Johny Ganja: Als hätte Tarantino „Alles steht Kopf“ gedreht

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© Ole Freier

Der Studiengang „Medienbildung“ der OvGU bringt regelmäßig Filmprojekte zum Vorschein. Seltener sind sie so ambitioniert wie „Johny Ganja“ von Student Rouven Dietrich und Absolvent Ole Freier. Auf Grundlage des vielzitierten Persönlichkeitsmodells von Psychologe Schulz von Thun entstand die Geschichte eines kleinen Dealers, der bei den Großen mitspielen will. Im dunklen Äther diskutieren fünf Gestalten die Probleme des Protagonisten John (R. Dietrich). Für den Big Boss (Jens Hahn) übernimmt er einen Auftrag, der ihn in die A-Liga des Milieus katapultieren könnte. Oder ins Grab. Bei jeder Entscheidung wollen Logik (Jasper Ihlenfeldt), Anarchie (Jonas Spindler), Sorge (Viktoria Magnucki), Coolness (Maximilan Nehrig) und Egoismus (Ole Freier) Zünglein an der Waage sein.

Johnny Ganja setzt Netflix-Maßstäbe als Low-Budget-Film

„ Johny Ganja“ ist lediglich eine Budget-Spritze davon entfernt, als Serie bei irgendeinem Streaminganbieter zu landen. Dank Netflix & Co. ist das Publikum wieder offen für deutschsprachige Genreproduktionen. Und so offensichtlich stark inspiriert „Johny Ganja“ auch ist – konzeptionell vom Animationshit „Alles steht Kopf“, inhaltlich von scheinbar jeder Milieu-Fiktion der letzten zwanzig Jahre -, so kurzweilig und unterhaltsam ist er wiederum. Das liegt u.a. am Drehbuch von Dietrich selbst, der das Rad nicht neu erfindet, sondern einfach einen weiteren Lucky Loser im Drogenmilieu skizziert. Funktionierte bei „Chiko“. Funktionierte bei „Asphaltgorillas“. Funktioniert auch bei „Johny Ganja“.

© Ole Freier

Titelfigur bleibt charakterblass

Wie viel Anteil das Script Doctoring von Nebendarstellerin Viktoria Magnucki daran hat, sei dahingestellt. Aber vielleicht fiel auch ihr auf, dass die blasseste Figur im Film der Protagonist selbst ist. Im Vergleich zu den überzeichneten Facetten in Johns Kopf, einer kodderschnäutzigen Bardame oder einem erschreckend authentischen Schlägertrupp, bleibt die Titelfigur charakterblass. Das kann man Personalunion Rouven Dietrich wohlwollend als Understatement auslegen, um sich nicht in den Vordergrund zu drängen. Oder man akzeptiert es einfach als 'ausbaufähiges Element'.

Jens Hahn spielt Big Boss auf den Punkt

Indie-Produktionen wie „Johny Ganja“ haben in der Regel ein undankbar kleines Budget. Nach eigenen Aussagen, waren die zahlreichen Freunde und Bekannten anständig verpflegt. Freundes- und Bekanntenkreise bestehen selten nur aus Schauspielern. Und so wirkt manch ein Dialog hölzerner, als das cinephile Ohr es wohl mag. Fällt besonders auf, weil Darsteller Jens Hahn als Big Boss dermaßen auf den Punkt spielt, dass man regelrecht sehen möchte, wie die Figur auch in anderen Filmen den Ton angibt.

© Ole Freier

Synthi-Kompositionen werten Film auf

Die übrigen Töne in „Johny Ganja“, zumindest musikalisch, stammen von Christoph Paul Börner. Und dessen Synthi-Kompositionen werten den Film ordentlich auf; heben ihn ab von den unzähligen Indie-Produktionen, deren lizenzfreie Musik zwar oft hilfreich, aber leider auch verbraucht ist. Auch auf technischer Ebene überzeugt der Film weitestgehend. Für die Kameraarbeit und die Post-Production zeichnet Ole Freier („Lars Eichmann“) verantwortlich und prägt mit überstilisierten Montagen und gut platzierten Kamerafahrten maßgeblich den Look des Films. Die Farbgebung wirkt weitestgehend stimmig; in einigen Einstellungen hingegen saufen die Farben einfach ab. Da gibt es Nachholbedarf, zumindest mit Blick auf eine mögliche Festivalauswertung.

Johny Ganja ist einen Blick wert

Ob „Johny Ganja“ zeitnah nochmal für ein breites Publikum zugänglich ist, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Einen Trailer können sich Interessierte hingegen in schon online anschauen. „Johny Ganja“ ist zweifelsfrei interessantes und mutiges Genre und, mit ein wenig Freude am Independent-Kino, auch losgelöst vom akademischen Entstehungshintergrund einen Blick wert.

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