Katharina Wackernagel: "Wir fühlten uns reif genug"

by

© Résistefilm

Frau Wackernagel, was hat sich Ihr Bruder eingeworfen, als er das Drehbuch zum Film zu Papier brachte? (lacht) Jonas und ich haben einen sehr ähnlichen Sinn für Humor. Wir teilen eine Leidenschaft für Skurriles. Einwerfen musste er sich nichts, die Ideen sprudeln nur so aus ihm heraus. Durch die Konstellation, dass er das Buch geschrieben hat und ich die Regie hatte, konnte ich die Dinge vielleicht noch ein bisschen auf die Spitze treiben. Jonas hätte als Regisseur die eine oder andere Szene ein bisschen braver gestaltet. Wir haben uns also ganz gut dabei ergänzt, immer noch eine Schippe draufzulegen. Als ich mich dazu entschied, meine erste Regie zu machen, hatte ich große Lust, Sachen auszuprobieren, die ich als Schauspielerin in den Formaten, in denen ich mich bewege, so gut wie nie ausprobieren kann. Es war lustig, einfach mal auf die Tube zu drücken.     

© Résistefilm

Warum war die Zeit gekommen, um selbst bei einem Film die Zügel in die Hand zu nehmen? Das Buch gab es schon lange. Nach und nach hat sich das Gefühl eingestellt, dass ich mir das zutraue. Es ist schon ein Wagnis, wenn man ein Projekt wie dieses selbst produziert und finanziert, zumal auch im Ausland gedreht wird. Wir haben uns lange nicht rangetraut. Vorletztes Jahr kamen dann zwei Dinge zusammen. Ich habe immer gesagt, dass ich vor meinem 40-sten Geburtstag meine erste Regie gemacht haben will. Außerdem fühlten wir uns reif genug, um zu sagen, wir machen jetzt diesen Schweden-Norwegentrip und kriegen das hin. Gott sei Dank hat beides geklappt.

In Ihrem Film betrachten Sie die Welt des Autorenfilms mit heftigem Augenzwinkern, gleichzeitig greifen Sie dessen Stilmittel auf. Verbindet Sie eine gewisse Hassliebe mit Wenders, Herzog und Co.? Nee, von einer Hassliebe würde ich nicht sprechen. Ich finde diese Welt spannend und ich habe Respekt vor den Filmen, die diese Leute gemacht haben. Trotzdem ist es nicht die Art Film, die ich gerne mag. Was wir mit dem Autorenfilmer auf die Schippe nehmen wollten, war die Einsamkeit seines Tuns. Wenn jemand immer alles ganz wörtlich nimmt und sagt, man ist nur echter Autorenfilmer, wenn man alles allein macht, dann macht ihn das einsam. Das hat großes komisches Potential. In gewisser Weise trifft das bestimmt den einen oder anderen Autorenfilmer im Kern.  

Wie gestalteten sich die Dreharbeiten zur spektakulären Alk-, Tabletten- und Fetischorgie? (lacht) Das war ein sehr witziger Ausflug, weil wir an dem Tag eher im Videoclip-Modus gedreht haben. Es macht natürlich allen Spaß, neue Sachen zu erfinden. Licht und Kamera konnten nach Belieben Tricks ausprobieren. Natürlich haben wir nur Vi­tra­letten und Vitaminbonbons konsumiert.    

Ihre Eltern haben Gastauftritte im Film. Tut es gut, wenn die alten Herrschaften endlich mal nach Ihrer Pfeife tanzen müssen? Ach, bei uns herrschte nie das klassische Eltern-Kind-Verhältnis, bei dem man sich mit seinen Berufswünschen hätte auflehnen müssen.  Wir sind nie von unseren Eltern ermahnt worden, dass wir doch erstmal etwas „Richtiges“ lernen sollen. Die Konfrontation ist ausgeblieben, da beide am Theater waren und sind. Im Gegenteil, es gab schon immer das Bedürfnis, das zusammenzuführen. Ich habe früh angefangen, mit meiner Mutter Lesungen zu machen. Es käme uns fast komisch vor, einen Film ohne unsere Mutter zu machen.

Im Film spielen Sie eine Anästhesistin. Welche Art von Film ist dazu geeignet, Sie in Tiefschlaf zu versetzen? Ich will ja keine Kollegen dissen und mich auch nicht über die deutsche Filmlandschaft auslassen. Die eine oder andere deutsche Komödie wirkt bei mir eher schlaffördernd, als dass ich mich vor Lachen ausschütten kann. Ich finde, dass in Deutschland oft zu brav die klassische, amerikanische Komödie kopiert wird. Sie funktioniert und hat ihre Berechtigung, insofern ist alles in Ordnung. Aber ich wundere mich über die fehlende Lust, mehr auszuprobieren. Ein Kinobesuch wird immer mehr zum Event. Und deshalb muss man den Menschen etwas bieten, was sie zuhause auf der Couch nicht automatisch von Sendern und Streamingdiensten bekommen. Der Ausflug ins Unbekannte, Überraschende soll sich lohnen! So sehe ich das Kino. Und deshalb finde ich die deutsche Komödie oft ein bisschen lahm.

Im Film heißt es: „Wo führt es denn hin, wenn plötzlich jeder über Leben und Tod entscheiden kann?“ Welche Haltung vertreten Sie beim Thema Sterbehilfe? Jeder Mensch sollte absolut über sein Leben und seinen Tod entscheiden dürfen. Insofern befürworte ich auch die Sterbehilfe. Ich finde sie wichtig.

Ein anderes Zitat lautet: „Männer wollen Macht, Herr der Lage sein“. Entspricht das Ihren Erfahrungen? Unsere Figuren sind auf die Spitze getrieben. Unsere Nymphomanin sagt: „Ich bin einsam, weil ich eine Frau bin und alle denken, dass sie mich benutzen können.“. Wir haben zum Teil Phrasen gebraucht, um die Situation komisch zu überspitzen. Trotzdem ist immer ein Fünkchen Wahrheit dabei. Wie im Sprichwort: „Der Witz ist das Loch, aus dem die Wahrheit pfeift.“. Ich mag es gern, wenn man provokative Thesen in den Raum stellt. Einerseits ist die Situation absurd und man kann darüber lachen, trotzdem nimmt man das Thema mit nach Hause und man kann darüber nachdenken. Diese Mischung gefällt mir.

Sie sind immer gut beschäftigt, aber Kinoauftritte sind vergleichsweise rar. Sind Sie zu wählerisch? Nee. Für das Kino bekomme ich nicht so viele Angebote. Es ist schade, dass in Deutschland so viel in Schubladen gedacht wird, wer denn wohin gehört. Ich bin in ARD und ZDF recht gut etabliert. Ich weiß nicht, ob das die Kinomacher abschreckt. Den genauen Grund kenne ich nicht und ich bin auch nicht die Einzige, der es so geht. Aber ich bedaure das.

Machen Sie auch deshalb gern Ihr eigenes Ding? Das hat mit Sicherheit damit zu tun. Wenn man merkt, dass man aufgrund dieses Schubladendenkens nicht wirklich in der Lage ist, die schauspielerische Karriere so zu lenken, wie man möchte, dann mache ich eben mein Ding selbst. Das heißt nicht, dass mir die Fernsehsachen keinen Spaß machen. Ich habe supertolle Projekte abgekriegt, wie die Aenne Burda. Das war eine Traumrolle und eine traumhafte Arbeit. Aber so etwas fällt dir nicht jedes Jahr vor die Füße. Das hat mit Glück und dem Moment zu tun, man kann das wenig beeinflussen. Deshalb produziere ich und führe Regie. Ich würde diese Jobs aber nie ganz gegen die schauspielerische Tätigkeit tauschen, absolut nicht.    

Mit Ihrem Bruder haben Sie auch den Film „bestefreunde“ gemacht. Ist es das, was sie sind: Beste Freunde? Ja, das würde ich sagen. Wir sind das und mehr, dadurch, dass wir Geschwister sind. Wir haben einen so regen Austausch, dass man wirklich von besten Freunden sprechen kann.

Seit zehn Jahren ermitteln Sie in „Stralsund“. Macht das noch Spaß? Ja klar. Wie viele Kollegen, die Jahre an so einer Reihe mitwirken, suche auch ich nach Herausforderungen, die sich in den Büchern widerspiegeln. Man möchte als Figur neue Wege einschlagen können. Momentan bin ich in dieser Beziehung noch sehr guter Dinge.

Ist Ihnen Stralsund mittlerweile ans Herz gewachsen? Ja, irgendwie schon. Ich bin gern dort und überhaupt oben an der Küste. Stralsund hat sich in diesen zehn Jahren irrsinnig entwickelt. Es ist richtig pittoresk geworden. Man heißt uns herzlich willkommen und es herrscht eine wirklich schöne Arbeitsatmosphäre.       

Filmstart "Wenn Fliegen träumen": 27. Juni 2019        

Back to topbutton