Ihr Weg hat mich ermutigt

Ein Gespräch mit Oscar-Preisträgerin Jennifer Hudson über ihre Rolle als Soul-Legende Aretha Franklin in der Biografie „Respect“.

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© Andre D. Wagner

Als Jennifer Hudson aus Chicago 2004 bei der Talent-Show „American Idol“ den 7. Platz belegte, rechnete wohl niemand damit, dass die junge Frau zwei Jahre später im Drama „Dreamgirls“ auf Augenhöhe mit Superstar Beyoncé Knowles spielen, singen und dafür den Golden Globe und den Oscar einheimsen würde. Heute zählt die 40-jährige zu den erfolgreichsten R&B-Künstlern der USA. In der Filmbiografie „Respect“ spielt sie nun die Hauptrolle der Soul-Legende Aretha Franklin.

Mrs. Hudson, welchen Einfluss hatte Aretha Franklin auf Sie und Ihre Karriere? Oh mein Gott, Aretha war ein riesiges Vorbild in meinem Leben und für meine Musik! Es hat großen Eindruck auf mich hinterlassen, sie später persönlich kennenlernen zu dürfen. Aretha hat mich dazu inspiriert, die zu sein, die ich immer sein wollte. Sie hat mich sogar beeinflusst, wenn ich es gar nicht merkte. Beim Dreh des Films dachte ich oft: „Wow, ich bin quasi in der Kirche aufgewachsen und habe dort ihre Arrangements von ‚Amazing Grace‘, ‚Precious Lord‘ und ‚Sweet Memories‘ gesungen.“. Aretha war immer da, sogar unterbewusst. Das zeigt, was für eine Kraft und Einfluss sie hatte.

Sehen Sie heute Parallelen zwischen Arethas und Ihrer Karriere? Sehr viele. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Zunächst hat es mich einfach inspiriert, das menschliche Wesen in ihr zu sehen. In ihrer Lebensgeschichte wird manch einer seine eigene Geschichte, seinen eigenen Weg, seine Triumphe und Niederlagen wiedererkennen. Wir sehen im Film, wie Aretha sich durchsetzt, wie sie um ihren Platz und ihre Stimme kämpft und zu sich selbst findet. Als ihr das schließlich gelang, bekamen wir unsere Queen of Soul. Ihr Weg hat mich ermutigt, meiner eigenen Stimme mehr zu vertrauen.

Die Bilder von Künstlern wie Aretha Franklin, Whitney Houston und Amy Winehouse, die betrunken auf der Bühne stehen, gleichen einander. Warum kämpfen so viele kreative Menschen mit Dämonen? Ich persönlich würde es nicht Dämonen nennen. Ich denke, dass jeder Mensch im Leben vor bestimmte Herausforderungen gestellt wird und seinen individuellen Weg findet, mit diesen Dingen umzugehen. Vielleicht war das Arethas Vehikel oder ihr Ventil. Ich kann nicht sagen, ob ich es für richtig oder falsch halte und es steht mir auch gar nicht zu. Jeder hat seine eigene Geschichte und Lebensrealität. Viel zu oft wird übersehen, dass auch Berühmtheiten ein Leben haben, in dem sie Prüfungen bestehen müssen und vor Schwierigkeiten gestellt werden. Deshalb finde ich es wichtig, zu erkennen, dass auch Stars schwierige Dinge erleben und verkraften müssen.

Im Film gibt es einen Moment, in dem Aretha ihre Karriere neu bewertet und für die Musik zu kämpfen beginnt, die sie wirklich machen will. Haben Sie nach Ihrem Oscar-Gewinn einen ähnlichen Kampf durchgemacht? Absolut. Ich glaube, das definiert sogar die Natur der Sache. Tatsächlich ist das eines der Dinge, die mir Aretha noch im persönlichen Gespräch beigebracht hat. Man hat plötzlich mit so vielen Leuten zu tun, die einem diktieren, was man sagen soll, was man tun soll. Darunter leiden dein Talent und deine Gabe. Und manchmal verlierst du dich darin und dein Traum geht verloren. Man muss zu seiner persönlichen Basis zurückfinden, denn es ist deine Stimme, dein Traum, dein Leben und deine Geschichte. Aretha war ein Beispiel und eine glühende Verfechterin dessen. Und ich denke, das ist auch die Prämisse und Basis dieses Films.

Wie wollte Aretha porträtiert werden? Aretha sagte: „Ich möchte, dass du mich porträtierst.“. Und ich entgegnete: „Ja Ma’am, was auch immer nötig ist, ich werde da sein, um es zu tun.“. Was ich dann offensichtlich auch getan habe. Nun kann ich aufatmen, nachdem ich ewig die Luft angehalten habe. Während ich mich auf den Dreh einer Szene vorbereitete, gab es magische kleine Momente. Es gibt zum Beispiel ein Bild auf meinem Handy, auf dem Aretha „Amazing Grace“ singt. Ich war genauso geschminkt wie sie. Einfach nur da zu stehen, mein Spiegelbild zu betrachten und gleichzeitig sie anzuschauen, war überwältigend. Es war manchmal etwas unheimlich, aber gleichzeitig aufregend. Das war meine Referenz, ich habe sie immer angeschaut und genau studiert.

Was war bei den Dreharbeiten am schwierigsten zu bewerkstelligen? Ich sage immer, wenn alles „übereinandergeschichtet“ war. Wenn es eine emotionale Szene gab und ich gleichzeitig als Aretha singen und große Gefühle authentisch darstellen musste. Im Film wurde die gesamte Musik live gespielt. Das war wahrscheinlich der schwierigste Teil.

Gab es ein spezielles Training, um Ihre Stimme in den echten Aretha-Franklin-Modus zu bringen? Ich habe mit einem Dialekt-Coach gearbeitet. Wir haben uns zunächst mein Instrument angeschaut und wie es gebaut ist. Dann haben wir Arethas Instrument studiert, wie sie ihre Noten oder ihre Technik angeht. Am Ende war es so, dass ich sie nicht einfach nur imitiert habe. Ich habe als Fan ihren Einfluss zugelassen, die Technik und die musikalischen Signaturen, die ihren Stil ausmachen. Ich habe gelernt, dass Aretha aus dem Kopf singt und fragte den Coach: „Und woraus singe ich?“. Er: „Du singst aus den Füßen.“ Was immer das bedeuten mag, ich weiß es nicht.

Der Film war eine ganze Weile in der Produktion. Ja. Dieses Projekt war seit über 15 Jahren in Arbeit oder zumindest im Gespräch. Und natürlich wollte man es so gut wie möglich vorbereiten, weil es für die Queen of Soul war. Aretha hatte sich den Film gewünscht und wollte ein Teil davon sein. Es war definitiv ein langer Prozess, von dem ich gerne denke, dass er genau zum richtigen Zeitpunkt zu diesem Film führte. Ein jeder, der Teil der Produktion war, hat alles investiert, um das möglich zu machen.

Hat die Arbeit am Film Ihren eigenen Stil beeinflusst? Ja. Ich denke, ich habe eine Menge gelernt. Ich bin wie ein Schwamm. Ich glaube nicht, dass man jemals genug lernen kann. Als ich ans Set kam, habe ich als erstes gesagt: „Lasst Euch nicht davon täuschen, dass ich einen Oscar gewonnen habe. Ich bin ein Schüler. Ich bin hier, um zu studieren und ich versuche, von jeder Erfahrung zu lernen und anzuwenden, was ich gelernt habe.“ Aretha ist die beste Sängerin aller Zeiten, also will ich Dinge übernehmen, die ich von ihr gelernt habe. Ich habe sie in meine eigene Technik und Musik einfließen lassen. Sogar am Klavier, denn ich habe für den Film Klavierspielen gelernt

Sie haben auf Arethas Beerdigung gesungen. Wie haben Sie die in Erinnerung? Zuallererst war es eine Beerdigung, wir haben die Queen of Soul verloren. Viele haben einen geliebten Menschen verloren. Für sie war die Zeremonie in erster Linie gedacht. Aber es ist auch jemand von uns gegangen, der uns allen lieb war. Deshalb war es eine Beerdigung auf einer Plattform, die der ganzen Welt zugänglich war. In dem Moment war also eine Menge verschiedener Emotionen im Spiel.

Filmbiografie „Respect“, ab 25. November im Kino

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