Eine Frage der Perspektive

Für ihre Erzählung „Das Land hinter der Mauer” recherchierte Sophia Alt intensiv in Magdeburg. Ihr Blick auf die Stadt hat sich dabei gehörig verändert.

by

© Mathias Holewa

Die Wiedervereinigung Deutschlands war eine Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit. Den Mauerfall hat Sophia Alt selbst nicht miterlebt. Geboren 1994 in einem kleinen Ort in Hessen, hörte sie aber bereits als Kind Geschichten über die Perestroijka in der Sowjetunion, denn Ihre Mutter stammt von dort. So ist sie schon früh mit der Sowjetkultur in Berührung gekommen. Als sie 2014 ihr Studium an der OVGU begann, erinnerte sie das Stadtbild an die breiten Straßen Russlands. „Ich habe auch eine Ähnlichkeit in der Mentalität entdeckt und gemerkt, dass der Geist der DDR noch in den Köpfen steckte,” Diese alten Denkgewohnheiten von Ost und West ließen sie nicht los. „Ich wollte mehr über die Zeit erfahren und herausfinden, was 40 Jahre Sozialismus mit der DDR-Bevölkerung gemacht haben.” Auf der Suche nach Antworten entstand die Idee für ihr Buch. Sie führte Gespräche mit Rentnern im Park und Eltern von Kommilitonen. Dabei eröffneten sich sehr gegensätzliche Blickwinkel. „Ich habe mehr Nostalgie erwartet, wahrscheinlich, weil ich von Zuhause ein sehr idealisiertes Bild kannte.” Über allem schwebte die Frage: Darf ich über so ein Thema schreiben, obwohl ich es selbst nicht miterlebt habe? Denn nicht alle Reaktionen waren positiv. „Die Menschen waren teilweise sauer und fühlten sich damals nicht ernst genommen. Eine Frau war verärgert, ich würde ihr ihre Geschichte wegnehmen.” Doch es gab auch positive Rückmeldungen. „Es kamen Menschen zu mir, die sich freuten, dass ich mich des Themas annahm.” Ihr Buch ist als Erzählung geschrieben. Den Denkanstoß für ihren Protagonisten Andreas erhielt sie in einer Selbsthilfegruppe für Stasi-Kinder. Als Sohn eines Stasi-Mitarbeiters hat er ein klares Weltbild: Sozialismus ist gut und alles was aus dem Westen kommt ist schlecht. Erst die Bekanntschaft mit dem Punker Ronny bringt Andreas‘ Weltbild ins Wanken.

„Durch meine Nachforschungen hat sich auch mein Blick auf Magdeburg verändert“, sagt sie heute. „Je öfter ich durch die Stadt gelaufen bin und die Leute angeschaut habe, fragte ich mich: Wie alt waren sie, als die Grenze geöffnet wurde, was haben sie erlebt?” So wurde die Stadt für sie bunter, denn „überall an jedem Ort gibt es Geschichten zu finden.”

Anmeldung zur Online-Lesung von "Das Land hinter der Mauer" von Sophia Alt am 7. April um 17 Uhr unter contact@zadek-gmbh.de

Back to topbutton