Liverpool des Ostens

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Zwei Magdeburger trafen sich 1964: Jürgen Heider, stadtbekannter Swing- musiker mit erheblicher Jazzneigung, und Jens Hamburger, der eine andere Art Klub gründen wollte als den üblichen FDJ-Jugendklub. Auf der Suche nach einem guten Platz für diesen angedachten Jazz-Klub wurden sie in der Liebigstraße fündig – die ehemalige Gaststätte „Tauentzien“. Dass der Klub tatsächlich im Januar 1965 eröffnete, lag an einer gehörigen Portion Improvisationstalent der Gründer. So wurde die erste Bestuhlung einfach nachts vom Brunnen am heutigen Ulrichsplatz „weggefunden“ – und so war bald der Name des Klubs geboren. Ein Klub, der bald dadurch auffiel, dass die Warteschlangen bis zum „Hassel“ reichten.  

Zur Eröffnung am 9. Januar 1965 spielte das „Jürgen Heider Sextett“ mit Sängerin Monika Hauff. Zum Swingtett gehörte als Gitarrist und Sänger auch Klaus-Dieter Henkler. Der „Jazzpapst“ der DDR, Karlheinz Drechsel, wurde zu Schallplattenvorträgen geladen. Bereits im Februar 1965 spielten die ersten Magdeburger Beatbands: Die „Skylarks“ und die „Lords“. Bald auch die „Kellergeister“. Bevor man im IMPRO auf die nichtvorhandene Bühne steigen durfte (die Bands spielten zwischen den beiden Toilettentüren), musste man ein Vorspiel vor Musikern des „Heider Swingtetts“ absolvieren. Ohne das ging nichts

. Ein IMPRO-Auftritt wurde so zum Qualitätssiegel.

© Ahrendt

Bald drängten sich auch Bands aus Berlin, Dresden oder Leipzig nach einem Auftritt in Magdeburg. Der Klub entwickelte sich zu Musiker- und Technikbeschaffungsbörse. So hörte Silly-Keyboarder Ritchie Barton hier erstmals den heutigen Silly-Bassisten Jäcki Reznicek. Charlies Crew geht auf die Anwerbung Charlie Ludwigs durch den heutigen „Crew“-Bassisten Uwe Jahn für dessen Tangermünder Gruppe „Vehikel“ zurück.

Das jetzt erschienene Buch erzählt alle diese Geschichten im O-Ton, u.a. von Karlheinz Drechsel, Günter Baby Sommer und Joachim Kühn, Conny Bauer und Mario Peters, „Matze“ Blankenburg, Gösta Berger, Rolf Steinke, Frank Dittmar, Jürgen Dürre und Gerhard Elsner, Gisbert Piatkowski, Ritchie Barton, Hannes Andratschke, Friedhelm Ruschak, Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler oder Arnulf Wenning. Es erzählt auch die mit dem IMPRO verbundene Geschichte des Fotografen Dietrich Bahß – und erstmals überhaupt werden zwischen den Kapiteln Beobachtungen eingesetzter IMs zu lesen sein. Denn auch, wenn das IMPRO in der DDR eine Art „Insel der Glückseligen“ war, blieb es doch nicht ohne Beobachtung. Alles in allem ein Buch aus einer Zeit, in der Magdeburg für die DDR-Rockmusik war, was Hamburg für die Rockmusik der Bundesrepublik war. Der NDR nannte es damals anerkennend das „Kleine Liverpool“.

© Ostnordost

Das kleine Liverpool – Musikklub Impro

Ludwig Schumann

ost-nordost

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