Angestaute Bereitschaft

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Das Jahr 2014 steht ganz im Zeichen des 1. Weltkrieges, schließlich jährt sich zum 100. Mal der Beginn der „erste Katastrophe des 20. Jahrhunderts, der Große Krieg,“ wie der amerikanische Historiker Fritz Stern diesen ersten Massenvernichtungskrieg nannte, „aus der sich alle folgenden Katastrophen ergaben“. Passend dazu will eine Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg aufzeigen, wie von diesem Krieg zum ersten Mal die ganze Gesellschaft erfasst wird, wie die Grenzen zwischen der Front, den Soldaten und Offizieren auf den Schlachtfeldern Europas, und der Heimat verschoben werden, wie sich dieser Krieg schon lange zuvor ankündigt und wie die Gesellschaft, insbesondere die Jugend in Schule und Familie, darauf ausgerichtet wurden. Die Dokumentation macht auch deutlich, dass im Kaiserreich nach und nach alle Lebensbereiche unter den Einfluss des Militärs gerieten, das die Wirtschaft, den Alltag, sogar die Mode und nicht zuletzt auch die Erziehung bestimmte. Schon zwei Jahrzehnte zuvor hatte Kaiser Wilhelm II. die Lehrer aufgefordert, die Schüler zu guten Soldaten zu erziehen und befürwortete dazu einschneidende Änderungen der Lehrpläne zugunsten der militärischen Erziehung an deutschen Schulen. Die Ausstellung geht der Frage nach, wie es gelang, einen großen Teil der deutschen Bevölkerung für diesen Krieg zu begeistern, der, wie man heute weiß, keineswegs unvermeidlich oder vorherbestimmt war. Der Ausbruch des Krieges traf aber auf eine „angestaute Bereitschaft“ auch in Teilen der bürgerlichen Ober- und Mittelschicht des deutschen Reiches, die, wie das Militär und die meisten Entscheidungsträger in Europa von einem kurzen siegreichen Krieg ausgingen. Die Ausstellung wurde übrigens in Kooperation mit Studenten der OVGU erarbeitet. Ein Sonderthema behandelt den Einsatz jüdischer Frontsoldaten, die sich durch Patriotismus und Tapferkeit auszeichneten. Ihre Anerkennung als deutsche Staatsbürger mit allen Rechten führte zur Selbstverpflichtung im Einsatz für das Vaterland.

"Erziehung zum Krieg. Gesellschaft, Schule, Familie zwischen 1900 und 1918", 11. April bis 21. September, Kulturhistorisches Museum, wwww.khm-magdeburg.de

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