Ein Gespräch mit Heino Ferch über die Filmrolle einer historischen Figur

© W-Film / Tim Fulda

Heino Ferch gehört zu Deutschlands beliebtesten und meistbeschäftigten Schauspielern auf Bildschirm und Leinwand. Immer wieder schlüpft der Kapitänssohn aus Bremerhaven dabei in Filmen wie „Der Untergang“ oder „Das Adlon“ in die Rollen realer, historischer Figuren. Nun verkörpert der 52-jährige den legendären österreichisch-deutsch-US-amerikanischen Filmemacher Fritz Lang (1890 – 1976). Der Film rekonstruiert frei die Entstehungsgeschichte des legendären, frühen Tonfilms „M“, laut vielen Erhebungen Deutschlands wichtigster Beitrag zur Filmgeschichte. André Wesche stellte ihm ein paar Fragen.

Herr Ferch, wie vertraut waren Ihnen Leben und Werk des Fritz Lang?

Sein Leben weniger, das Werk halbwegs. Ich kannte in erster Linie Langs Werke aus den 20-ern und 30-ern und die späten Filme aus den 60-er Jahren.

Sind Sie jemand, der reale Personen intensiv recherchiert oder verlassen Sie sich weitgehend auf Drehbuch und Regie?

In diesem Fall waren es Drehbuch und Regie. Gordian Maugg ist ein Mann der Historie und verfügt über exzellente Kenntnisse. Er macht nur alle paar Jahre einen Film und hatte dieses Projekt schon lange in der Pipeline. Unser Film ist weniger ein Biopic als vielmehr eine Vision, wie die Entstehung von „M“ ausgesehen haben könnte. Es entsteht das spannende Bild einer gespaltenen Persönlichkeit. Ich habe mich natürlich damit auseinandergesetzt, was Lang für ein Mensch war. Wie hat er auf seine Umwelt gewirkt? Wie war sein Umgangsstil am Set?

Und? Welche Antworten haben Sie gefunden?

Es entstand ein Bild, das einen dominanten, teilweise erschreckenden Menschen vor Augen führt. Gordian Maugg hat eine interessante Linie gefunden, ihn darzustellen. Ich habe ihm mein volles Vertrauen geschenkt und versucht, eine stimmige Atmosphäre um die Figur eines getriebenen Menschen zu schaffen, der ganz neue Wege geht. Lang nimmt aus einer Stagnation heraus ein Thema auf, das ihn offenbar so irrsinnig beschäftigt, dass er geradezu besessen sein bisheriges filmisches Schaffen über den Haufen wirft und sich neu erfindet.

Welche Erkenntnisse über Fritz Lang haben Sie überrascht?

Vielleicht diese Härte, mit der er seine Schauspieler behandelt haben muss. Es betraf selbst gestandene Leute. Ich kenne ja selbst verschiedenste Herangehensweisen von Regisseuren. Aber so eine Härte habe ich nicht erwartet. Da braucht es schon Menschen, die extrem stabil oder das ganze Gegenteil davon sind, um das auszuhalten.     

Welche authentischen Eckpunkte hat der Film?

Fritz Lang ist bei seinen Recherchen tatsächlich dem Düsseldorfer Frauenmörder gefolgt. Er hat den ermittelnden Kriminalrat Gennat aufgesucht, den man als den ersten Profiler Deutschlands bezeichnen kann. Lang kannte ihn noch von seinem eigenen Fall. Damals hatte sich ein Schuss aus seiner Pistole gelöst und seine Ex-Frau getötet. Es konnte nie nachgewiesen werden, ob Lang abgedrückt hat oder ob der Schuss versehentlich losging. Das alles ist Fakt.

Möglicherweise eine dumme Frage: Spielt man für Schwarzweiß anders als für Farbe?

Nein! (lacht) Aber die Frage ist durchaus interessant. Auch in dieser Hinsicht finde ich „Fritz Lang“ besonders und schön. Als Gordian Maugg darüber nachdachte, ob er wirklich Schwarzweiß drehen sollte, habe ich gesagt: „Macht es doch bitte!“. Wann hat man die Gelegenheit, einen Schwarzweißfilm zu drehen? Und dann noch im historischen 4:3-Format. Das ist vor allem für die Kamera eine Herausforderung. Aber man spielt nicht anders, nein.  

Warum üben Geschichten von Mord und Totschlag so eine Faszination auf die Menschen aus?

Der Mensch ist von diesem schmalen Grat zwischen Gut und Böse fasziniert. Es ist die Faszination der eigenen Unberechenbarkeit und der Frage, ob es nicht für jeden Menschen eine Situation gibt, in der er nicht mehr zu halten ist. Wann schaltet sich die Vernunft aus? Schaltet sich etwas anderes ein, von dem wir nicht wissen, ob und wann es uns trifft? Ich glaube, es gibt für jeden eine Situation, in der man zum Tier werden könnte. Dass aus dem Menschlichen heraus auch das Böse entstehen kann, macht die Faszination von Kriminalgeschichten aus. Der filmische Umgang mit dieser Möglichkeit fesselt die Menschen nach wie vor.        

Wissen Sie, ob Herr Finzi seine Mörderrolle als belastend empfunden hat?

Ich meine sagen zu können, dass er sie nicht als Belastung empfunden hat. Samuel Finzi ist ein großartiger Schauspieler, erfahren und professionell genug, um die Elemente einschätzen zu können, mit denen er hantiert. Wir haben uns bei diesem Dreh kennengelernt und auf Anhieb exzellent verstanden.

Glauben Sie, dass Menschen als unbeschriebene Blätter zur Welt kommen oder dass es eine Veranlagung zum Bösen gibt?

Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Die äußeren Einflüsse, die Dinge, die das Leben mit einem macht, haben definitiv großes Gewicht.

Übt die goldene Zeit des Kinos eine gewisse Anziehung auf Sie aus? Wären Sie gern mit Fritz Lang über den Roten Teppich geschritten?

Ja, natürlich. Die 20-er Jahre sind für Filmschauspieler mit Sicherheit eine großartige Zeit gewesen. Sie waren oft bestens ausgestattet und konnten sich gut über Wasser halten. Was wir als die „Goldenen Zwanziger“ bezeichnen, war für viele Menschen aber auch eine arme und belastende Zeit. Trotzdem wären sie einen Knopfdruck auf der Zeitmaschine wert. Die Begeisterung der Menschen für ihre Stars war sehr groß. Der Film war noch ein relativ junges Medium. Zu dieser Zeit an seiner Entwicklung teilhaben zu dürfen, war für die Filmschaffenden von damals bestimmt ein großes Geschenk.

„Fritz Lang“ zeigt, wie damals gefeiert, gekokst und gesoffen wurde. Heute schreiben Schauspieler Ernährungsratgeber und veröffentlichen Fitnessvideos. Ist unsere Welt heute gesund, aber langweilig geworden?

Nein, langweiliger nicht. Vielleicht nicht mehr so exzessiv. Obwohl, wenn man sich manche dieser Ernährungs- und Fitnessberater anschaut, sind sie auch auf ihre Weise exzessiv. Das Lebensgefühl hat sich geändert. Wenn man heute einen Film mitträgt, muss man eine verlässliche Größe und kompatibel sein. Beim heutigen Produktionstempo braucht man eine gewisse Stabilität und Gesundheit, um diesem Druck standzuhalten. Rockstars mögen ihr Leben auch heute noch exzessiv gestalten, auf der Bühne, davor und danach. Vielleicht trifft das für Unsereins vereinzelt auch noch zu. Aber wer begriffen hat, dass der Körper und der Geist unsere einzigen Instrumente für diesen Beruf sind und wer sie schützen möchte, wird sich so gut wie es geht von Drogen fernhalten. Trotzdem gehört auch die eine oder andere Party dazu, das ist klar.        

Fritz Lang ergattert sich einen Tisch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Haben Sie schon Ihre Prominenz eingesetzt, um in den Genuss von Vorzügen zu kommen?

Wenn man bei einer Tischreservierung am Telefon laut und deutlich seinen Namen sagt, dann kann das bei bestimmten Lokalitäten schon von Vorteil sein.

Wenn Sie Fritz Lang eine Frage stellen könnten, welche wäre das?

Haben Sie geschossen?

Die Fragen stellte André Wesche.

Back to topbutton