Annette Frier: "Raus aus den Schablonen, Ladies, das ist Quark und stiehlt wertvolle Zeit!"

Die beliebte deutsche Komikerin und Darstellerin Annette Frier drückt als Leiterin eines Drogeriemarktes mit zwei oder drei kleinen Szenen der Komödie „FrauMutterTier“ ihren unverwechselbaren Stempel auf.

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Bekanntlich gibt es keine kleinen Rollen, sondern nur kleine Schauspieler. Und so ist es die beliebte deutsche Komikerin und Darstellerin Annette Frier (45, „Danni Lowinski“), die als Leiterin eines Drogeriemarktes mit zwei oder drei kleinen Szenen der Komödie „FrauMutterTier“ ihren unverwechselbaren Stempel aufdrückt. Der Film wirft einen augenzwinkernden Blick auf überforderte und übermotivierte Mütter verschiedener Prägung, zeigt aber auch Auswege aus dem Dilemma auf. Wir trafen Annette Frier zum Gespräch.

Frau Frier, wie schwierig ist es, einen Charakter mit so wenigen Pinselstrichen zu zeichnen?

Ach, das ist toll! Ich bin ja relativ hauptrollenverwöhnt. Da freue ich mich sehr, wenn ich in einer wirklich schönen Szene mal so richtig auf die Tube drücken darf. Ich hatte große Lust auf diese Szene und fühle mich auch voll gesehen. Gitti hat es mir einfach angetan. Ich habe diese Figur gemeinsam mit Regisseurin Felicitas Darschin und Produzentin Alexandra Helmig erarbeitet. Aus zeitlichen Gründen stand ich nur einen Tag zur Verfügung. Also mussten wir in die eine Szene alles reinpacken. Sie soll dieser gesamten „Mütter-Gesellschaft“ einen Spiegel vorhalten. Und das hat wahnsinnig Spaß gemacht.

Wenn Sie die von Julia Jentsch verkörperte Drogeriekundin und Übermutter nach allen Regeln der Kunst rund machen, ist das ein Höhepunkt des Filmes. Übt man so eine Szene vor dem Spiegel, bis sie automatisiert ist? Nee, ich mache das eigentlich immer mit dem jeweiligen Kollegen gemeinsam. Aber natürlich hatte ich mir schon zwei oder drei Wendepunkte vorgenommen. Was dann tatsächlich an Grad der Erregung passiert ist, entstand komplett im Zusammenspiel mit Julia. Ich bin kein Vorbereiter und weiß im Vorfeld eigentlich selten, wie ich etwas spielen werde. Aber ich will sehr genau wissen, aus welcher Situation heraus ich agiere.   

Wie sehr spricht Ihnen die Drogeriemarktleiterin Gitti aus der Seele? 100 Prozent! Das ist eine ganz laute Stimme in mir. Sie möchte bei Dinkelkeks-, Fahrradhelm- oder Sprudelwasser-Gesprächen immer sofort losbrüllen ... Das ist sehr befreiend für all die „Mutter-Ich-bin-nicht-gut-genug-Helikopter-Gefühle“, die man im Körper spürt. In Form von Gitti konnte ich diesem Wutbürger freien Lauf lassen. Als mein Stellvertreter, gewissermaßen. Ausrasten kann herrlich sein, echt!

Wie Bio lebt Annette Frier? Sehr inkonsequent, aber irgendwie doch. Alles leider schön in Plastik verpackt, wie das in Supermärkten heute Usus ist. Und dann sitzt man nach einer vegetarischen Woche plötzlich vor einer Currywurst und denkt darüber nach, wie das jetzt wieder passieren konnte. Ich finde achtsame Ernährung grundsätzlich natürlich richtig, ich bin ja nicht blöd. Aber die niederen Gelüste kommen mir da immer wieder in die Quere. Wie gesagt: konsequent inkonsequent.  

Frauen sollen möglichst tolle Mütter, beruflich erfolgreich und Sexgöttinnen sein. Wie ist es Ihnen gelungen, sich von solchen Vorstellungen frei zu machen, die immer noch existieren?

Zunächst einmal: Ich BIN eine Sexgöttin!

Aber selbstverständlich.

So. Wie war die Frage? Ach ja.... Sich von diesen Vorstellungen freizumachen, gelingt nie ganz. Aber immer wieder. Was einem darüber erzählt wird, wie man zu sein hat, hat ja mit dem ganz realen Alltag oft gar nichts zu tun. Zum Beispiel: Die Küche sieht aus wie Sau, man hatte schon zwei Wochen keinen Sex und das Casting war auch nix! Tja. Wenn man sich die Sache dann mit ein bisschen Humor anschaut, geht das schon. Eventuell ist es bei den Anderen auch nicht besser? Und selbst wenn, was ändert das? Raus aus den Schablonen, Ladies, das ist Quark und stiehlt wertvolle Zeit!!!

Mussten Sie auch schmerzhafte Entscheidungen zwischen Kind und Karriere treffen? Immer wieder. Wenn ich fünf, sechs Tage am Stück wegfahre, ist das weder für die Kinder noch für mich selbst lustig. Aber es ist auch kein dramatischer Vorgang. Ich als Erwachsener muss mir sagen, dass das mein Beruf ist, den ich sehr liebe. Dazu muss ich stehen. Manchmal ist es ganz fürchterlich, wenn man unterwegs ist und mit seinem Kind telefoniert, das gerade krank ist. Das bricht einem das Herz. Und dann gibt es wieder ganz leichte Tage. Man muss das einfach aushalten. Es wäre falsch so zu tun, als wäre Job und Familie immer easy. Ich habe auch gelernt, die Chuzpe zu haben, zu sagen: Ich habe das selbst gewählt, ich gehe jetzt drehen und will das so.

Verstehen Sie Frauen, die sich für die Karriere entscheiden? Dazu möchte ich mich eigentlich gar nicht äußern. Geht mich auch nix an. Jeder hat vor seiner eigenen Tür gut zu tun. Da muss man sich nicht über andere den Kopf zerbrechen. Es gibt alles: Manche Leute gehen nur arbeiten, weil sie ihre Miete bezahlen müssen. Das ist völlig in Ordnung. Es gibt Leute, die möchten permanent zu Hause für ihre Kinder da sein – völlig in Ordnung. Ich finde es auch okay, wenn Leute sagen, dass sie jetzt zu Hause sein könnten, aber trotzdem gern arbeiten. Wir würden alle gut daran tun, wenn wir erstmal zu eigenen Entscheidungen stehen, anstatt die anderer permanent zu bewerten.

Glauben Sie, dass sich nach den Skandalen und Enthüllungen der letzten Zeit für Frauen nachträglich etwas ändern wird? Für dieses Gespräch brauchen wir eine Stunde. Ich möchte dabei komplett auf Überschriften verzichten. Ich finde es gut, dass die Diskussion da ist. Aber ich sehe auch die Gefahr der Hysterisierung. Dass es offiziell als großes Thema in die Gesellschaft aufgenommen wurde, war überfällig. Es wiegt schwerer als die Hysterisierung.  

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Waren Sie ein glückliches Kind? Ja. Glücklicherweise wurde ich in Herzensdingen ganz gut ausgestattet. Das habe ich wahrscheinlich meinen Eltern zu verdanken. Obwohl sie beide berufstätig waren ... Es geht trotzdem!?!

Welche Irrwege Ihrer Eltern wollten Sie selbst bei der Erziehung vermeiden? Alles Mögliche. Man will auf keinen Fall so sein wie seine Eltern – und erwischt sich permanent in Momenten, in denen man sagt: „Das hätte jetzt O-Ton meine Mutter sagen können.“. Das ist ein Teil der Wahrheit, die einem langsam dämmert.

Haben Sie als Mutter Anzeichen von Helikopteritis an sich entdeckt? Immer wieder! Aber meistens dann, wenn ich selbst nicht richtig bei mir bin. Wenn ich selbst total entspannt bin, habe ich diese Anfälle gar nicht. Aber je hektischer mein Grundzustand ist, umso mehr überträgt sich das auch auf meine Kinder. Dann sage ich mir: „Stopp. Ruhig. Zwei Schritte zurück. Was ist eigentlich los? Wir müssen jetzt noch Klavier üben und Lernwörter testen? Und die Zeichentrickserie gucken wir heute mal auf Englisch? Völlig bescheuert! Oder wie mein Sohn sagen würde: „Chill mal, Mama!“.

Sind Sie manchmal skeptisch, was die Jugend von heute angeht? Ehrlich gesagt nicht. Es war alles schonmal viel schlimmer. Ich lebe viel lieber heute als 1918 oder 1933. Abgesehen davon, dass mir die weltpolitische Situation heute inklusive der Verrohung von politischen Sitten natürlich große Sorgen macht, lebe ich voller Hoffnung in unsere Jugend. Kinder an die Macht!  

Ihre junge Angestellte hat einen Beauty-Blog und hängt ständig am Smartphone. Wie nahe oder wie fern sind Ihnen diese Welten mit ihren Marketingstrategien und virtuellen Freunden? Marketingstrategien gab es immer schon. Vor fünfzig Jahren haben sie sich eben anders getarnt. Was die Digitalisierung angeht, müssen wir wohl erstmal so etwas wie einen Knigge erfinden. Wir haben oft nicht das Gefühl dafür, wie wir damit umgehen sollen. Das wird sich aber mit Sicherheit in den nächsten zwanzig Jahren verändern.

Auf der Bühne waren Sie zuletzt „Gott der Allmächtige“. Was würden Sie in dieser gehobenen Position als Erstes bewirken? Immer nur den Weltfrieden. Deshalb mache ich das ja. Weltfrieden und Liebe für alle.

Wie bei der Miss-Wahl? Ja, logisch! Immer nur eine Antwort! Nur weil sie alt ist, ist sie nicht falsch.  

ab 31. März im Kino

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