Düstere Aussichten

Die dystopische Netflix-Action „Tribes of Europa“ entführt ins Jahr 2074. Im Mittelpunkt steht Liv, eine junge Frau, die anfängt, für ihre humanistischen Ideale zu kämpfen. Verkörpert wird Liv von Henriette Confurius, einem der spannendsten Gesichter des jungen deutschen Films. Ein Gespräch über die Generation Smartphone, blaue Flecken und einen probeweisen Survivaltrip.

by

© Netflix

Frau Confurius, die Figur der Liv ist eher untypisch für Ihr Rollenbild. Kämpft da die Freude auf die neue Herausforderung mit der bangen Frage, ob man der Aufgabe auch gewachsen ist?

Als ich das Drehbuch gelesen habe, wusste ich, dass Liv total gut zu mir passt. Eine Rolle wie diese wollte ich schon lange spielen. Ich war ein bisschen in diesen historischen Figuren festgefahren, die ich natürlich auch sehr gern mag. Aber ich habe schon so viele davon gespielt. Liv war sicherlich eine Herausforderung, weil es etwas ganz anderes war. Aber ich wusste, dass ich das gut kann.

Die Serie wurde in vier Ländern gedreht. Wo waren Sie mit an Bord? Ich war in Tschechien, Kroatien und Südafrika dabei.

© Mathias Bothor

Der Stamm der Origines, dem Liv angehört, lehnt jede Form von Technik ab, weil sie die Menschheit ins Verderben gestürzt hat. Betrachten Sie auch mit Sorge, wie abhängig wir uns von Technik machen?

Die Generationen von heute wachsen mit einem Telefon in der Hand auf und sie haben von klein auf Zugriff auf alle Informationen. Davon machen sie sich abhängig. Tatsächlich wurde mir drei Tage vor unserem Gespräch mein Telefon geklaut. Das war so eine interessante Erfahrung! Man hat eine starke emotionale Bindung zu diesem Gerät, weil es einfach alles ist: Wegweiser und Kontakt zur Außenwelt. Es ist meine Uhr und mein Terminkalender, außerdem sind alle meine Fotos da drauf. So viele persönliche Dinge, auf die ich plötzlich nicht mehr zugreifen konnte. Der Verlust hat mich jetzt nicht völlig aus der Bahn geworfen. Ich glaube, ich bin nicht so abhängig von meinem Telefon wie andere. Aber ich habe gemerkt, dass man sich plötzlich ganz anders durch die Welt bewegt. Ich bin eine Straße entlanggegangen, die ich jeden Tag langgehe und ganz klischeehaft habe ich nun Gebäude gesehen, die mir nie aufgefallen sind. Einfach, weil ich sonst auf die Handymusik konzentriert war oder aufs Display geschaut habe. Ich muss gar nicht auf den Weg achten, weil das Handy ihn vorgibt. Diese Abhängigkeit kann man durchaus in Frage stellen. Man sagt gern, dass früher alles anders war und die Jugend von heute total verdorben ist. Aber vielleicht ist es einfach die Generation, die mit dem Telefon als Wegweiser aufwächst. Gefährlich wird es dann, wenn man sich absolut abhängig davon macht.

Sehen Sie Liv als Vorbild für die weibliche Selbstbestimmung?

Ja. Ich sehe alle Frauenrollen in dieser Serie als solche Vorbilder. Und ich finde es sehr schön, dass in dieser Zukunftswelt die typischen Bilder von „weiblich“ und „männlich“ nicht mehr klar getrennt sind. Frauen können genauso brutal Macht ausüben wie Männer, aber sie können auch mütterlich und fürsorglich sein. Ob Liv eine Frau oder ein Mann ist, spielt keine wesentliche Rolle. Sie ist einfach die Älteste von drei Geschwistern.

Sollte man es sich nach diesen Dreharbeiten besser zweimal überlegen, ob man Sie in der Bahn dumm anquatscht, weil Sie nun wehrhafter sind?

(lacht) Ich war schon immer sehr wehrhaft,   schließlich bin ich mit zwei Brüdern auf dem Land aufgewachsen. Angst, mich zu verletzen, habe ich nicht, aber tatsächlich hatte ich ein wenig Kampfsporttraining und konnte dabei entsprechende Choreografien lernen. Nun weiß ich, wie ich ein bisschen mehr Kraft in meinen Schlag legen kann als vorher. Aber ich konnte mich schon immer ganz gut wehren.

Gab es beim Dreh blaue Flecken und Schrammen?

Auf jeden Fall! Ich würde sogar behaupten, dass es kaum einen Drehtag gab, der keinen blauen Fleck und keinen Kratzer hinterlassen hat. Das war aber auch schon während der Vorbereitung so. Es gab ein Wochenende, an dem wir drei als Geschwister auf einen Survivaltrip irgendwo in der Nähe von Berlin geschickt wurden. Wir haben gelernt, Bogen zu schießen, durch den Wald zu schleichen und ein Reh zuzubereiten. Vom Bogenschießen hatte ich einen riesigen blauen Fleck am Arm. Es gibt auch ein Foto von Ana Ularu und mir, dass nach einem Stunttraining-Tag entstanden ist. Sie hat einen Cut an der Stirn und ich ein blaues Auge. Und wir grinsen total glücklich in die Kamera.

Die Serie startet am 19. Februar auf Netflix


Zur Person: Anfang Februar feiert die Schauspielerin erst ihren 30. Geburtstag und doch ist ihre Filmvita bereits mehrere Seiten lang. Klar, bereits als Achtjährige stand sie erstmals vor der Kamera. War sie bislang eher in historischen Filmen wie „Die geliebten Schwestern“, „Tannbach – Schicksal eines Dorfes“ oder „Narziss und Goldmund“ verortet, zeigt die 1,62 m große Schauspielerin in „Tribes of Europa“ eine etwas andere Seite.

Back to topbutton