Michael Nast: „Wir sind unsere eigene Marke“

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© Steffen Jänicke

Sein Erfolg kam über Nacht, mit seiner Kolumne "Generation beziehungsunfähig" auf imgegenteil.de traf er den Nerv einer ganzen Generation. Ein Text, so treffend formuliert, dass man ihn nur "liken" konnte. Innerhalb einer Woche lasen laut Nast 1 Million Menschen seine Betrachtungen zum Thema Selbstverwirklichung im Leben und im Job, die vor allem die Mitzwanziger und Mitdreißiger umtreibt. Klar, dass daraufhin ein Buch folgen musste und nun wird der Berliner dank Thesen wie "Soziale Netzwerke kultivieren unseren Narzismus, wir sind eine Generation von Selbstdarstellern" auf seinen Lesungen gefeiert wie ein kleiner Popstar. Viele störten sich am Jugendwort des Jahres "Smombie", aber auch Nast greift das Thema der Smartphone-Süchtigen auf: "Wir kommen nicht zur Ruhe. Problematisch ist nur, wenn man deswegen den verschwommenen Rand um das Smartphone übersieht. Das wahre Leben."

Er hinterfragt unsere ständige Unzufriedenheit und kritisiert dabei die Gesellschaft "Wir müssen uns verkaufen, inszenieren und vermarkten. Wir müssen dynamisch, attraktiv und optimistisch sein. Wir sind unsere eigene Marke. Unsere Gesellschaft zwingt uns dazu, uns über die kapitalistischen Wertvorstellungen, die Werbung und die Medien, über Erfolg, Attraktivität und Beliebtheit zu definieren. Wir müssen gut drauf sein, denn nur Verlierer zeigen Schwächen. Durch die Selbstdarstellung, die unsere Gesellschaft verlangt, haben wir das Gefühl für uns selbst verloren."

Schließlich kommt der der 41-Jährige zur Erkenntnis, dass die meisten von uns nicht beziehungsunfähig sind, schließlich wäre das ein Symptom tiefgreifender psychischer Erkrankungen. Was auch Psychologen wie Franz Neyer vom Institut für Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena bestätigen. Laut welt-Interview gibt es das in seiner Welt nicht, einen Menschen, der beziehungsunfähig ist. "Jeder sucht und braucht jemanden, der ein emotionaler Anker ist." Und auch laut Statistiken wie zuletzt eine von ElitePartner 2015 durchgeführt, findet man keine objektiven Belege für eine zunehmende Beziehungsunfähigkeit. Nur die Ansprüche an eine Beziehung haben sich sehr verändert.

Was Nast ausmacht ist, dass er nicht den Zeigefinger erhebt, sondern sich selbst bei allen Reflektionen und Beobachtungen auch immer den Spiegel vorhält und am Ende begreift "Ich muss mein Selbstbild korrigieren". Der frühere Art Director stellt fest, dass er selbst beziehungsgestört ist und, dass die Kriterien einer Bindungsstörung Eigenschaften sind, die einen zur perfekten Komponente unseres Systems machen. "Wir sind beschädigte Ware, weil die Gesellschaft, in die wir hineingewachsen sind, uns geformt hat. Unsere Unzufriedenheit ist das Fundament, auf dem unser auf endloses Wachstum ausgerichtetes Wirtschaftssystem beruht."

Zur Veranstaltung: Michael Nast, 4.5. 

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