Der Worte halt

„Verwurzelungen“ lautet das Motto der 29. Magdeburger Literaturwochen.

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© Bernd Widmann/SF-Mediarevolutions

© Victoria Kühne

Auch die Umkehrung, in diesem Fall die Entwurzelung jüdischer Familien aus Magdeburg, bekommt Platz.Wer meint, sich mit seinen Wurzeln nicht beschäftigen zu müssen, wird eines Besseren belehrt, spätestens wenn er die Diagnose „Entwurzelungsdepression“ gestellt bekommt. Das Schreiben und Lesen von Büchern scheint eine gute Gegenstrategie zu sein. Das „Literaturhaus hat zusammen mit dem Kulturbüro der Stadt ein Programm zum Thema „Verwurzelung“ zusammengestellt, das den Ambitionen einer künftigen europäischen Kulturhauptstadt würdig ist. So liest Feridun Zaimoglu aus „Siebentürmeviertel“, das eine Familiensaga zwischen Orient und Okzident erzählt. Selbstverständlich kommt es nicht nur auf den Ort an, aus dem wir stammen, sondern auf unsere Familie, damit wir uns zuhause fühlen können. Einer, dem das nicht gelang, war Hans Fallada, dessen Eltern ihn schon im Schulalter wegen anzüglicher Briefe ins Sanatorium schickten. Dem großen Schriftsteller der Weimarer Zeit und seiner Familie werden gleich zwei Ausstellungen gewidmet (s.S. 16) und Falladas jüngster Sohn, Achim Ditzen, wird bei einer Lesung zu erleben sein.Einige sind in die Welt gegangen und kehren zu ihren Wurzeln zurück – so zu erleben beim „Sonntagsspaziergang“, zu dem Annett Gröschner und Schwester Nadja am 20. September einladen. Es geht zu den Sehnsuchtsorten ihrer Kindheit in Ostelbien. Ebenfalls aus Magdeburg stammt die Gewinnerin des diesjährigen Klopstock-Literaturförderpreises, Josephine von Blueten Staub. Sie tritt zur Kulturnacht „Raus-Rein“ (26.9., Literaturhaus) auf, ein Programm das keine Zögerlichkeit zulässt, sondern Poetry-Slam vom Feinsten und Auszüge aus ihrem neuen Buch „Nachtschattengewächse“. Solche namhaften Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind für ein solches Festival wichtig. So präsentieren Oliver Breite und Michael Ruchter „Das Duell“ von V. Weidermann (9.10., Forum Gestaltung). Darin fighten Günther Grass und sein berühmt-berüchtigter Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Eine konflikt­reiche und intensive Beziehung, die mit dem Verriss des Romans „Die Blechtrommel“ begann. Aber was wäre die Stadt ohne eine eigene Schreibkunst? Erfreulich viele Programmpunkte werden von ortsansässigen Autorinnen und Autoren bestritten. Am 30.9. kommen Mitglieder des Fördervereins der Schriftsteller e.V. mit ihrer Veranstaltung „MundART – Die Heimat meines Sprechens“ in ihrem Dialekt bzw. ihrer Heimatsprache aus den verschiedensten Regionen Deutschlands und der Welt zu Wort (inklusive Übersetzung).Was es bedeutet, wenn man mit Gewalt entwurzelt wird, zeigt uns Waltraut Zachhuber in ihrem Vortrag „Entwurzelung. Jüdische Familien in Magdeburg und Buckau“ (30.9., Literaturhaus). Das Engagement gegen das Vergessen, gegen Rassismus und Antisemitismus ist in diesen Zeiten wichtiger denn je.

Zum Programm der 29. Magdeburger Literaturwochen „Verwurzelungen“, 6. September – 16. Oktober, diverse Locations

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