Spiel mir das Lied von der Ehle

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© Jan Marius Bansche

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Ab und zu hört man einen Zug vorbeirauschen. Über weite verstrocknete Steppen kann man hier allerdings nicht schauen. Auch die in sich geschlossenen Steppenläufer sucht man vergebens. Stattdessen teilt sich ein blaues Großraumzelt und ein kleines gelbes Zelt den Platz auf einer schmalen Grünfläche. In unmittelbarer Nähe steht ein Fahnenmast, an dem schlaff eine FCM-Fahne herunter hängt. Wilder Westen ist woanders. Trotzdem soll in dieser Kulisse bereits zum 20. Mal das Unmögliche möglich gemacht werden und Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" aufgeführt werden. "Olvenstedt probiert's" halt. Scheu vor großen Namen wie Leone haben die Kultcharaktere der Reihe auch in diesem Jahr beim 20. Versuch der Kultreihe nicht. Dafür sorgten wieder einmal die dramaturgischen Einfälle von Autor Dirk Heidicke und Regisseur Jörg Richter bei der Konzeption des aktuellen Versuchs.

Überraschender Zuwachs

Scheu vor großen Namen, warum auch?  Schließlich konnte Regisseur Sebastian Wiese (Gerald Fiedler) den professionellen Schauspieler Henri Hübner (Oliver Breite)  für die Exkursion der unerschrockene Amateurtheatergruppe Braune-Sommer-Wiese in den Wilden Westen  gewinnen. Auch der begeisterte Nachwuchsschauspieler Ente (Michael Magel), mittlerweile Schauspielstudent, ist begeistert. Sein Dozent spielt mit ihnen gemeinsam ein Stück.  Dass Hübners Teilnahme allerdings nicht allein einem Gefallen für seinen besonders enthuasiastischen Schauspielerschüler Ente geschuldet ist, wird ganz schnell klar. Qualität will bezahlt werden, und so gesteht er bei einem Auerhahn, dass es auch die horrende Summe war, die ihn an die Ehle lockte. Gab es eine Förderung von der niemand etwas wusste?

Frank gegen Harmonica

Um die Ehle-Gemeinschaft ein wenig durcheinander zu bringen, muss ein Impuls von außen kommen, dass ist bei jedem Olvenstedter Versuch, bei dem Jörg Richter auf dem Regiestuhl sitzt, so klar, wie Beates (Susanne Bard) überzogene Diva-Allüren. Mit Oliver Breite konnte ein Schauspieler für die Kultreihe gewonnen werden, der vielen Zuschauer nicht ganz unbekannt ist. Denn neben seinen Theaterengagements ist Breite regelmäßig in Film- und Fernsehproduktionen zu sehen, beispielsweise in Serien wie Tatort, Polizeiruf 110 oder Soko Wismar. In seinem Henri Hübner vereint er als das, was so gar nicht zu Amateurtruppe passt. Von Meyke Schirmer mit weißer Jacke und elegantem weißen Sommerhut ausgestattet, scheint er gerade einer Sommeridylle an der Côte Azur entsprungen zu sein.  Hübner weiß, was er kann. Er kann schauspielern und lässt er es sich nicht nehmen, den eigentlichen Regisseur Basti in Frage zu stellen. Das lässt so ein - natürlich- erfahrener Regisseur wie Basti nicht unkommentiert. Bei jeder noch so kleinen Gelegenheit hebt er das Talent der anderen hervor, von denen ganz besonders Michael Günthers Achim durch seine schauspielerische Unbeholfenheit so überhaupt nichts einem Schauspieldozent namens Hübner entgegenzusetzen hat. Und doch: Da ist das Lob von Basti. Olvenstedt probierts, eben mal anders herum. Und gerade das kommt an.  Wie passend, dass Basti im geplanten Stück die Rolle des Harmonicas und Hübner die des Franks übernimmt. Da wird der vermeintliche Streit zu einem improvisierten Dialog zwischen Frank und Harmonica alias Hübner und Wiese.

Tradition verpflichtet

Das, was die Reihe "Olvenstedt probiert's" über die Jahre hat wachsen lassen, kommt auch beim 20. Versuch von Olvenstedt probiert's mit "Spiel mir das Lied vom Tod" nicht zu kurz. Ein Ritschen des Reißverschlusses am blauen Großraumzelt, der zu klein geratene Pulunder schafft es kaum noch den Bauch zu verdecken ( Nach Aussagen des Programmheftes sei dessen Umfang sogar um 2 cm kleiner geworden): Joachim Sommer (Michael Günther) ist aufgewacht. Noch vollkommen verschlafen tritt er raus und ruft: "Morjen ihr Säcke!". Das Publikum weiß, was jetzt passiert und antwortet ihm, wie seine Kumpanen Banane (Jörg Richter), Kescher (Marvin Abdel-Massih), Ente (Michael Magel) und Co. Natürlich muss sich Beate auch wieder die "Haore schön machen" und Kioskbesitzer Appel als bekennender FCM-Fan die Fahne hissen bevor er seinen Kiosk auf dem Kult-Campingplatz an der Ehle aufmachen kann.  Eigentlich kommt man als Zuschauer doch immer wieder in lauen Sommernächten an die Ehle zurück, um genau das zu sehen. Zu sehen wie der ambitionierte Regisseur Sebastian Wiese und seine Amateur-Schauspieler einen wiederholten Versuch starten, um ein bekanntes Stück auf ihre Art aufführen, eben für die Menschen von hier. Da braucht man keine weiten Wüsten und Steppenläufer, da braucht man nur das große blaue Zelt, den liebevoll eingerichteten Kiosk von Appel und natürlich das sympathische Ensemble von "Olvenstedt probiert's", um dem Charme dieser Reihe zu erkennen.

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