Lügen haben kurze Beine

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© Nilz Böhme

Lügen – das wird nie eine Tugend sein. Moment. In der Komödie „Die Wahrheit“ vom französischen Schriftsteller Florian Zeller wird sie es irgendwie doch, wie Claudia Brier in ihrer aktuellen Inszenierung am Schauspielhaus zeigt. Der Begriff von Wahrheit wird dabei ordentlich auf den Kopf gestellt. Es ist  bereits die vierte Premiere der Spielzeit unter der Schauspielhausdirektorin Cornelia Crombholz.

Hinter der heilen Fassade

Michel und Alice sind ganz wild aufeinander. Sie lieben es, miteinander Liebe zu machen. Wären da nicht immer diese Schuldgefühle. Denn schließlich sind Alice und Michel verheiratet, aber nicht miteinander. Ausgerechnet Alices Ehemann ist Michels bester Freund Paul. Dennoch würde Alice die Schäferstündchen mit Michel zwischen Tür und Angel gern gegen ein ganzes Wochenende mit Paul eintauschen. Es gelingt ihr und sie verbringt unter falschem Vorwand das Wochenende mit Michel. Aber was ist wenn Paul oder Michels Ehefrau Laurence etwas rausbekommen? Das Gewissen holt Alice ein und sie ist wild entschlossen, Paul die Wahrheit zu sagen. Als Michel sich bei Paul entschuldigen möchte, reagiert dieser überraschend gelassen. Liegt es vielleicht an dem Geheimnis, dass Paul und Laurence umgibt? Und wer sagt jetzt die Wahrheit?

Wer wahrt den schönen Schein ?

Regisseurin Claudia Brier hat dieses höchst verstrickte Lügenkonstrukt auf einen Tennisplatz verlegt und so einen bildhaften Austragungsort für das Aufeinandertreffen von Wahrheiten geschaffen. Moderne Sitzbänke am Seitenrand, Mülleimer in Tennisball Design und eine kleine Sonnenterasse samt Sauna zieren den luxuriös anmutenden Tenniscourt, der von Christiane Hercher gestaltet wurde. Den schönen Schein der Tenniswelt verkörpern die Figuren in der weißen Weste. Das Publikum amüsiert sich beim großen Tennis der Lügen.

Gelungenes Schauspiel

Ralph Martin als Michel zeigt hierbei ein großes Schauspiel zwischen Flunkerei und Schwindelei. Durch seine überspitzte Darstellung des frommes Lamms und seine gespielte Ungläubigkeit bei Unterstellungen , wird die Gerissenheit seiner Figur  beim Lügen noch ein Mal deutlicher. Seinen Höhepunkt erreicht er in seiner Rolle als betrogener Betrüger. Schließlich ist er ehrlich empört als er erfährt, dass sein bester Freund ihm eröffnet, bereits alles gewusst zu haben. Franziska Reinckes Alice  ist eine durchtriebene Ehefrau, die ganz genau weiß, wie sie ihre Situation umkehren kann. Das Ensemble wird in dieser Inszenierung Florian Zellers perfekt durchdachter Figurenkonstellation gerecht. Es gelingt selbst das Publikum so zu verunsichern, dass man sich nicht mehr sicher sein kann, welcher der Figuren überhaupt die Wahrheit sagt.  Belohnt wird die Arbeit durch regen Applaus und mit dem Wissen, dass die Wahrheit auch immer ein bisschen Lüge ist.

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