Halloween V - Part II: Novembergrauen

Nachgeschaut #65, November 2020 – Corona ist nur einmal im Jahr. Scheinbar dieses Jahr. Wir sind vorbereitet und packen spontan ein paar Streamingtipps oben drauf. #JeSuisCulture

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Hygienekonzept für diese Kolumne: ...ist egal, Lockdown ist ja trotzdem!

Es kam bisher noch nicht vor, dass ich die Online-Variante meiner Filmkolumne ganz neu stricken musste, weil die Heft-Variante binnen zehn Tagen obsolet geworden ist. Aber weißte was? Wir knüpfen einfach nahtlos an den letzten Monat und auch an Halloween an. Denn wenn ich nach draußen schaue und sehe, wie auch tagsüber ganze Straßenzüge totenstill daliegen, dürstet es mich nach Horror und Grusel.

The Mortuary: Geschichten vor der Gruft

Im Mainstream läuft aktuell mit „The Mortuary“ ein wunderbarer Episoden-Horror alter Schule. Die junge Sam bewirbt sich um einen Aushilfsjob bei Bestatter Monty Dark, gespielt von unser aller Lieblingskinderschreck Clancy Brown. Dieser skizziert der Dame in drei moralisch wertvollen Geschichten nun Geschichten von Monstern in der Wand, platzenden Penissen und Mord mit Hindernissen. Zum krönenden Abschluss gibt Sam noch selbst eine Story zum Besten, die von Babysittern und Eindringlingen handelt. Wer einen legitimen Nachfolger für „Geschichten aus der Gruft“ sucht, könnte hier fündig geworden sein.

Mit ein bisschen Glück läuft der Film nach Wiederöffnung der Kinos noch einmal im Kino. Ansonsten kann ich mir den auch wunderbar mit 'ner heißen Schoki auf der Couch vor der Glotze vorstellen!

Cortex: Von einem der auszog das Träumen zu lernen

Mit „Cortex“ legt Schwiegermutterträumchen Moritz Bleibtreu sein Drehbuch- und Regie-Debüt vor. Familienvater und Kaufhaus-Security Hagen (auch Bleibtreu) leidet an Schlafstörungen. Seine Träume sind so intensiv, dass er tagsüber gerädert ist. Irgendwann kann er nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden. Die Situation verschärft sich, als er eines Tages im Laden den Kleinkriminellen Niko (Jannis Niewöhner) sieht. Den kennt Hagen nämlich schon aus seinen Alpträumen, in denen er abwechselnd entweder mit Niko die Rollen tauscht oder in denen Niko eine Affäre mit Hagens Frau hat. Niko hingegen glaubt felsenfest, dass er eigentlich Hagen ist.

Das „Traum und Realität verwischen“ kennen wir zu Genüge aus „Dark Side of the Moon“, „Der Maschinist“, „Stereo“ und natürlich „Memento“. So richtig neu ist das also alles nicht. Und wer hofft, dass sich die Story am Ende in einem clevere Twist aufdröselt, wird auch enttäuscht werden. Das Buch hat mich jetzt nicht so weggeblasen. Aber die Inszenierung ist definitiv Gold. Neo-Noir-Stimmung, Dauerregen, Gangster auf Krawalltour und dank Komponist Erwin Kiennast ein düsterer Score mit Chor, Streichern und allem Zipp und Zapp. Sicherlich wird „Cortex“ bei Wiedereröffnung der Kinos noch einmal laufen. Dann solltest Du dringend einen Blick riskieren.

Lovecraft Country: Zwischen Tentakeln und brennenden Kreuzen

Atticus Freeman (Jonathan Majors) sucht seinen Vater. Als junger Schwarzer in den USA der Fünfziger. Zusammen mit seiner Jugendfreundin Leti (Jurnee Smollett) und seinem Onkel geht er auf einen Road Trip durch die Südstaaten, bei dem rassistische Kleinstadt-Sheriffs genauso lebensbedrohlich sind, wie schleimige Wesen aus einer anderen Welt.

Die Adaption des gleichnamigen Romans von Matt Ruff nutzt Motive, Monstren und Objekte aus der Mythologie, die Horrorikone H.P. Lovecraft seinerzeit etablierte, unterstreicht aber auch den problematischen Rassismus in dessen Werken; vgl. „Schatten über Innsmouth“. Man darf aber eben keine Lovecraft-Verfilmung erwarten. Wenn es in einer Episode plötzlich um Geisteraustreibungen geht, ist das trotzdem eine coole Episode, hat aber mit Lovecraft'scher Lore nur wenig zu tun. Obwohl überwiegend solide, kann die Serie seitens der Effekte ihre TV-Herkunft oft nicht verbergen. Da überzeugt nicht immer alles. Produzent Jordan Peele, der als Autorenregisseur bereits mit „Get Out“ und „Wir“ Genre- und Gesellschaftskritik zusammenbraute, schafft mit seinem Team auch bei „Lovecraft Country“ den Rassismus als echte Horrorgestalt zu etablieren.

Die Serie läuft derzeit auf Sky.

Jugend-Video-Preis 2020: Digital, aber nicht egal

Nein, normal ist in diesem Jahr gar nichts. Nicht mal die 26-jährige Tradition „Jugend-Video-Preis“. Konnte ich bei Redaktionsschluss für das DATEs-Novemberheft wenigstens noch von einer Hybridveranstaltung im Moritzhof mit wenigen Zuschauern berichten, hat sich die Situation Lockdown-bedingt geändert. Der Jugend-Video-Preis 2020 wird eine reine Online-Live-Veranstaltung. Ist verantwortungsbewusst. Obwohl mir das Gedränge zum Ausgang und der Sturm auf das warme Buffet trotzdem fehlen werden. Ich persönlich freue mich trotzdem tierisch drauf. Auch weil ich dieses Mal etwas aktiver dabei sein werde, als die letzten Jahre. Juchei!

B.Moller: Retro-Flair in 4:3

Und zu guter Letzt noch etwas in eigener Sache. Die Band „Federhall“ hat 2019 als „Dessert Sweet“ den SWM Talentverstärker gewonnen. Cool. Als Gewinn gabs eine Musikvideoproduktion zu gewinnen. Fetzig. Dass ich das Musikvideo zu dem Song „B.Moller“ skripten und inszenieren durfte, ist schon jetzt eines meiner persönlichen Highlights 2020. Wer Bock auf Retro-Pomp und Videotheken-Gruselflair hat, darf mal einen Blick und Horch riskieren.

Und Du hast auch einen Horrorfilm gedreht? Oder etwas anderes? Redebedarf? Tell it: rob@dates-online.de

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