Florian David Fitz: "Man sollte sich darüber bewusst sein, dass man die absolute Wahrheit nie wirklich erfahren wird."

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© Heimatfilm

Schauspieler Florian David Fitz steht seit Beginn des neuen Jahrtausends regelmäßig vor den Kameras. Besondere Popularität erlangte der gebürtige Münchner in der Rolle des Dr. Marc Olivier Meier aus der Arzt-Serie „Doctor´s Diary“. Danach konzentrierte sich Fitz auf das Kino. So schrieb er das Drehbuch zur erfolgreichen Tragikomödie „Vincent will Meer“, in der er die Hauptrolle übernahm. Auch als Ensemble-Mitglied der „Männerherzen“-Filme und als Protagonist von „Die Vermessung der Welt“ und „Hin und weg“ feierte der 40-jährige Erfolge. Momentan inszeniert Fitz „Der geilste Tag“, seine zweite Regiearbeit nach „Jesus liebt mich“. Im Politthriller „Die Lügen der Sieger“ von Christoph Hochhäusler ist Florian David Fitz nun als Journalist zu erleben, der in ein Netz aus Lügen und Intrigen verstrickt wird. Ein Gespräch.


Herr Fitz, der Begriff „Lügenpresse” hat zuletzt eine traurige Renaissance erlebt. Das Wort „Lügenpresse“ ist scheußlich. Nicht nur wegen der geschichtlichen Konnotation. Dieser Begriff stellt etwas anheim, woran ich persönlich überhaupt nicht glaube, nämlich, dass es eine Weltverschwörung gibt. Ich glaube, dass man den Menschen damit eine böse Intelligenz unterstellt, die einfach nicht da ist. Wie sollte eine solche Verschwörung der deutschen Presse eigentlich aussehen? Gibt es einen geheimen Rat, der den Leuten diktiert, was sie zu schreiben haben? Das ist doch Nonsens. Wenn es etwas gibt, dann eine leichte Lemming-Tendenz in Richtung Boulevardisierung und Skandalisierung von Kleinigkeiten.

Glauben Sie, dass in unserem Staat wirklich die Leute das Sagen haben, die wir gewählt haben? Werden nicht viele Politiker von Lobbyisten gelenkt? Ich glaube, dass wir in einer Demokratie leben. Und die Dinge, die Sie benennen, sind die typischen Probleme dieser Demokratie. Man muss sich davor hüten, Demokratie zu romantisieren. Sie kann nicht der pauschale Lösungsansatz für jedes Problem sein. Aber wir kennen nichts Besseres. Die Demokratie hat diverse Probleme. Natürlich ist die Wirtschaft in ihren Finanz-Entscheidungen sehr viel schneller, auch durch die digitale Revolution. Die Politik ist abhängig vom Geld, weil sie immer mit dem Verlust von Arbeitsplätzen bedroht werden kann. Sie läuft dieser Entwicklung hinterher. Ein demokratischer Entscheidungsprozess ist naturgemäß ein langsamer und er endet meistens mit einem Kompromiss. Da ist natürlich ein totales Ungleichgewicht. Eine chinesische Regierung oder Wladimir Putin können viel schneller entscheiden und reagieren. Aber möchte man in so einen System leben, mit all den Konsequenzen, die man tragen müsste? Ich glaube schon, dass die Politiker nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, das Ruder wieder in die Hand zu kriegen. Es gibt immer wieder die Versuche, die Macht der großen Finanzwelt einzudämmen, zum Beispiel durch eine Transaktionssteuer.

Hat die Arbeit an diesem Film Ihren Blick auf Journalisten verändert? Nee. Ich glaube, die Dimension hat sich verändert, weil Christoph ein bisschen besser und weitgehender informiert ist als ich. Die Deutschen sind fast persönlich beleidigt, wenn sie feststellen müssen, dass das System nicht perfekt ist. Deswegen muss man ein bisschen aufpassen. Wenn man ständig diese Erwartung weckt, dass Demokratie ein perfektes System ist, dann werden sehr schnell viele Leute davon enttäuscht sein. Wir alle müssen erwachsen werden und akzeptieren, dass der Prozess immer problematisch sein wird. Wir müssen ständig ausbessern und immer weiterschauen. Andernfalls wäre man in einer kindlichen Haltung verhaftet. Jeder Mensch hat den Instinkt, erst auf die anderen zu zeigen, wenn es um irgendwelche Probleme geht. Man muss aber bei sich selbst anfangen.

Was für eine Erfahrung war Ihr vorbereitender Ausflug in die „Spiegel“-Redaktion? Ich bin ja zunächst einmal Schauspieler. Meine Aufgabe besteht darin, präzise abzubilden, was ich dort vorfinde. Mich interessieren weniger die politischen Übergebilde. Ich will sehen, wie der tägliche Ablauf vonstattengeht, wie die Leute miteinander umgehen und was da das tägliche Brot ist. Die Leute dort waren total offen und super cool, obwohl ihnen bewusst war, dass das kritisch beleuchtete Blatt „Die Woche“ aus dem Film sehr nah dran am „Spiegel“ ist.

Wie informieren Sie sich, welchen Medien schenken Sie Ihr Vertrauen? Es ist immer gut, im Kopf einen gewissen Abstand zu wahren und sich nicht frustrieren zu lassen. Eine absolute Wahrheit kann es nicht geben. Man kann sich aber auf Medien konzentrieren, die man für seriöser hält als andere. Filter wird es immer geben. Wenn irgendwo etwas passiert, ist der Reporter nicht vor Ort. Er reist erst dorthin und befragt verschiedene Leute. Und jeder hat die Situation anders erlebt. Das verändert die Geschichte. Außerdem spielt eine Rolle, welches Medium aus welchem Land sie erzählt. Auch wir betrachten die Welt durch die Brille unserer Werte. Dann sagt die Redaktion, dass die Sachen ´rausfliegen, die vermeintlich niemanden interessieren. Und am Ende hat jeder Leser noch einen eigenen Filter im Kopf. Welches Medium kaufe ich? Welche Artikel lese ich? Meistens doch die, die sowieso meine Weltsicht bestätigen. Man sollte sich darüber bewusst sein, dass man die absolute Wahrheit nie wirklich erfahren wird. Das darf uns aber nicht frustrieren.

Heute fühlt sich auch mancher Amateur im Internet zum Schreiben berufen, gern hasserfüllt und anonym. Ja, das hängt mit eben dieser Anonymität zusammen. Wir erleben quasi eine neue industrielle Revolution, die man gern die digitale Revolution nennt. Und für die gibt es noch keine Regeln. Ich bin dafür, dass es diese Anonymität in einem Staat wie unserem, in dem jeder frei seine Meinung äußern darf, nicht geben sollte. In solchen Foren sollen die Leute auch für das einstehen, was sie loslassen. Da würde sich das ganz schnell erledigen. Die Leute hassen ja nur so ab, weil sie anonym sind. Das bringt nicht immer das Beste in einem Menschen zum Vorschein.

Haben Sie als Prominenter Versuche erlebt, Sie zu instrumentalisieren oder vor einen Karren zu spannen? Nein. Bei uns kommt es relativ selten vor, dass sich Schauspieler für eine Partei engagieren. In Amerika ist das fast üblich. Ich selbst finde, dass die Schnittmenge in der Mitte immer relativ groß ist. Ich selbst würde immer in der Mitte entscheiden. Ich bin keiner, den es extrem nach rechts oder nach links zieht. Ich suche nach dem, was der gesunde Menschenverstand gebietet, auch wenn es mir vielleicht nicht persönlich dient. Gegen Lobbyisten oder Klientelpolitik habe ich eine ausgeprägte Allergie. Ich habe auch das Gefühl, dass sich ein Schauspieler eine gewisse Neutralität bewahren sollte. Schließlich soll man ja jede Rolle glaubhaft verkörpern können.

In „Die Lügen der Sieger“ wird einem bewusst, wie sehr man schon darauf trainiert ist, dass die Bombe explodiert, wenn der Protagonist sein Auto anlässt. Hier passiert das nicht. Wird sich das Publikum auf eine eher ruhig erzählte Geschichte einlassen? Die Frage ist ja, ist es spannend oder nicht? Im Film werden sehr beunruhigende Fragen gestellt. Vielleicht geht keine Bombe hoch. Trotzdem wird einem ganz anders, wenn man sich den Film anschaut.                 

Sie haben längere Zeit in den USA gelebt. Haben Sie dadurch einen anderen Blick auf Deutschland bekommen? Ja. Es hilft total, mal 'rauszukommen und mehrere Jahre lang aus einem fremden Land auf das Zuhause zu blicken. Man hat dann nicht dieses Tagesgeschäft und nicht dieses Gefühl, dass unser System verrottet ist. Unsere Medien müssen sich ja jeden Tag neu füttern. Deshalb liest man immer nur über Streit, Probleme, Missstände. Von außen merkt man dann, dass bei uns viele Sachen relativ gut funktionieren. Das darfst du ja in Deutschland gar nicht sagen, wenn du nicht als naiv gelten möchtest. In Deutschland geht es einer großen Masse der Bevölkerung so gut, wie es Menschen noch nie in der Geschichte ging. In den USA siehst du ganz andere Sachen. Und anderswo noch schlimmere. Das heißt nicht, dass es auch bei uns nicht noch besser ginge. Aber es nimmt einem schon mal dieses frustrierende Um-sich-selbst-Drehen.

Sie drehen Ihren aktuellen Film in Afrika und waren auch vorher schon auf Motivsuche dort. Kommen angesichts der Armut vieler Menschen bei Ihnen manchmal Zweifel auf, ob man als Schauspieler wirklich etwas Signifikantes für diese Welt leistet? Nein. Es gibt keine Zweifel, weil völlig klar ist, dass der Schauspielerberuf nicht signifikant ist. Ich übe einen Beruf aus, der nichts Weltbewegendes macht. Er geht mit Ideen um, mit immateriellen Sachen. Ich kann unterhalten oder nachdenklich machen. Es gibt offensichtlich einen Grund, warum Geschichten erzählt werden. Es begleitet die Menschen von Anbeginn der Welt. Aber es wäre vollkommen absurd, diesen Beruf mit dem eines Arztes zu vergleichen, der wirklich etwas Reales macht.

Stapeln Sie jetzt nicht ein bisschen tief? Ich kann nur sagen, dass ich mal mit einem Arzt gesprochen habe, der mir sagte, ich wüsste gar nicht, wie wichtig das ist, was ich mache. Es war ein Onkologe, der viel mit Tod und Sterben zu tun hat. Er hielt es für sehr wichtig, den Menschen Geschichten zu erzählen. Geschichten sind auch dafür da, dass man Erfahrungen sammelt und Dinge miterlebt, die einem sonst verborgen geblieben wären. Wenn man Tolstoi gelesen hat, entwickelt man ein Gefühl dafür, wie Menschen ticken können. Das gibt einem auch wieder eine andere Draufsicht, das ist gut. Man rennt dann nicht mehr unreflektiert mitten 'rein und zeigt auf andere.

"Die Lügen der Sieger"- Bundesstart: 18. Juni, Studiokino, www.dieluegendersieger-derfilm.de

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