The Walk - Ein Gespräch mit Joseph Gordon Lewitt

© Sony Pictures Releasing GmbH

Robert Zemeckis‘ Film „The Walk“ erzählt die wahre Geschichte des Franzosen Philippe Petit, der am 07. August 1974 auf einem Stahlseil in mehr als 400 m Höhe zwischen den Türmen des World Trade Centers balancierte. Den darstellerischen Drahtseilakt wagte Schauspieler Joseph Gordon-Levitt, der einem großen Publikum aus Filmen wie „The Dark Knight Rises“ oder „Inception“ bekannt ist. Demnächst wird der 34-jährige in der Titelrolle von Oliver Stones Politdrama „Snowden“ zu erleben sein.

Mr. Gordon-Levitt, sind Sie auch im wahren Leben schwindelfrei?

Ich glaube, dass wir alle die Angst vor großen Höhen in uns tragen. Man muss nur hoch genug steigen, um diesen Adrenalinschub zu bekommen. Ich persönlich bilde da keine Ausnahme.

Also würden Sie nicht wirklich in Philippes Fußstapfen treten?

Nein. Ich habe noch nie für irgendetwas mein Leben riskiert. Und dafür schätze ich mich glücklich.  

Wie lange hat es gedauert, bis Sie tatsächlich auf dem Seil laufen konnten?

Philippe hat darauf bestanden, dass er es mir persönlich beibringen würde, dass ich nach acht Tagen selbst auf dem Seil balancieren würde. Tatsächlich war ich nach diesen acht Tagen dazu in der Lage, auf dem Seil zu balancieren.

Wie hoch war Ihr Seil?

Man beginnt mit einer Tape-Markierung auf dem Boden. Dort lernt man, die Füße richtig zu setzen. Dann wagt man sich auf ein Seil, das nur wenige Zentimeter über dem Boden gespannt ist. So trainiert man Auf- und Abgang und die Balance. Am Ende des Trainings war es knapp zwei Meter hoch, bei den Dreharbeiten schließlich 3,60 m. Sie wären überrascht, wie furchteinflößend schon so eine geringe Höhe sein kann. Ich habe die Angst gespürt. Ich denke, das war meiner Darstellung förderlich.

Gab es Unfälle?

Nein, da kann ich nichts berichten. Entschuldigung! (lacht)

Haben Sie mit Philippe darüber gesprochen, warum er diesen Coup unbedingt landen wollte?

Die Frage nach dem Warum beantwortet er nie. Wenn ich seine Persönlichkeit interpretieren soll, dann hat es wohl mit Liebe zu tun. Liebe lässt sich nicht erklären, sie findet jenseits der Worte statt. Deshalb spricht Philippe wohl nie darüber. Manchmal beschreibt er sein Verhältnis zu den Zwillingstürmen als eine Liebesbeziehung. Mit seiner Idee verhält es sich wohl ähnlich.

Haben Sie das World Trade Center noch selbst kennengelernt?

Ja. Tatsächlich war ich im Juli 2001 auf seinem Dach. Ich hatte gerade mein erstes Jahr an der Universität abgeschlossen und wohnte in New York. Da gehörte es zum Pflichtprogramm, einmal von oben herunterzuschauen. Es fühlte sich an, als befände man sich direkt im Himmel als „nur“ auf einem hohen Gebäude. Als sich der Anschlag ereignete, war ich in einer Vorlesung. Ich kann mich sehr gut daran erinnern.

Waren die Dreharbeiten physisch anspruchsvoll?

Ja, es war die wohl größte Herausforderung meiner bisherigen Karriere, physisch und mental. Französisch zu sprechen war ebenso anspruchsvoll wie die Verkörperung dieses Typen, der so intensiv und so getrieben ist, auf der einen Seite brillant und auf der anderen Seite dem Wahnsinn nahe. Ich stelle mich gern Herausforderungen. Dieser Film war definitiv eine solche.

Gehört es zu den besten Seiten Ihres Jobs, die echten Menschen hinter den Geschichten zu treffen, wie Philippe Petit oder Edward Snowden, den Sie danach verkörpert haben?

Natürlich ist es sehr inspirierend, diese Menschen zu treffen. Für fiktionale Charaktere muss man viel hinzuerfinden. Wenn ich Leute wie Edward Snowden treffe, dann schaue ich genau hin, beobachte und absorbiere sie. Das verschafft mir einen wahren Reichtum an Quellenmaterial.

Bekommen Sie keinen Ärger, wenn Sie Edward Snowden spielen, den in Ihrem Land viele für einen Verräter halten?

In den USA wird er kontrovers gesehen, ja. In Deutschland scheint mir das anders zu sein. Ich habe ein paar Monate hier gelebt, große Teile von „Snowden“ wurden in der Bavaria Filmstadt in München gedreht. Es sieht so aus, als wären in Deutschland viele Leute dankbar dafür, was Snowden getan hat. Ich bin es auch. Wenn die Regierung Geheimnisse hat und lügt, um diese Geheimnisse zu schützen, dann hat das nichts mehr mit Demokratie zu tun. Ich bin ihm dankbar dafür, dass er diese Diskussion angestoßen hat. Vor ihm haben wir nicht über diese Dinge gesprochen. Wir konnten es gar nicht, weil wir die Fakten nicht kannten.

Kann man Philippe Petit und Edward Snowden vergleichen?

Es gibt durchaus Vergleichspunkte. Sie haben beide großes Risiko auf sich genommen, um etwas zu tun, dass sie für richtig hielten. Natürlich sind sie auch sehr unterschiedlich. Philippe ist mehr ein launenhafter Künstler, Snowden ist ein logisch handelnder Ingenieur. Aber sie haben beide großen Mut bewiesen.

Das Interview führte André Wesche.

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