Lustig und erschreckend

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© Kathrin Singer

Jahre her: Vor ihrem ersten Vorsprechen besichtigte Iris Albrecht auf Hiddensee das Sommerhaus Gerhart Hauptmanns. Der Aberglaube, das dieser Besuch Glück bringen würde, hat funktioniert, denn wenig später bewarb sich die 17-Jährige an der renommierten Schauspielschule „Ernst Busch“ mit der Mutter John aus Hauptmanns Drama „Die Ratten“, wegen ihres jungen Alters sehr zum Vergnügen der prüfenden Dozenten, die aber das Talent erkannten.

In die Wiege gelegt wurde ihr der künstlerische Weg nicht. Die gebürtige Quedlinburgerin spielte Tischtennis, wurde 1985 gar DDR-Meisterin im Doppel. Als es an die Berufswahl ging, war Schauspiel plötzlich eine Option. „Ich habe es nicht begründen können, es war einfach ein Bauchgefühl, dass das was sein könnte.“ Nach dem Umweg einer gescheiterten Filmregiebewerbung traute sie sich dann doch, an die Schauspielschulen zu schreiben und wurde zum Glück nach wenigen Versuchen genommen. Jahrelange Vorsprechtourneen wären für sie nicht in Frage gekommen, auch weil ein „Nichtstun“ nach dem Abitur in der DDR einfach nicht vorgesehen war. Als Alternative hatte sie eine Studienzulassung als Deutsch-Englisch-Lehrerin in der Tasche. Albrecht ging nach dem Studium mit einer siebenköpfigen Absolventengruppe für drei Jahre an das Thüringer Landestheater Rudolstadt. Danach arbeitete sie jahrelang freischaffend und als Schauspieldozentin an der Berliner Jugendkunstschule. Nach Engagements in Greifswald und Rostock wechselte sie ins Ensemble nach Magdeburg.

Wichtige Frauenpartien hat Iris Albrecht hier spielen dürfen. „Solche Rollen, wie Martha in ‚Virginia Woolf‘, Elisabeth in ‚Maria Stuart‘ und jetzt Mutter Wolff in ‚Der Biberpelz‘ spielst du nur einmal, wenn überhaupt. Das sind schon Geschenke. Aber ich hänge zum Beispiel auch an der Inszenierung von Sarah Kanes ,4:48 Psychose‘, weil damals gesagt wurde, wir leisten uns das, und es gibt vielleicht vier bis sechs Vorstellungen‘, und dann war das 25mal ausverkauft. Oder Linda in ,Tod eines Handlungsreisenden‘, das mochte ich auch sehr. Obwohl das keine Hauptrolle ist. Es haben mich ganz viele Frauen danach angesprochen, dass sie das sehr berührt hat. Dabei stehe ich da nur in der Küche rum, bin da und um mich geht’s nie. Gerade das hat sie aber wahrscheinlich sehr angesprochen.“

Komisch aber zugleich berührend spielt Albrecht auch die „nur“ psychisch beeinträchtigte Lillemor in „Die Kunst des negativen Denkens“, eine Figur, die ihr ebenfalls sichtbar ans Herz gewachsen ist. Das Magdeburger Publikum liebt Iris Albrecht vor allem aber in ihren komödiantischen Rollen, aktuell als Maria Tura in „Noch ist Polen nicht verloren“, in „Sonnenallee“ und Linda in „Spiel‘s nochmal, Sam“. Für viele nah am Original ist „ihre“ Yvonne aus der „Olsenbande“. Eine Rolle, die sie selbst liebt, weil die dänische Filmserie für sie eng mit der Kindheit verbunden ist. Dabei sind Rollen mit solch konkretem Vorbild vertrackt: „weil jeder weiß, wie du sprichst, wie du aussiehst, jeder erwartet von dir, dass du es genau triffst.“ Nun also Hauptmann. Unter der Regie von Enrico Stolzenburg spielt Iris Albrecht mit Mutter Wolff eine als fleißig geltende, resolute Waschfrau, die jenseits der Legalität für mehr Geld in der Haushaltskasse sorgt. Die Rolle fordert ihr eine Auseinandersetzung mit Hauptmanns extremer Kunstsprache ab, einer Mischung von schlesischem, anhaltinischem und Berliner Dialekt. Albrecht mag die Facetten der Figur, ihren enormen Antrieb, der allerdings nur die materielle Ebene betrifft. „Zusammen mit dem rustikalen Umgangston der Figur innerhalb ihrer Familie ist es eine Mischung von lustig und erschreckend, und das finde ich reizvoll. Hier kann ich mich austoben.“

Vergangenen Sommer besuchte die Schauspielerin zusammen mit ihrer Tochter wieder die Insel Hiddensee. Da wusste sie bereits, dass sie Mutter Wolff spielen würde.

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