Gegen das Vergessen

© Warner Bros.

Herr Schweiger, wie kamen Sie auf das Thema Alzheimer?

Hilly Martinek kam mit der Drehbuch-Idee. Die Geschichte sollte sich im weitesten Sinne um Alzheimer drehen. Ihr Vater ist daran gestorben und ich kenne das auch aus meiner Familie. Es gab bis jetzt nur Fernsehfilme über das Thema und das waren reine Tragödien. Ich bin der Meinung, dass es auch Stoff für eine Komödie liefert. Man kann mit Alzheimer-Patienten durchaus lustige Momente erleben, auch wenn das Traurige überwiegt. Es ist wohl die schlimmste Krankheit, die man bekommen kann. Nicht nur für einen selbst, auch für die Angehörigen.

Wer Alzheimerfälle in der Familie hat, erkennt sich tatsächlich wieder. Wie intensiv haben Sie recherchiert?

Hilly hat ihre Erfahrungen im engsten Umfeld gesammelt – ich ebenso. Wir haben recherchiert und nachgelesen. Mit einem Demenzforscher habe ich Geschichten von Pflegern gesammelt. Als wir den Film der Alzheimer-Gesellschaft gezeigt haben, hat man uns bestätigt, dass die Darstellung der Krankheit und der familiären Situation absolut glaubhaft und authentisch sind. Sie haben uns sozusagen ihr Gütesiegel aufgedrückt.

Sie haben Zivildienst gemacht. Hatten Sie da Berührungspunkte zu Demenzkranken?

Als Zivi nicht, nein. Damals hat man die Diagnose noch nicht gestellt. Man sagte einfach, die sind alt und senil. Mein Großvater ist auch an Demenz gestorben. Physisch war er topfit. Früher hat man vermutlich gesagt, der spinnt. Heute weiß man, dass er dement war.

Im Vorfeld gab es eine kurze Irritation, weil Herr Hallervorden lieber auf eine Pups-Szene beim Unterhosenwechsel verzichtet hätte.

Natürlich werden sich meine Freunde von den Feuilletons genau diese Stelle herauspicken und sagen, ah, das ist Til Schweigers Furz-Humor. Der Film „Zweiohrküken“ wurde im Wesentlichen auf die Szene reduziert, in der Matthias Schweighöfer versucht, seine Kacke aus dem Appartement zu schaffen. Es war eine Szene, die sauwitzig war, das ganze Kino hat vor Lachen getobt. Aber in der Kritik hieß es, der Film sei das. Genau das wird auch hier passieren. Aber deswegen würde ich nie auf eine Szene verzichten, die ich für elementar wichtig halte. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wie ich meine Filme zu machen habe.

Kann es einem Film förderlich sein, wenn sich Regisseur und Darsteller aneinander reiben?

Ich kann auf Dispute gut verzichten, weil ich eigentlich harmoniesüchtig bin. Gerade beim Drehen strebt man Harmonie an. Auf der anderen Seite muss man als Regisseur seinem Plan folgen. Es kommt vor, dass man feststellt, die Idee eines Schauspielers ist besser als die eigene. Dann habe ich Null Ego-Probleme und sage, du hast Recht. Wenn ich aber von einer Sache hundertprozentig überzeugt bin, ist es meine Aufgabe, im Interesse meines Filmes darauf zu bestehen. Als Schauspieler versuche ich den Regisseur mit allen Mitteln zu überzeugen. Aber irgendwann muss ich die Segel streichen, weil es nicht mein Film ist.

Dieter Hallervorden ist im Film allerdings eine Klasse für sich.

Ja. Man hat bei „Sein letztes Rennen“ immer gesagt, das sei die Rolle seines Lebens. Das war sie bis dahin auch. Die Komplexität seiner Figur in „Honig im Kopf“ ist aber noch mal eine andere. Und er macht das wirklich großartig.

Wie haben Sie Ihre Tochter Emma an diese schwierige Rolle herangeführt?

Wie an jede andere Figur auch – gar nicht groß. Sie kennt das Thema auch aus unserer Familie. Emma ist eine absolute Instinktschauspielerin und ist im Laufe der Jahre immer besser geworden. Oft verlieren Kinderdarsteller mit den Jahren das Unbefangene, das sie mal ausgemacht hat. Emma wird dagegen immer mehr zu einer Schauspielerin. So großartig Dieter Hallervordens Vorstellung ist, man darf nicht vergessen, wie großartig Emmas Performance ist. Nicht nur für ein Kind ist das herausragend. Die Chemie zwischen Emma und Dieter ist fantastisch. So etwas kann man nicht inszenieren, es ist da oder nicht. 

Die Fragen stellte André Wesche

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