„Es fällt mir mittlerweile schwer, das Wort ‚Indianer‘ in den Mund zu nehmen“

Natürlich stand Deutschlands führender, staatlich geprüfter Fachdienstleister für Personenerheiterung wieder bereit, als der erfolgreiche Familienfilm „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ aus 2006 eine Fortsetzung erfahren sollte. Wenn „Hui Buh und das Hexenschloss“ am 3. November in den Kinos startet, verkörpert Michael Bully Herbig (54) erneut den animierten Titelhelden. Und diesmal mit vollem Körper­einsatz. Ein Gespräch über furchterregende Filme, übertriebene politische Korrektheit und das Erfolgsformat „Last One Laughing“.

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© Rat Pack Filmproduktion GmbH, Warner Bros.

Herr Herbig, 16 Jahre sind seit dem ersten „Hui Buh“-Film vergangen. Hat die Technik, durch die Sie zum Gespenst werden, entscheidende Fortschritte gemacht?

Ja, auf jeden Fall. Man könnte auch sagen: „Hui Buh hat ein bisschen was machen lassen.“. Beim ersten Teil hat es noch ausgereicht, dass ich die Texte für Hui Buh eingesprochen und später im Synchronstudio angepasst habe. Jetzt war gewünscht, dass ich mich in diesen Motion-Capture-Anzug zwänge, der gefühlt zwei Nummern zu eng war. Ich bin kein Fan davon, aber für Hui Buh habe ich eine Ausnahme gemacht. (lacht) Das war wirklich furchtbar! Es zwickte überall, du hast darunter nur eine Unterhose an und den ganzen Tag diesen Helm auf. Technisch gesehen ist das sicherlich ein Fortschritt, was Bequemlichkeit betrifft ist das ein großer Schritt zurück. Aber ich fand schon, dass es in Bezug auf Feinheiten, gerade was Emotionen betrifft, enorm viel gebracht hat.

Sind Sie ein streng rationaler Mensch oder gibt es in Ihrem Denken Platz für Mystisches und Unerklärbares?

Ich beschäftige mich damit nicht so sehr, weil ich das so ein bisschen verdränge. Ich habe mal einen Film über Schutzengel gemacht, das Thema ist mir sympathischer. Wenn man sich mit so einem Thema beschäftigt und recherchiert, dann hört man das eine oder andere. Ich lasse es nur bis zu einem gewissen Grad an mich heran, weil ich dann merke: „Mehr will ich gar nicht wissen.“. Ich kümmere mich dann lieber um andere Themen und bin kein Fan, der dem nachrecherchiert.

Der Eröffnungsszene des Filmes ist wirklich ziemlich gruselig. Kann man Kindern heute mehr zumuten als noch vor 16 Jahren?

Ich glaube, dass das nach wie vor eine individuelle Geschichte ist. Eltern können in der Regel ihre Kinder am besten selbst einschätzen. Die einen sind sensibler, die anderen vielleicht ein wenig schreckhafter. Ich wusste bisher ziemlich genau, was ich meinem Sohn zumuten kann. Bei Regisseur Sebastian Niemann war das dahingehend durchaus ein konzeptioneller Gedanke. Im ersten Film war Ritter Adolar auch kein geschmeidiger Artgenosse. Der kann einem auch einen Schrecken einjagen. Als ich die Muster der Hexe von der Anfangsszene gesehen habe, habe ich den Sebastian mal kurz angerufen und gesagt: „Du, Sebastian, das ist dein Film, deine Regie. Es könnte aber vielleicht nicht schaden, vorne ein bisschen was Heiteres reinzubringen. Nicht, dass die Kids schon in den ersten Minuten aufgeschreckt aus dem Kino rennen.“ Ich finde, er hat’s gut hingekriegt.

Gibt es Filme, die Ihnen Furcht einflößen oder schauen Sie immer aus der Sicht des Filmemachers zu?

Es ist tatsächlich so, dass ich mir unheimlich viel anschaue, auch Dinge, bei denen man sich fragen würde: „Warum guckt der sich denn sowas an?“. Was das Horror-Genre betrifft, bin ich allerdings eher zurückhaltend. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich als Kind von neun oder zehn Jahren blöderweise zum falschen Moment umgezappt und einen Ausschnitt von „Der Exorzist“ gesehen habe. Hat mich geprägt! (lacht) Ich habe den Film bis heute nicht gesehen, weil ich mich einfach nicht traue. Als Teenager hast du dir natürlich ein paar dieser Filme angeschaut, weil du auch ein bisschen rumprahlen wolltest. Ich bin ein großer Thriller-Fan, aber wenn mir das zu brutal und zu blutig wird, ist das nicht so meine Welt.

Als im Film vorausgesetzt wird, dass alle Hexen auf einem Besen reiten, sagt die junge Hexe: „Das ist jetzt wirklich hexistisch von Dir!“. Überlegen Sie sich heute auch zweimal, wie Sie sich möglichst unverfänglich ausdrücken?

Ja klar. Das geht ja nicht spurlos an einem vorbei, da hat sich einiges getan. Damit wir uns nicht missverstehen, ich finde eine Entwicklung bezüglich Respekt und Akzeptanz richtig. Humor ist auch immer in Bewegung und sollte nie verletzend sein. Wir wollten auch immer diejenigen zum Lachen bringen, die wir auf den Arm nehmen. Es gab sicherlich schon vor 20 Jahren den ein oder anderen, dem das zu viel war oder der sich da auf den Schlips getreten gefühlt hat, aber in der Regel haben wir damit eine Menge Menschen glücklich gemacht.

Filme wie „(T)Raumschiff Surprise“ oder „Der Schuh des Manitu“ würden heute sicher auch anders unter die Lupe genommen werden, laufen aber immer noch regelmäßig mit guter Quote im Fernsehen.

Die haben so einen Nostalgie-Stempel. Da kann die Familie davor hocken und sagen: „Okay, das ist sehr charmant, die Figuren sind liebenswert und das tut keinem so richtig weh.“ Aber du kannst heute keine Fortsetzung vom „Schuh des Manitu“ oder „(T)Raumschiff Surprise“ mehr machen. Selbst wenn es gelingt, mit politisch nicht ganz korrekten Gags, die betroffenen Personen zum Lachen zu bringen, springt irgendwo ein Aufpasser aus einer völlig anderen Ecke und unterstellt Dir böse Absichten. Du hast aber denjenigen, den du auf den Arm nimmst, zum Lachen gebracht. Wer hat jetzt recht? Das kann dazu führen, dass du in diesem Korsett der politischen Korrektheit als Komödiant die Leichtigkeit verlierst und dir denkst: „Dann lasse ich es lieber gleich.“ Natürlich sollte Humor nicht unter die Gürtellinie gehen. Aber was machst du, wenn der eine die Gürtellinie am Hals trägt und der andere am Knöchel?

Sie wünschen sich also, dass man dem Humor ein bisschen mehr Luft lässt?

Naja, wenn ich jetzt über den „Schuh des Manitu“ spreche, fällt es mir mittlerweile schwer, das Wort „Indianer“ in den Mund zu nehmen. Ich muss damit rechnen, dass mir jemand erstmal pauschal eine Rüge erteilt. An dieser Stelle würde ich aber gerne mal Robert Alan Packard zitieren. Er ist vom Stamm der Sioux und spielte beim „Schuh des Manitu“ einen unserer Schoschonen. Er konnte sehr über den Film lachen und sagte einmal: „Wenn Worte aus gutem Herzen heraus gesprochen werden, dann gibt es nichts Böses an ihnen.“ Das finde ich genau richtig. Wenn jemand was raushaut, um einen anderen zu verletzen, dann spürt man das. Es ist aber etwas anderes, wenn man es tut, um jemanden zu erheitern.

Die böse Hexe aus dem Film raubt sich mehr Lebensjahre und Jugend. Wäre ein ewiges Leben für Sie Traum oder Alptraum?

Es ist beides. Es gehört ja nun zum Circle of Life, dass man auch mal abtritt. Auf der anderen Seite bin ich wahnsinnig neugierig und mich würde schon interessieren, was die Leute in 100 Jahren über meine Filme denken. Gedanken mache ich mir nicht so viel darüber. Lieber genieße ich den Moment, das Heute und Jetzt und mache das Beste draus. Es gibt leider viel zu viele Menschen, die entweder an der Vergangenheit kleben oder vor lauter Zukunftsangst die Gegenwart vernachlässigen.

Hui Buh ist – typisch deutsch – ein behördlich zugelassenes Gespenst. Mit welchem Behördenkram haben Sie in Ihrem Berufsfeld am häufigsten zu kämpfen?

Naja, meistens sind es Drehgenehmigungen. (lacht) Da gibt es von Stadt zu Stadt Unterschiede. Es ist in den letzten Jahren zunehmend schwerer geworden, an öffentlichen Plätzen zu drehen und das hat jetzt gar nicht mal so viel mit Corona zu tun. Auf der einen Seite gehen alle gerne ins Kino, gucken gerne Filme oder streamen rund um die Uhr. Auf der anderen Seite wird es einem mit den Drehgenehmigungen nicht unbedingt leicht gemacht.

Hui Buh ist der größte Fan des Zauberbuchs Necronomicon und besitzt sämtliche Merchandising-Artikel. Wie gehen Sie als Papa mit solchen Dingen um?

Das ist ein wunder Punkt, weil ich großer Merchandise-Fan bin. Was die eigenen Filme betrifft, haben wir beim Merchandising fast nichts ausgelassen. Wenn also mein Sohn jetzt sagt, er hätte gerne von irgendwas eine Bettwäsche oder sonstiges Zeug, werde ich schonmal schwach. Ich fand’s super, als ich meinem Sohn beim Fasching mal als Stormtrooper gesehen habe.

Das Comedy-Format „Last One Laughing“ hat sich zu einem großen Erfolg entwickelt. Fühlen Sie sich in der Rolle der Petze manchmal unwohl?

(lacht) Ehrlich gesagt, ja. Ich habe so eine Freude beim Zugucken, dass ich manchmal meine Aufgabe vergesse oder nichts mehr sehe, weil mir die Lachtränen die Sicht versperren. Aber es gehört zum Spiel und zu meiner Jobbeschreibung, also mache ich es auch. Aber jeder, den ich rausbuzzere, tut mir wahnsinnig leid. Mein Trost ist dann immer, dass ich sie ja nochmal reinschicken kann. Das macht die Sache viel einfacherer.


Zum Film:

Das behördlich zugelassene Gespenst Hui Buh kann sich anstrengen wie verrückt, aber es ist einfach nicht gruslig. Der Geist fristet ein gemeinsames Dasein mit König Julius auf Schloss Burgeck und die Kassen sind in diesem Krisenjahr auch hier knapp. Der verarmte König richtet Gruseldinner aus, aber natürlich gehen Hui Buhs Schreck-Auftritte fürchterlich schief. Dann kommen auch noch eine kleine und eine böse Hexe und das Zauberbuch Necronomicon ins Spiel. Spannendes und sehr lustiges Familienabenteuer mit Seitenhieben auf den Jugendwahn, bei dem ein schwuler Wirt veganen Brunch kredenzt und hexistische Sprüche geklopft werden. Eine würdige Fortsetzung, trotz einjähriger Corona-Verspätung voll auf Höhe der Zeit.

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