Seilers Utopie von Freiheit

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© Conrad Engelhardt

Frau Borrmann, wie erklären Sie sich den großen Erfolg des Romans?

Offenbar trifft er den Nerv eines breiten Publikums. Ich denke, dass sich die Frage,

Lukas Dostal

was Freiheit ist, heute wieder neu stellt. Besonders im Osten. Viele Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Freiheitsverheißungen nach der „Wende“ nicht automatisch und für alle eingelöst haben. Da sind auch Illusionen geplatzt. Und inzwischen erleben wir, dass unser Leben so viele Einengungen und Abschnürungen erfährt, dass wir das subjektive Gefühl, frei zu sein, oft gar nicht mehr spüren.

Der Roman wurde ja häufig als „Wenderoman“ beschrieben, ist aber tatsächlich die Geschichte eines Innehaltens ...

Seiler selbst mag den Begriff „Wenderoman“ offensichtlich nicht, weil er das Buch auf die Beschreibung eines historisch-politischen Geschehens verkürzt. Das Interessante an „Kruso“ ist ja gerade, dass da etwas Neues entsteht – eine tiefe Freundschaft zweier Menschen, die diese Freiheits-Utopie erproben, während ringsum das Land zerbröckelt.

Was interessiert Sie grundsätzlich an der Bearbeitung von literarischen Stoffen, welche Kraft muss ein Stoff für Sie haben?

Oft finden sich in der Prosa komplexere Gesellschaftsbilder als in den Stücken. Deshalb sehe ich Romanadaptionen als eine wichtige inhaltliche Bereicherung für das Theater an. Natürlich eignen sich nicht alle Stoffe gleichermaßen. Bei „Spur der Steine“ hatte ich eine kraftvolle Story mit dramatischen Situationen und klaren Antagonisten – das waren Steilvorlagen für eine Adaption. Dafür war aber die Sprache oft ideologisch und hölzern. Bei „Kruso“ ist die Sprache hingegen sehr stark, dafür ist der Roman eher atmosphärisch als dramatisch. Erst am Ende überstürzen sich die Ereignisse, Konflikte drängen zum Ausbruch. Die Techniken, aus dem Roman eine bühnentaugliche Fassung zu machen, waren also unterschiedlich. An „Kruso“ habe ich jedenfalls sehr viel länger zu kauen gehabt!

Gab es Kontakte zum Autor?

Ja, er findet die Bühnenfassung sehr gut, was mich freut.

Nach „Spur der Steine“ inszeniert Cornelia Crombholz erneut eine Stückfassung von Ihnen. Was schätzen Sie an ihrer Arbeit?

Ich schätze ihr Interesse an gesellschaftlichen Themen. Selbstreferentielles Theater interessiert uns wohl beide nicht sonderlich. Und ich mag ihre kraftvolle und sinnliche Theatersprache. Außerdem haben wir denselben Humor.

Kruso, Uraufführung am 25. September, 19.30 Uhr, Schauspielhaus/Bühne

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