Halloween V

Nachgeschaut #64, Oktober 2020 – In diesem Jahr wollen wir das Gruselfest zelebrieren, wo doch gerade sowieso überall so seltsame Gestalten durch Politik und Straßen geistern. Schaurige Filmtipps und Hörspielempfehlungen.

by

Hygienekonzept für diese Kolumne: Bitte dem Kürbis eine Maske aufsetzen!

Bin gerade durch den Dammi gefahren und hab mit Erschrecken festgestellt, wie bescheuert die Situation eigentlich ist: Da kann ich meinen bequemen Arsch endlich direkt vors Kino kutschieren, aber dann ist da plötzlich noch das große C und ein marginales Filmangebot. Bin deshalb gerade meine alten Oktober-Kolumnen durchgegangen, um mich ausredehalber mehr mit dem Startdatum unabhängigeren Thema „Halloween“ zu beschäftigen. Dabei fiel mir auf, dass ich mich das ein ums andere Jahr um das Kürbisfest herumgedrückt habe. Aber nicht in diesem Jahr! Diesmal gibt es ein, zwei aktuelle Filmsichtungen und dann geht es weiter mit einer Liste adäquater Heimunterhaltung für Aug und Ohr.

Pelikanblut: Der bessere Systemsprenger

Im Programm- und Mainstreamkino läuft „Pelikanblut“, eine Art Adoptionsdrama mit Versatzstücken des Western- und des Grusel-Genres inszeniert. Für mich der bessere „Systemsprenger“.

Wiebke (Nina Hoss) ist alleinerziehende Mutter einer Adoptiv-Teenager-Tochter, richtet auf ihrer Ranch Pferde für den Polizeieinsatz ab und adoptiert – gegen den guten Rat ihrer Freunde – die fünfjährige Raya (Katerina Lipovska) aus Bulgarien. Letzteres tut sie übrigens auch aus Protest, weil die deutschen Behörden ihre Adoptionsanfragen ablehnen. Die anfänglich knuddelsüße Raya entwickelte sadistische Züge; terrorisiert Gleichaltrige. Diagnose: traumabedingte Empathielosigkeit. Das Kind hat die selbe Sozialkompetenz wie Jeffrey Dahmer – Glückwunsch.

Autorin und Regisseurin Katrin Gebbe hat da etwas ganz feines Zusammengebaut. An anderer Stelle habe ich für den Film den Begriff „Elevated Drama“ benutzt; in Anlehnung an die neuartige Genrebezeichnung „Elevated Horror“. Letzteres beschreibt Filme wie „Midsommar“ oder „Hereditary“, die ihre Horrorgeschichten mit tiefen Psychodramen durchsetzen, um mehr als 'nur Horror' zu liefern. „Pelikanblut“ ist folglich das Gegenstück dazu. Katrin Gebbe durchsetzt das Psychogramm einer Alleinerziehenden mit Horror- und Western-Elementen und liefert ein unterhaltsames Genre-Drama ab. Das ist am ehesten, so man denn möchte, mit „Der Babadook“ (2014) vergleichbar. An dieser Stelle ein definitiver Filmtipp.

In Berlin wächst kein Orangenbaum: Zurecht.

In der Sneak Peek im Cinemaxx hab ich neulich per Zufall „In Berlin wächst kein Orangenbaum“ geschaut. Häftling Nabil kommt nach 14 Jahren vorzeitig aus dem Gefängnis, weil er sterbenskrank ist. Zwei Begegnungen später ist er mit seiner Tochter auf dem Weg nach Berlin, um Geld einzutreiben, das ihm sein Ex-Buddy schuldet.

Der Film ist das Drehbuch- und Regie-Debüt von „4 Blocks“-Gangsterboss Kida Ramadan. Dass ich mit dem Film nix anfangen kann, ist zweifelsfrei eine Geschmacksfrage. Ich zum Beispiel mag Filme mit glaubwürdigen Charakteren und einer coolen Geschichte. Gastauftritte von Frederick Lau und Tom Schilling sind nett gemeint, wirken aber wie fehlplatzierte Eyecatcher.

In Berlin wächst kein Orangenbaum – aber das ist ok, denn einen Blumentopf wird damit auch niemand gewinnen.

Die Wolf-Gäng: Grusel-Klamauk für Kids

Im Moritzhof läuft unterdes „Die Wolf-Gäng“, nach der gleichnamigen Jugendbuchreihe von Der-macht-doch-diesen-Gruselkram-Autor Wolfgang Hohlbein. Wer seine Kids an das Thema Grusel heranführen will, darf mal reinlinsen. Vampirjunge Vlad (Aaron Kissiov) kommt auf ein Internat für junge Monster, trinkt selbst allerdings kein Blut. Zusammen mit einem Werwölfchen (Arsseni Bultmann), der an einer Tierhaarallergie leidet und einer Fee (Johanna Schrami) mit Flugangst ergibt sich eine hübsche Misfits-Story auf Deutsch – kartoffeltypisch mit viel Klamauk, großen Augen und okay'en Effekten.

The Babysitter I+II: Feinste Okkult-Slash-Trash-Hommage

Im Heimkino (Netflix) empfehle ich das Doppel „The Babysitter“ und „The Babysitter: Killer Queen“; Slasher-Comedys und Kurzweilgaranten. Der Zwölfjährige Cole (Judah Lewis) ist in seine Babysitterin Bee (Samara Weaving) verknallt. Das ändert sich, als er feststellt, dass Bee und ihre Clique verkappte Satanisten-Schlitzer sind und ihm ans Leder wollen. Zwei Jahre später trifft er erneut auf den Meuchel-Mob, muss sich aber zusätzlich für die Ereignisse des ersten Teils rechtfertigen.

Ist das nun hohe Filmkunst? Nö. Aber muss es ja auch gar nicht. Regisseur McG ist Action-Handwerker von Beruf, hat den unterschätzten „Terminator: Die Erlösung“ inszeniert und weiß, dass er Style over Substance inszeniert. Und das ist mir doch dreimal lieber, als der nächste verkappte Orangenbaumfilm mit triefendem Pathos.

Nachgehört: Hörspieltipps für Halloween

Für die Ohren darf ich diesmal die „Gruselkabinett“-Folge 152 von Titania Medien empfehlen. In „Das Ding“, nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von George Allan England, macht ein außerirdisches Wesen Jagd auf eine Gruppe Wissenschaftler, anno 1930, irgendwo in der Nähe des Hudson Rivers. Die Inszenierung ist atmosphärisch dicht, unaufgeregt und erinnert im allerbesten Sinne an Sci-Fi-B-Movies der 50er und 60er. Ideal, um in einen griemeligen Herbsttag zu starten.

Ansonsten kann ich die Indie-Hörspiele „Mole“ empfehlen. Anfang des 20. Jahrhunderts machen sich namenlose unterirdische Kreaturen bemerkbar, indem sie Menschen ins Untererdreich ziehen und danach nur riesige Hügel zurücklassen. Infolge nennt man die Monstren „Mole“. In bisher vier Episoden darf man den Schicksalen verschiedener Protagonisten lauschen. Dabei gibt es wohldosierten Grusel und ein wirklich wunderbares Sounddesign. Winziges Overacting bei den Stimmen ist verziehen, in Anbetracht des sonst hohen Standards.

So, nun hab ich hier meinen Teil abgeliefert, jetzt bist Du dran. Du drehst einen Horrorfilm? Du drehst einen anderen Film? Jemand den Du kennst dreht einen Film? Tell it: rob@dates-online.de

Back to topbutton