David Emig: „Es ist einer, der kuscht“

© Verleih: AV Visionen

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Man kennt ihn als betrunkenen Gunnar in „Adams Äpfel“, als miesepetrigen Rollstuhlfahrer Geirr in „Die Kunst des negativen Denkens“. Jetzt ist David Emig in der Hauptrolle des Kinostreifens „Der Tropfen“ zu erleben, einem Roadmovie, das von einem gescheiterten Lebensentwurf erzählt.


David, du bist im Theater zu Hause, bis auf Kurzfilme hattest du mit dem Film bisher weniger zu tun. Wie kam es zu dem Engagement? 

Matthias Kubusch ist ein langjähriger Freund von mir und wir haben damals in den neunziger Jahren neben meinem Studium an der Ernst-Busch-Schauspielschule gemeinsam das Stück „1848“ für die Sophiensäle entwickelt. Kubusch hat in Berlin dieses wunderbare Kinder- und Jugendtheater, die Murkelbühne. Später hat er die Firma Schauhauskollektiv gegründet, die den Film produziert hat. Auch Regisseur Robert von Wroblewsky gehört dazu.

Und dann rief eines Tages der alte Freund an …  

Na ja, Matthias hatte vorher öfters gesagt, dass wir zusammenfinden und was zusammen machen müssen. 2012 rief er mich an und berichtete mir von dem Kinofilm-Projekt. Ich bin da aus allen Wolken gefallen und dachte „Mensch, ein Kinofilm. Das ist der Wahnsinn“. Das hat mich interessiert. Meine Filmerfahrung beschränkte sich auf Kurzfilme und ein paar Vorabendserien für das ZDF. Mir war klar, dass man als Mitglied eines Theaterensembles durch den Spielplan und die Stückproben zeitlich gebunden ist.

Was hat dich an dem Stoff dieses Roadmovies interessiert, dass du die Hauptrolle übernommen hast? 

Natürlich war da zunächst der Gedanke an das gemeinsame Kinoprojekt. Das stand oben an. Der Stoff hat mich natürlich auch interessiert. Ich komme aus Rostock, bin also ein Ostkind. 1972 sind meine Eltern durch ihre Schauspielerei nach Rudolstadt ans Theater gegangen. Zwischen Erfurt, Arnstadt und Weimar bin ich groß geworden. Mein Bezug zu Thüringen ist da und dort nimmt ja die Geschichte ihren Ausgangspunkt. Da ist Rainer, völlig einsam mit der demenzkranken Mutter, die er pflegen muss. Das, was dargestellt ist, kann jedem passieren. Für mich war die große Frage, was in einer Person vorgeht, die sich zum Bombenleger entwickelt, nur weil der Job flöten geht und sich die eigene Frau von einem trennt. Ich finde es spannend, wie sensibel wir die Frage gestellt haben. Rainer ist einer, der vor Menschen kuscht und ein zwischenmenschliches Problem hat. Wie kommuniziert man das, wie stellt man das dar? Das hatte seinen Reiz.

Ist die Geschichte von Rainer eine typisch ostdeutsche für dich? 

Nein, bloß keine solchen ostdeutschen Befindlichkeiten. Die Geschichte könnte auch anderswo spielen, in Bayern zum Beispiel.

Aber nun spielt sie in Thüringen, dort wo auch du die Wendejahre erlebt hast. Kannst du dich des eigenen Gefühls dieser Zeit noch erinnern?

Sicher war es nach der Wende nicht einfach, es gab viele neue Möglichkeiten, gleichzeitig war die Ordnung für manch einen verlorengegangen. Ich wusste damals Anfang der neunziger Jahre nicht wohin mit mir. Schauspieler wollte ich nicht werden, ich bin so aufgewachsen – und das wollte ich nicht wiederholen. Was sollte ich tun, ich hatte im Osten eine Ausbildung zum Maschinenschlosser angefangen und nun stand die Welt offen. Da bin ich erstmal abgehauen und viel gereist.

Wieviel David Emig steckt denn im Rainer?

Nichts, der Rainer ist eine Figur. Der bleibt eine Figur. Ich versetze mich in die Figur, tauche in seine Welt ein. Sicherlich gab‘s Momente, bei denen man denken konnte „Das ist mir in meinem Leben auch passiert!“ Da gab‘s am Set die eine oder andere Anekdote zu erzählen. Das sorgte für viel Spaß. Allerdings hat das nicht viel mit mir und der Figur zu tun.

Der Film verhandelt auch den Wandel gesellschaftlicher Institutionen wie die Kirche ... 

Die Szenen, die wir übrigens im Kloster Lehnin gedreht haben, sind ein toller Moment im Film. Über der Kirche schwebt immer so ein Heiligenschein. Es scheint, es wäre alles einfach an diesem Ort des Friedens und des Schutzes. du hast einen Ansprechpartner, der dir helfen will – wie die Nonne. Doch scheitert es an Formularen, so dass der Pfarrer Rainer die Unterstützung verwehrt und ihm die Tür weist. Zwei Wochen in der Kirche zu leben ohne Arbeit und Meldung beim Arbeitsamt, das funktioniert im neuen Deutschland nicht. Das Fünkchen Hoffnung, was dort für Rainer aufkeimte, zerbricht.

Der Film ist per Crowdfunding entstanden, no-budget sozusagen. Mit den verschiedenen Drehorten in Berlin, in Thüringen und Brandenburg war das sicher nicht einfach. Auch zeitlich nicht für dich … 

Als ich Schauspieldirektor Jan Jochymski von dem Film und den Dreharbeiten erzählt habe, sagte er, dass er mich für diese Drehtage möglichst nicht einplanen würde. Das war eine irre Reaktion. Ich bin Jochymski noch immer sehr dankbar, dass er mir das mit ermöglicht hat. Dadurch, dass wir flexibel drehen mussten, hatten wir einen knappen Zeitplan von 22 Drehtagen, in dem der Film abgedreht werden musste. 

Wie muss man sich denn das Low-Budget-Drehen vorstellen?

Einmal sind wir nach Magdeburg mit der Crew zurückgekommen. Da sind alle sind in meiner Wohnung untergekommen – Kamera, Ton und Co. Morgens um sechs haben wir alles verladen, auch das Moped von Rainer. Zu dem Zeitpunkt waren durchaus bis zu minus zehn Grad. Das war der Wahnsinn. Ich bin mit dem Moped während eines Schneefalls gefahren und der Kamerawagen vor mir. Als ich an mir herunter geschaut habe, war da eine dicke Schneeschicht. An dem Tag hatte ich abends eine Vorstellung am Schauspielhaus. Da stand ich in Thüringen im Schnee und dachte: „Was tust du hier eigentlich?“

Wie man im Film sieht, habt ihr auch hier im Umland gedreht. 

Mit Rücksicht auf die Arbeit am Theater haben wir vor allem die Mopedfahrten in der Gegend gedreht. Es gab auch Unterstützung von der Kostümabteilung des Theater Magdeburgs. Diese kurze Sequenz – meine Lieblingssequenz übrigens – zeigt diese vollkommen verlassene Landstraße bei Rogätz, auf der Rainer läuft. Plötzlich kommen ihm am Straßenrand große Tiere entgegen. Es ist wie eine wunderbare Traumsequenz. 

Klingt begeistert. Klingt, als soll es nicht dein letzter Film sein.

Film ist etwas anderes, es hat mit dem Theater nicht viel gemeinsam. Es hat unheimlich viel Freude bereitet, mit Leuten wie Franziska Troegner oder Pierre-Sanoussi Bliss zusammen zu arbeiten.

Interview: Vanessa Weiss, Conrad Engelhardt

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