Endzeittagebuch – Part II: 28 Texts later

Nachgeschaut #62, August 2020 – Das Kino feiert ein gruseliges Frühlingserwachen, mit „Unhinged“ und „The Witch Next Door“. Aus heimischem Anbau liefert „Gestrandet“ ein besonderes Erlebnis. Film ab.

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Hygienekonzept für diese Kolumne: Eine Kinokartenlänge Abstand zum Nachbarn halten!

Habe jetzt Bilder mit einer Zimmerpflanze gemacht. Schöne Bilder. Muss raus hier. Strauchele mit somnambuler Sicherheit ins Kino. Schiebe mich eine Treppe hoch; hinein in den Saal. Schmeiße meinen Bauch in den Stammplatz am Rand, der Schwung zieht den Rest von mir nach. Stelle Kaffee und Zuckerhaltiges auf den Treppenabsatz und nehme meine Maske ab. Schaue mich um. Bin alleine. Gruselig. Dann flimmert as Bild über die große Leinwand. Magie. Einen Film später verlasse ich den Saal. Ein maskierter Mensch kommt mir entgegen. Ist alleine. Gruselig.

Nur im Kino: Unhinged – Außer Kontrolle

Ach so, falls es jemanden interessiert, was ich da alleine im Kino geschaut habe: „Unhinged – Außer Kontrolle“, einer der ersten echten Neustarts nach dem Lockdown. Russell 'Gladiator' Crowe spielt einen Psychopathen mit Fatsuit-Megawampe, der die junge Mutter Rachel (Caren Pistorius) stalkt und deren Freundes- und Familienkreis dezimiert. Grund: Sie hat ihn im Straßenverkehr fies angehupt!. Der Logik folgend, hätte der Streifen auch „Kreisverkehr – Ein Tag am Hassel“ heißen können.

Klar, die Story könnte eins zu eins aus dem Grindhousekino der Siebziger sein, aber Spaß macht er allemal; vielleicht auch weil er sich nicht selbst zerdenkt. Und das ist eben die Handschrift von Drehbuchautor Carl Ellsworth. Der hat erstens schon lange nix mehr geschrieben und zweitens davor auch recht simple Genre-Rip-offs, wie „Disturbia – Auch Killer haben Nachbarn“ (2007) oder den... ach, keine Ahnung was das sein sollte... jeden falls hat er auch das Remake „Red Dawn“ (2012) geschrieben. Ellsworths simple Mechanik, „normal guy/girl has a very bad day“, funktioniert bei „Unhinged“ ausgesprochen gut. Denn Caren Pistorius' Rachel ist auch einfach nur eine von vielen überforderten US-Amis, die versucht mit ihrem pubertierenden Sohn zu menscheln, ihre Familie nicht ganz abzufucken und dabei über die Runden zu kommen. Und – unter uns beiden – mit dieser Rolle überzeugt mich Pistorius wesentlich schneller, als mit ihrer „Pandora Shaw“ im Steampunk-Kassenflop „Mortal Engines“. Kurz: „Unhinged“ sollte zum Pflichtfilm bei jeder Führerscheintheorie werden!

Filmnews: Tenet startet am 26. August; Horror im August

Christopher Nolans Zeitreise-Agenten-Thriller „Tenet“ soll nach langem Hin und Her nun am 26. August in den deutschen Kinos starten. Spannender Release-Taktik: Ursprünglich sollte der Film Mitte Juli starten, dann Ende Juli, dann Mitte August, dann gar nicht mehr und nun eben Ende August. Egal wie: Das wird bestimmt ein ganz ganz toller Film. Michael Caine heult sicherlich irgendwie an der Kamera vorbei und die streicherlastige Musik untermalt einen Plot, den Christopher Nolan wie üblich außerhalb des Films erklären muss, damit ihn einer vollends versteht. Viel Spaß.

Da große Blockbuster wie „Tenet“ gerade die Ausnahme sind, fallen vor allem die kleineren Streifen wieder mehr auf. Und mir ollem Horror-Aficionado springen da gleich zwei Titel ins Gesicht. „The Witch Next Door“ (OT: „The Wretched“) scheint ein Okkult-Horror mit Achtziger-Attitüde zu sein. Gesehen habe ich ihn selbst noch nicht; wegen fehlender Pressevorführungen und so. Blut, Schatten, Symbole – alles dabei. Für die Autorenfilmer/Brüder Brett und Drew T. Pierce ist die Corona-Situation übrigens ein wahrer Glücksfall. Ursprünglich wurde ihr Film nämlich direkt in Auto- und Heimkino ausgewertet; jetzt läuft er in großen Kinoketten und hielt sich sechs Wochen an der Spitze der Charts.

Ähnliches „Glück“ hatte auch der Geister-Film „Body Cam – Unsichtbares Grauen“. Der Streifen, um eine Gruppe Polizist*innen in Luisiana, die von einem Geist verfolgt werden, wurde in den USA coronabedingt vom Spielplan geschubst, darf hier aber im Kino laufen. Juchuuu.

Indie-Szene: Gestrandet; The Climb; Corona_Experience

Meine Kolumne klänge oft zu negativ; raunte es neulich. Okay. Verstanden. Dann was Kuscheliges: Im April 1945... uh, kalt erwischt? Robert Hirschmanns „Gestrandet“ erzählt die Geschichte deportierter Juden, die auf halbem Weg, in Farsleben, von den Alliierten befreit werden. Der Silhouettenfilm ist exzellent inszeniert und mit ein paar Euro Budget hätte man die Grafik sicherlich noch abrunden können. Schmälert den Genuss aber nicht. Bräuchte ich den Stil über 90 Minuten? Nö. Aber verdammt, als Kurzfilm holt Dich das Ding ab. Chapeau. Ich schaue mir die überarbeitete Fassung übrigens im August an; inklusive neuer Musik. Ihr euch vermutlich nicht; #geschlosseneVeranstaltung. Aber ich berichte gerne.

Studiokino-Gänger können „The Climb“ schauen. Ich bin vermutlich auch da, weil ich bisher auch nur den Trailer kenne. Aber toxische Freundschaften, Verrat und Freunde, die einem sagen, wenn man fett geworden ist – kann ich mich erst einmal mit identifizieren. Bin dabei, wer noch?

Im Offenen Kanal indes wird fleißig weiter an der neuen Serien „Moritzplatz“ gewerkelt. Wem Corona-Geschichten noch nicht über sind, der kann gerne mal einen Blick auf die Reihe „Corona_Experience“ in der Mediathek vom Offenen Kanal werfen. In kurzen und knackigen Vlogs gibt's Covideos von Freiwilligen, Mitarbeitern, etc. Für jeden, der mal unter den Tellerrand schauen will.

Silhouetten, Nazis oder Corona-depressive Kolumnisten? Was ist Dein Must-Have in diesem Sommer? Und hast Du selbst gerade ein Projekt am Start? We have a look: rob@dates-online.de

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