Oscars 101

Nachgeschaut #101, April 2024 – Die Oscars sind durch. Aber nach dem Oscar ist vor dem Kriegsfilm – oder so.

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(c) RG

Мир для України!

For the first time three foreign language films are up for best picture and two of them star Sandra Hüller. […] Sandra plays a woman on trial for murdering her husband in ‚Anatomy of a Fall‘ and a Nazi housewife living next to Auschwitz in ‚The Zone of Interest‘. And while these are very heavy subjects for american movie goers, in Sandra’s native germany they’re called Rom-Coms.“

Den Kern versteht man auch ohne profunde Englischkenntnisse: Gerichtsdramen und Nazi-Greul sind in Deutschland romantische Komödien, weil … Deutschland. Gnihihihi. Und während US-Talker Jimmy Kimmel mit dem Charme eines gekippten Kartoffelsalats die 96. Verleihung der Academy Awards wechmoderiert, stelle ich mir die Frage: Wann haben wir dem internationalen Markt denn je etwas anderes angeboten, außer Vergangenheitsbewältigung?

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Das Nazi-Regime vertreibt das Gros deutscher und österreichischer Filmtalente aller Gewerke in den Rest Europas; oft Frankreich und letztendlich in die USA. Dort prägen Stars wie Samuel ‚Billy‘ Wilder oder Robert Siodmak das amerikanische Kino maßgeblich mit und gewinnen eben auch Oscars – für US-amerikanische Produktionen.

Seit dem Kriegsende schickt Deutschland seine Therapiestunden nach Übersee

- Die Blechtrommel, 1979 (Deutschland vor Hitler)

- Bittere Ernte, 1985 (Flucht vor Hitler)

- Schtonk!, 1992 (Hitlers Tagebücher)

- Nirgendwo in Afrika, 2002 (Flucht vor Hitler)

- Der Untergang, 2004 (Hitlers letzte Tage)

- Sophie Scholl – Die letzten Tag e , 2005 (Studenten gegen Hitler)

- Das Leben der Anderen, 2006 (Deutschland nach Hitler)

- Werk ohne Autor, 2018 (Kunst unter Hitler)

„ Du hast ‚The Zone of Interest‘ vergessen!“

Ich hab’n Scheiß vergessen! Du hast vergessen, dass Filme nicht gleich deutsche Produktionen sind, nur weil darin Deutsch gesprochen wird. „The Zone of Interest“ ist ‘ne US-amerikanisch-britisch-polnische Koproduktion.

Auch die gefeierte Roman-Adaption „Im Westen nichts Neues“, die 2023 als deutscher Beitrag ins Oscar-Rennen geschickt wurde, kam einerseits komplett ohne deutsche Filmförderung aus – Netflix hat 20 Millionen springen lassen – und wurde darüber hinaus fast komplett in Tschechien gedreht. Soll den Film nicht schlechter dastehen lassen. Die schizophrene Rezeption des Films wäre einen eigenen Artikel wert. Einerseits trägt der Film das berüchtigte Siegel „besonders wertvoll“ und wird darüber hinaus für den Einsatz im Schulunterricht empfohlen, andererseits scheint die Darstellung des Kriegs aus historischer Sicht voller Unzulänglichkeiten und zeitgeistiger zu sein, der Stoff es eigentlich erlaubt .

The „Victoria“ Syndrome

Potenzielle Oscar-Filme aus Kartoffelhausen die versehentlich keine Vergangenheitsbewältigung betreiben laufen Gefahr, von German Films – das Unternehmen kümmert sich u. a. um die Auswahl für die deutschen Oscar-Einreichungen – einen Tritt ins Knie zu bekommen. Das ist so vermeintlich bei dem als One Take gedrehten Neon Crime Thriller „Victoria“ (2015), erzählt Regisseur Sebastian Schipper in einem Gespräch mit Kino+. Nach Informationen von German Films hätte man „Victoria“ nicht nach Übersee schicken können, weil der englischsprachige Redeanteil zu groß gewesen sei und über den von der Academy erlaubten 40 Prozent gelegen hätte. (In der Gegenwart soll der nicht-englischsprachige Redeanteil übrigens über 50 Prozent liegen.) Sebastian Schipper suggeriert in dem Gespräch, dass diese Info ein bisschen Bullshitterei war – man hätte „Victoria“ als offiziellen Beitrag in die Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ einreichen können; das Komitee entschied sich schlichtweg lieber für Giulio Ricciarellis NS-Drama „Im Labyrinth des Schweigens“ (Thema: Auschwitz-Prozesse). Hätte „Victoria“ den Oscar gewonnen? Keine Ahnung – ich kann nicht multiversal hellsehen! Aber es wäre doch mal ein tolle Message, wenn wir künftig auch wieder mit Science Fiction, Horror, Fantasy, Thriller, Action & Co. überzeugen würden.

Dein Film hat auch einen Oscar verdient? Das schau ich mir gerne an: rob@dates-online.de 

PS: Du bist Kreativkopf in Magdeburg oder Umgebung? Dann schau doch mal beim monatlichen Treffen des Netzwerkes NMC (New Magdeburg Cinema) vorbei. Austausch über Projekte und Netzwerken ohne Stress.

Schreibt einfach 'ne Mail an new-magdeburg-cinema@gmx.de

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