Über:Buch

Nachgeschaut #83, Juni 2022 – Volles Programm: Ich hab mit Moritzplatz-Autor Jasper Ihlenfeldt über das Drehbuchschreiben und die 2. Staffel gesprochen. In den Indie Insights geht es um Filmförderung. Außerdem habe ich eine wunderbare Podcast-Episode zum Thema Drehbuch gefunden. Huch.

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Мир для України!

Für ein Wochenende Mitte Mai, lud das Team der Serie Moritzplatz zum letzten Drehtag der zweiten Staffel. Und das kann man sich als Kulturressort in MD eigentlich nicht entgehen lassen. Ich meine, was wäre die Alternative? Pressemeldung umtexten und veröffentlichen? Hach, diese verdammten Wochenendschichten. VS – das Q steht für Qualität.

Irgendwo Nähe Moritzplatz; e in versteckter Basketballplatz: Ein Kollege von MDF1 filmt eine Produktion des Offenen Kanals, in dessen Trubel ein mittelgewichtiger DATEs-Kolumnist herumtollt, Leute anquatsch t und Schnappschüsse macht – alle relevanten Medien vertreten. Die Aufnahmeleitung rauscht heran. Gepäck, Technik und überhaupt der ganze Kram ist im Bild und muss we g. Ich greife mir eine Stativtasche und meinen Thermosbecher – kein Schritt ohne Kaffee – und bewege mich mit dem Rest etwa 10 Meter zur Seite . Ein Groß der letzten Szene sei bereits abgedreht. Ich schnacke mit ein paar mir bekannten Gesichtern. Das Projekt Moritzplatz atmet Indie-Luft. „ Ruhe bitte“ – die Kamera läuft.

Ein paar Takes später schnappe ich mir Jasper Ihlenfeldt für einen kurzen Plausch.

Jasper Ihlenfeld t : Über Moritzplatz 2 , Drehbuch und Indiefilm

Auf der Website des OK wird er als „gestaltender Medienpädagoge“ geführt, was für mich hart nach einer seltenen Sammelkarte klingt. B ei Moritzplatz schreibt er seit Staffel 1 die Drehbücher, beziehungsweise „ das Buch“. Davon ist ständig die Rede und ich frage mich, ob das an der bereits angedeuteten kürzeren Laufzeit der 2. Staffel liegt, die aus drei Episoden bestehen wird. Hat sich da vielleicht ein Film im Gewand eines Serienprojekts versteckt?

„Ich glaube, es könnte auch als Film funktionieren. … Eigentlich versuchen wir schon drauf zu achten, dass jede Episode einen Spannungsbogen hat. […] eigentlich ist Staffel 1 eher ein Film als Staffel 2. […] Uns war schon wichtig es als Serie zu machen. [Weil] dieser Miniserien-Aspekt für uns schon wichtig ist und auch alle mehr Bock drauf hatten.“

Apropos „mehr Bock“. Da Moritzplatz jeweils in sich geschlossene Staffeln hat, bietet sich auf Seiten des Buches natürlich auch die Gelegenheit, neue Sachen auszuprobieren.

Wir machen ein m edienpädagogisches Projekt, das steht über allem. Aber wir wollen auch etwas Fiktives erzählen […], was irgendwie authentisch ist; was den Kids irgendwie was bedeutet. Ich hatte manchmal bei Staffel 1 das Gefühl, dass es doch schon an manchen Stellen ‘n bisschen preachy ist; a lso sehr klar, was wir sagen wollen, welche Werte wir vertreten. Was auch nicht schlimm ist, für so ‘ne Jugendserie, weil: Emotionen in der Jugend sind auch manchmal sehr klar. […] Aber mit Staffel 2 haben wir alle gesagt, […] lass uns Jugendkultur auch mal von den schlechten Seiten zeigen… den unangenehmen Seiten. […] Es ist weniger kuschelig, es wird auch mehr geflucht. […] Alles ist ein bisschen fieser.

Die Staffel wird also Grumpy Cat mit Slang im Jugendpräkariat – I guess. Würde ich das inszenieren, müsste man am Ende Kunstblut von den Wänden kratzen, ob einer potentiellen John-Carpenter-Hommage. Moritzplatz wird aus Fördertöpfen gefüttert. Wo ist da die Grenze, bezüglich des Zeigbaren?

So ‘ne richtige vorgegebene [Grenze] hat man da eben nicht. […] Diese Förderungen sind jetzt nicht direkt darauf ausgelegt, Filmprojekte zu machen. […] Deshalb haben die jetzt kein Pamphlet wo drin steht: ‚Hey, wenn ihr eine Serie dreht, dürft ihr DAS und dürft ihr DAS‘. Das heißt, man muss sich das irgendwie selbst zusammenreimen. […] Wenn die Hauptcharaktere […] sich selbstbewusster fühlen, als zu beginn der Staffel, ich finde, dann kann zwischendurch alles passieren. […] Wir wollen ja empowern und Selbstbewusstsein schaffen unter den Jugendlichen. Und wenn wir dann ‘ne Story erzählen, von wegen, hey die Welt ist super düster und total traurig in Magdeburg-Neustadt, dann geht’s halt nicht mehr weiter. […] Solange die Leute am Ende was gelernt haben, kann davor eigentlich alles passieren. […] Eine anderen Grenze ist, [….] Sachen, die wir nicht erfahren haben, haben wir auch bewusst nicht geschrieben. Da wir ja die Jugendlichen immer mit einbinden, ist das unsere Grenze beim Schreiben. Wenn das jetzt wirklich gar nichts mit der Lebenswelt der Teilnehmer:innen zu tun hat, dann schreiben wir es auch nicht.“

Überzeichnung, Dramatisierung im Sinne der Unterhaltung findet natürlich trotzdem statt. Dialoge sind in der Realität selten so auf den Punkt - #Treppenwitz. Aber die Lebenswelten der beteiligten Jugendlichen geben in der Drehbucharbeit den Spielraum vor.

Mobbing unter Freunden war schon ein großes Thema. […] Auch toxisches Verhalten in Freundschaftsgruppen und dass man dann schwer rauskommt, weil man in Abhängigkeiten steckt, in solchen Beziehungen. Das hat irgendwie jeden bewegt. Da hat jeder andere Beispiele gehabt. Und manche davon sind auch eins zu eins so im Drehbuch zu finden. […] Das war irgendwie ein sehr großes Thema, dieses Mal.“

Jasper hat über das Projekt Moritzplatz den Quereinstieg ins Screenwriting geschafft. Und der Schülerreporter in mir, wollte wissen, welchen Tipp er für Interessierte hat, die trotz Null-Budget etwas auf die Beine stellen wollen. Angaben ohne Gewähr.

Als Drehbuchautor hast Du es da nicht so schwer (lacht). Du brauchst eigentlich kein Budget zum Schreiben. Wirklich – vielleicht anfangen mit Schreiben, auch wenn man eigentlich Regie machen möchte. Da kann man alles erst mal schreiben, worauf man Bock hat, ob man Budget hat oder nicht. Ob man das dann finanziert kriegt – keine Ahnung. Aber ich glaube, es treibt einen mega an. […] Einfach mit irgendwas anfangen. Was ich ganz lange nicht gemacht habe. Wo ich auch immer super Respekt hatte. […] Das wird uns so beigebracht, dass es was total magisches ist und unerreichbar […] Dieses Elitäre am Film ist sowieso super störend. “

Wir haben knapp eine halbe Stunde gesprochen. Und das hier war wirklich die Quintessenz. Jasper schob auch nach, dass er in puncto Drehbuch ja selbst noch am Anfang steht und deswegen keine ‚falschen‘ Tipps geben will. Wir haben außerdem resümiert, dass man gelegentlich Respekt mit Ehrfurcht verwechsel t.

Respekt vor Film und Drehbuch zu haben, auch vor den Prozessen dahinter, ist vollkommen gerechtfertigt. Ich habe Respekt vor jedem Menschen, der sich über seinen Filmstoff Gedanken macht und anschließend ein Drehbuch baut. Aber Ehrfurcht kann zu einer unüberwindbaren Barriere werden, die womöglich eine ganze Reihe zukünftiger Autor:innen vor uns versteckt. Unnötig. Das Drehbuchschreiben ist ein Handwerk. Und ein Handwerk kann man erlernen. … Achso, wir haben auch resümiert, dass wir beide Filme von Kevin Smith geil finden, aber das klänge jetzt nicht so dramatisch, deswegen… u know.

P.S.: Meine Kritik zu Staffel 1 findet sich in Nachgeschaut #76, November 2021: Grab:Geflüster.

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Indie Insights: Finanzierung IIKulturförderung & Co.

Manchmal ist Zero Budget einfacher, weil unbürokratischer, aber nicht jeder möchte dauerhaft mit Kost & Logis abgespeist werden für Drehbuch, Kamera oder Regie abgespeist werden. Filme und Serien können ja durchaus einen kulturellen Anspruch haben. Liegt zwar immer im Auge des Betrachters, aber es gibt Möglichkeiten für eine Finanzierung auf dieser Grundlage. Bei der Stadt Magdeburg etwa, kann man Kulturförderung beantragen beziehungsweise sich um sie bewerben. Zu beachten gibt es viel, etwa Einreichefristen (30.09.) oder einen Finanzierungsplan. Wichtiger ist aber folgender Passus aus dem Merkblatt zu den Förderbereichen: „Filmprojekte und Filmvorführungen mit unmittelbarem Bezug zur Stadt und zur Region“. Einfach nur einen Horrorfilm zu drehen könnte schwierig werden; eine gut kalkulierte zehnminütige blutige Groteske über den Magdeburger Halbkugelversuch, mit dem Titel Otto kratzt ab hingegen – das könnte funktionieren.

Kleiner Tipp am Rande: Viele Unternehmen betreiben Kulturförderung, verschiedenster Art. Du hast ein Herzensprojekt? Dann wirf auch mal einen Blick auf die Website der Kulturförderung des Landes Sachsen-Anhalt, Punkt Alternative Förderung. Dort findest Du ein brauchbare Liste mit Unternehmen und Einrichtungen. Die Herausforderung: Oft reicht der Entertainmentgedanke nicht aus. Warum ist Dein Projekt relevant? Passt es in die angestrebte Außenwirkung der Unternehmen? Es gibt sicherlich die passende Förderung für Dein Film- oder Serienprojekt. Aber, ja, plane Zeit für eine anständige Recherche ein. Daumen sind gedrückt.

Podcast: Drehbuchschreiben in 23 Tagen

Passend zum Thema habe ich noch eine Podcast-Episode herausgesucht, die ich persönlich auch sehr bereichernd finde. Bei Indiefilmtalk zu Gast sind die Drehbuchautoren Robert Krause und Florian Puchert. Sie reden unter anderem über ihr Seminarkonzept Club 23, aber auch über die grundsätzliche Einstellung zum Skripten.

Wie wäre es mit einem Nachgeschaut-Podcast? Yay, nay oder einfach nur so gegenstandslose Pöbelei? Bitte an:  rob@dates-online.de

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