Der alte Mann und das Mimimi

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© Gillert

„HALT! Bevor euer Blick nun rüber zu den Filmreviews des Kollegen wandert, riskiert ihr gefälligst einen Blick auf diese neue, totschicke und absolut unentbehrliche Filmkolumne.“ Kennt keiner mehr; ist schon fünf Jahre her. Zwei Berliner Start-ups, in Hipsterjahren. Oder ein unbezahltes Praktikum, in Irgendwas-mit-Medien-Jahren. Ist jetzt jedenfalls die fünfzigste Kolumne – supi supi, toll toll toll!

Zurück zur Toilette und dem Tagesgeschäft: Dirty Dancing läuft kurz im Kino; zumindest vereinzelt – warum auch immer. Endlich wieder die volle Packung Ramontik; inklusive verhaltensauffälligem Tanztrainer, Abtreibungsdrama und teilemanzipierter Melonenträgerin. Im August startet aber auch Toy Story 4 im Kino. Hierzulande allerdings unter dem, zum fremdschämen bekloppten, Verleihtitel „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“. Und wenn du nach "Dirty Dancing" endlich wissen willst, wie richtige Romantik aussieht, bist du in diesem Animationsfilm richtig. Toycowboy Woody (wieder)entdeckt auf offener Straße seine große Liebe Porzellinchen. Die ist mittlerweile von der braven Schäferinnen-Statuette zur Kampfamazone mutiert. Richtig so. Frauenpower und so weiter. Und wie schon seine Vorgänger, behandelt auch „Toy Story 4“ unbequeme Themen, vor allem „Abschiedsschmerz“. Jugend ist kein Dauerzustand. Nimm' die Kinder ruhig mit, aber ich hatte alleine mehr Spaß im Saal. Sonst fragen die Bälger auch immer gleich:

„Warum weinst du?“

„Das ist wahre Liebe. Das kennst du nicht, du fünfjährige Kaufentscheidung!“

© Disney_Pixar

Im Programmkino entdecken wir gerade Regisseure, die normalerweise bedingungslos zu genießen wären, jetzt aber vielleicht das erste Mal, an der Rückseite ihres Zenits kratzen. Die Zombie-Satire „The Dead Don't Die“ von Jim Jarmush (Ghost Dog) ist toll besetzt – wir alle lieben Bill Murray – aber der Film krankt am gleichen Problem, wie ein mittelmäßiger Strip-Schuppen: Man hat das Alles schon gesehen und nichts davon zieht dir richtig die Hose aus. Auch Independentfilm-Bolide Danny Boyle (Trainspotting), liefert mit „Yesterday“ einen eher mittelmäßigen Beatles-Musikfilm ab. Nicht jeder Schmu wird mit Kultmusikgewichse besser; verweise an dieser Stelle gerne nochmal auf die Strip-Club-Parabel.

Apropos „Stripclub“: Was macht eigentlich Charlie Sheen? Nichts. Zurecht. Aber sein noch immer unterschätzter Bruder Emilio Estevez (Breakfast Club) liefert mit Ein ganz gewöhnlicher Held eine Ode an Menschlichkeit und öffentliche Bibliotheken ab. An dieser Stelle verkneife ich mir gerne irgendwelche halbgaren Daddywitze, darüber, dass 'die Jugend' keine Bibliotheken kennt. Im Bedarfsfall ein Hilfsbild: Bibliotheken sind die Orte, in denen John Wick, einem Typen den Kiefer mit einem Buch zertrümmert hat. You're welcome! In „Ein ganz gewöhnlicher Held“ (OT: The Public), rettet der Bibliothekar Stuart (Emilio Estevez) Obdachlose vor dem Kältetot, lässt sie zuhauf im öffentlichen Bücherpalast schlafen und ruft damit Presse, Staatsanwaltschaft und Polizei auf den Plan. Ein Vorzeigestück mit Güteklasse-A-Besetzung: u.a. Jena Malone (Neon Demon), Christian Slater (Mr. Robot). Der Streifen läuft unter anderem im Moritzhof.

© 24 Bilder

Die Indie-Band „Reiche Söhne“ gewann 2018 den SWM Talentverstärker und damit den Hauptpreis: eine Musikvideoproduktion. Im Song Dicke Hipster geht es um die Kausalität zwischen dem Körperkult des... Spaß, es geht um dicke Hipster! Matthias Fritsche zeichnet für Konzept und Produktion verantwortlich. An mir persönlich ist das Trendthema „Miniature Cooking“ zwar komplett vorbeigegangen, aber es ist wohl ein ebensolches. Wichtig: Die komplette Mini-Kulisse hat er (fast) alleine gebaut. Und das Gekoche ist auch echt. Pure Magie. Ich meine, es gibt Leute, die reißen sich schon beim Aufbau eines Billy-Regals einen Fingernagel ab – Erlebnis frei erfunden. Im Normalfall liefert Matthias, mit seiner Filmproduktion „lichtempfindlich“ Wirtschaftsfilme verschiedenster Art ab. „Der Rest ist Kunst und Leidenschaft“, erzählt er im kurzen Gespräch.

Da du den Ökohipstern, mit ihrem Print-Fetisch voraus bist, liest du meine Kolumne natürlich online. Deswegen kannst du das Musikvideo auch direkt anschauen. Film ab:

In der lokalen Filmszene suchen sich schon wieder Leute. „Ich will was machen“, höre ich von allen Seiten. Ja, dann macht doch. So viel Talent, hier in Magdeburg, so wenig Connections. Sagt mir einfach Bescheid – ich verdrahte euch: rob@dates-online.de

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