheidung. Auch dann wenn wir es gar nicht mitbekommen. Selbst die Frage danach, ob man zur Arbeit fährt, ist eine Entscheidung. Man könnte sich ja anders entscheiden, wenn man mit den Konsequenzen leben kann.

Wir sind also Gefangene unserer Entscheidungen.

Die gute Nachricht ist: Den größten Teil unserer Entscheidungen bekommen wir gar nicht mit, weil der einfach automatisch abläuft. Sie sind schon in uns programmiert und deshalb Routinen. Wir nehmen nur diejenigen bewusst wahr, über die wir uns Gedanken machen müssen.

In der Politik wird’s da schon schwieriger. Wo ist dieses Problem im politischen Diskurs derzeit besonders ausgereift?

Das große Thema dieser Tage ist natürlich der Umgang mit der Flüchtlingsfrage, wo wir ja offenbar eine ganz neue Kanzlerin erleben können. Eine Kanzlerin, die entschieden auftritt, die zu ihren Entscheidungen steht und gleichzeitig in der Wählergunst absinkt. Das ist natürlich hochspannend. Wir haben eine Situation, bei der die Kanzlerin offenbar intuitiv im vergangenen September entschieden hat und das Richtige getan hat. Und nun muss sie zu dieser Entscheidung stehen und ist plötzlich einsam. Das ist das Gegenteil von dem, was sie vorher getan hat. Sie ist immer der Mehrheit gefolgt, hat abgewartet, wie dreht sich der Wind. „Oh, Fukushima fliegt in die Luft. 90 Prozent der Deutschen haben Angst, dass das nächste Fukushima in Deutschland sein könnte. Da steigen wir doch mal aus.“ Das war dann doch die risikolose Entscheidung.

Die Landtagswahlen Sachsen-Anhalts haben vor einem Monat die politische Welt im Land durcheinander gewirbelt. Wie bereiten Sie sich bei solchen Ereignissen auf die Stadt vor.

Das kommt immer darauf an. Meistens ist es so, dass das lokale Material schon da ist. Das kann ich entsprechend nochmal zuspitzen oder pointieren. Was ich nicht mache ist, für jede Stadt etwas anderes komponieren. Dann würde ich jedes Jahr hundert Mal etwas über eine Stadt erzählen, aber kein Programm mehr haben. Das geht einfach nicht, das wird irgendwann zu kleinteilig. Insofern versuche ich mich an der Weltpolitik zu orientieren. Aber Sachsen-Anhalt ist ein Teil dieser Welt und da die AfD bei 24 Prozent liegt, gibt es so einiges an Material.

Das Thema Entscheidungen hat viele Facetten. Wie gelingt da die perfekte Mischung aus Comedy und Kabarett?

Ich gucke, was mich interessiert. Vom großen Philosophen Hegel gibt es einen schönen Satz: „Philosophie ist ihre Zeit in Gedanken erfasst.“ Ich habe das mal geändert in „Kabarett ist ihre Zeit in Pointen erfasst“. Natürlich versuche ich mich mit den großen Fragen der Zeit auseinanderzusetzen und darauf möglichst lustige Antworten zu geben. Da fällt einiges hinein, auch Themen, die man im klassischen Kabarett verorten würde, aber auch in der Comedy. Ich spreche zum Beispiel im Programm darüber, wie wir entscheiden, in wen wir uns verlieben und frage, wie wir als Paar zusammenleben wollen. Da hat sich sehr viel verändert und das ist hochpolitisch. Frauen trennen sich heute häufiger und schneller? Wir sind heute nicht mehr zusammen, weil wir wirtschaftlich voneinander abhängig sind, sondern aus freien Stücken. Welche Konsequenzen hat das? All das basiert auf soziologischen Theorien, die ich den Leuten lustig darbiete. Das ist - dem Klischee nach - ein klassisches Comedyfeld, das ich kabarettisiere.

Comedy kann vieles sein, auch flach...

Das kann Kabarett aber auch sein. Für mich ist es wichtig, dass ich die Themen vor dem Hintergrund dessen behandele, was die Wissenschaft, zum Beispiel die Psychologie, dazu sagt. Nur das lässt es für mich interessant sein. Semiprivate Erzählungen über Frauen, die ihre Tage haben, interessieren mich nicht.

Welche Rolle hat da Ihr Studium der Germanistik und der Philosophie gespielt?

Das war ganz wichtig, weil ich einen bestimmten Blick auf die Welt gelernt habe. Ich habe zum einen das gelernt, was heute Schlüsselqualifikationen genannt wird: recherchieren, das Wichtige vom weniger Wichtigen zu trennen, , aber ebenso Dinge in Frage zu stellen. Oder ganz einfach alles einmal umzudrehen und zu fragen, ob man es nicht anders sehen könnte. Das ist für den Humor das Wichtigste. Naürlich habe ich auch ein paar philosophische Denkansätze behalten, die mir wieder einfallen, wenn ich an einem Text arbeite.

Sie sind ja nicht nur Kabarettist, sondern auch Moderator und Buchautor. Muss man als Kabarettist zwangsläufig ein Buch schreiben? Ne. Es war tatsächlich so, dass mich das gereizt hat. Ich hab' das Medium Buch immer geliebt. Ich hatte immer großen Respekt vor Leuten, die schreiben. Das war das Gegenteil von dem, was ich auf der Bühne mache. Bühne oder Fernsehen ist Work-in-Progress. Man präsentiert etwas und am nächsten Tag kann es auf der Bühne trotzdem vollkommen anders sein, wenn man zum Beispiel eine ganze Nummer rausstreicht und etwas Neues macht. Das ist die Arbeit, mit der ich von Anfang an vertraut bin. Das Buch ist das Gegenmedium, ein radikal zu finalisierendes Produkt, was genau so gedruckt wird und nicht mehr veränderbar ist. Diese Endgültigkeit und die Möglichkeit auf einer Langstrecke formulieren zu können, die in der schnellen Bühnenpointierung nicht möglich ist, reizt mich immer wieder

Zur Veranstaltung: Florian Schroeder, 10. 4.

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