Presse:Zirkus

Nachgeschaut #80, März 2022 – In dieser Ausgabe geht es um vergrämte Eigenbrödler mit Hang zu Gewalt. Ironisch.

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Мир для України!

In der Print-Ausgabe dieser Kolumne stieg ich noch mit einem Gag zum 56. Super Bowl ein

War der Super Bowl geil oder was? Keine Ahnung! Was jucken mich zwei Horden Ogerkostüme, die im Rage Mode einem deformierten Fußballimitat nachjagen und sich dabei, brüllend wie Katzenmännchen auf Testo, über den Haufen rennen? Uns Schreibmatratzen interessiert eher das, was zwischen dem Sport passiert.

Jetzt bleibt mir das alles im Hals stecken, weil aus dem „deformierten Fußballimitat“ die Demokratie geworden ist und freier Journalismus in Russland per Gesetz eine Knebel verpasst bekommen hat. Natürlich habe ich mich trotzdem dem Eskapismus hingegeben. Das liegt natürlich auch an dem ganzen Filmpressezirkus, der die E-Mail-Postfächer füllt, soziale Medien flutet und dazu führt, dass es Snippits vor Teasern für Trailer gibt. Das Thema ist trotzdem auch für lokale Indie-Produktionen interessant. Mehr dazu weiter unten.

Archenemy: Ein Held sucht nach seinem Super

Hipster Hamster (Skylan Brooks) hat Bock auf Kulturjournalismus. Um bei einem trendigen Online Mag zu landen, berichtet er auf eigene Faust von Max Fist (Joe Manganiello). Dieser säuft wie ein bodenloses Fass; hat aber eine abgefahrene Geschichte zu erzählen. Denn eigentlich ist Max ein Superheld, stammt aus einer anderen parallelen Dimension und verteidigte dort die Megacity Chromium – mit Superman-esken Kräften. Bei einem großen Kampf gegen die Schurkin Cleo Ventrik (Amy Seimetz) ist er versehentlich durch die Dimensionen geballert und landete auf der Erde – ohne Superkräfte. Zusammen mit Hamster und dessen Schwester Indigo (Zolee Griggs) zieht Max Fist trotzdem in ein Gefecht, gegen den örtlichen Drogenring und dessen Big Boss, called Der Manager (Glenn Howerton).

Krasser Neonlook, wummernde Synthie-Sounds, eingestreute Zeichentricksequenzen – ein hübsches Superhe lden -Pastiché und eine echte Indie-Perle (mit Ecken und Kanten). Wäre eigentlich hübsches Programmkino, läuft trotzdem nicht auf irgendeiner lokalen Leinwand, ist aber fürs Heimkino erhältlich. Archenemy ist der zweite Film der lose miteinander verknüpften Vortex-Trilogie von Autor und Regisseur Adam Egypt Mortimer. Erster Film ist der Supernatural Psychohorror Daniel Isn’t Real (dt. Der Killer in mir).

Studio 666: Party Time mit den Boo Fighters

Dave Grohl (selbst) möchte das zehnte Studioalbum der Foo Fighters in einer kalifornischen Gruselvilla recorden, weil der Sound da so super ist. Die blutige Massenmord-Vergangenheit stört niemanden und zack, es geht los! Kaum eingezogen, sieht sich die Band mit allerlei okkultem Mumbo Jumbo konfrontiert. Daves Schreibblockade löst sich im Zuge dessen in Wohlgefallen auf, dafür nimmt sein Hunger auf rohes Fleisch zu. Yeah – Horrorfilm!

Studio 666 applaudiert heftigst dem Effekt-Horrorfilm der 70èr und 80èr, inklusive absurd saftiger Splattereinlagen und dem ganzen Geistergedöns. Fans der Foo Fighters freuen sich auf die Band, dürfen aber keinen Musikfilm erwarten. Fans von Filmen, dürfen aber auch kein Schauspiel erwarten. Aber alle anderen haben womöglich eine entspannte und schmunzelige Zeit vor der Glotze.

The Batman: Gotham Noir

B ruce Wayne (Robert Pattinson) vigilantiert seit knapp zwei Jahren als Batman durch die Nacht und marodiert durch den Abschaum der Gothamer Unterwelt. Als der Riddler (Paul Dano) die Gothamer Machtelite ins Visier nimmt und seine chiffrierten Botschaften direkt an The Batman adressiert , beginnt eine kräftezehrende Ermittlung. Verwandte Seelen findet Batman dabei im Polizisten Jim Gordon (Jeffrey Wright), der vielseitig talentierten Diebin Selina Kyle / Catwoman (Zoë Kravitz) und seinem Butler und Vertrauten Alfred (Andy Serkis). Auf der Gegenseite zeigt sich die Mafia, in Form von Oswald Cobblepot / Pinguin (Colin Farrell) und Carmine Falcone (John Turturro) wenig begeistert davon, dass die Fledermaus so tief in der Vergangenheit herumschnüffelt.

Regisseur und Co-Skripter Matt Reeves inszeniert Gotham als Moloch, der in Dauerregen, Gier und Korruption ersäuft. Die Origin-Story bleibt uns diesmal erspart – Eltern tot, Kind traurig, Maske, Training, Fledermaus. Stattdessen steigen wir direkt ins dritte Jahr ein. Comic-Fans fühlen sich zurecht erinnert an Fledermaus - Geschichten wie The Long Halloween und Year Zero. Es ist eine Detektiv-Geschichte mit ordentlich Action – nicht umgekehrt. Nein, The Batman versucht nicht realistisch nach Maßstäben der realen Welt zu sein – ein Punkt, über den sich in der Nolan-Trilogie noch immer vortrefflich streiten lässt. Aber er wirkt in seiner Welt so plausibel, wie Blade Runner in der seinen. Drei Stunden Laufzeit sind gut investiertes Sitzfleisch. Robert Pattinson erinnert in seiner Iteration der Fledermaus, mit seiner Dauerdepression und seinem Tagebuch, deutlich an Rohrschach aus Watchmen – das passt gut ins Milieu eines Neo-Noir-esken Detektivfilms; man muss sich im Zweifel trotzdem erst einmal drauf einlassen. Ich vergebe drei Fledermäuse und zwei Fragezeichen auf einer Skala mit sechs Pinguinen. Guten Abend.

Indie Insights: Das Electronic Press Kit

Der Marktingzirkus kann einem natürlich auf den Senkel gehen, für Kurzfilm- und / oder generell Indie-Produktionen aus der Region wünsche ich mir trotzdem mehr davon! Begriffe wie Electronic Press Kit, also die digitale Pressemapp, klingen für Kleinstproduktionen vielleicht manchmal etwas abgehoben, sind aber ein e unkomplizierte Möglichkeit , um Reichweite oder auch Unterstützung beim eigenen Projekt zu bekommen. Minimalistisches Plakatmotiv bauen (Vorlagen gibt es online); drei, vier Bilder von der Produktion; Inhalt + Beteiligte – und dann zack, an DATEs, Volksstimme, MDR, Magdeburger News und auch direkt schon mal an die Programmkinos Studiokino, Moritzhof, OLi schicken. Das hilft bei der Vernetzung, macht aufmerksam und ganz ehrlich: in dieser Region ist nichts zu klein für eine Berichterstattung.

Hörbuch: Der schreckliche alte Mann

Der schreckliche alte Mann ist eine der vielen kultigen und klassischen Kurzgeschichten H.P. Lovecrafts. Drei Diebe wollen sich an dem Vermögen des titelgebenden Antagonisten bereichern und stoßen auf blutigen Widerstand. Als Audiosnack für zwischendurch (ca. 20 Minuten) empfehle ich heute die Hörbuchadaption, gelesen von Christoph Hackenberg.

Eure elektronischen Pressemäppchen schickt ihr natürlich zuerst an  rob@dates-online.de

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