Julia Engelmann: "Ich sehe mich als Vollzeitpoetin."

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© Marta Urbanelis

Ihr Song "Grapefruit" hat die 1 Million-Marke geknackt. Ein wahrhaftiges Lied-Gedicht über traurige Momente und wie man ihnen entkommt. Es ist der erste Song der 25-jährigen Julia Engelmann und ein neuer Ausdruck ihrer unerschöpflichen Kreativität, ihres erfrischenden Geistes. Die Erfolgsbücher der Bremerin spiegeln die Gefühle und Gedanken der Generation Y und Z wieder. Ihre Worte wirken. Ihre Worte inspirieren. Als Slammerin 2013 gestartet mit "One Day/Reckoning Text", widmet sich Julia Engelmann aktuell Themen wie "Neuem Minimalismus" oder "Quarter Life Crisis", dem fröhlichen Illustrieren ihrer Texte und neuerdings der Musik. Ein Mix aus allem erwartet auch die Magdeburger. Wir sprachen mit ihr über den Hype um sie, Inspirationsquellen und Konsumverzicht.


Du wirktest 2015 sehr nervös bei deinem Auftritt im Alten Theater. Wie gehst du inzwischen damit um und kann man sich an den Hype um deine Person gewöhnen? "Positiv aufgeregt bin ich immer, aber nach 60 Tourabenden natürlich anders als nach fünf. Einen Hype empfinde ich gar nicht, ich bekomme viel Feedback. Ich merke, dass Leute erreicht, was ich mache, aber empfinde das eher als wahnsinnig schönes Kompliment. Es hat mein Leben verändert, weil ich das jetzt hauptberuflich machen darf. "

Die Presse bezeichnet dich als "Pop-Poetin"/"Pop-Philosophin". Siehst du dich auch so? Ja, ich fühl mich poetisch und philosophisch. Ich stelle mir gerne Fragen, bin aber eher so eine Art Küchen-/Hobbyphilosophin.

© Marta Urbanelis

Rührend war, dass sich bei deiner Lesung hinterher Menschen, die unter Depressionen leiden zu Wort meldeten und dir ihren Dank aussprachen. Wie geht man damit als junger Mensch um? Viele Menschen lassen mich an ihren Geschichten teilhaben und es ist wirklich bewegend. In dem Moment fängt meine Arbeit an sinnstiftend zu werden und das berührt mich.

War es hilfreich für dich, dass deine Eltern mitgetourt sind? Sind sie auch diesmal dabei? Ja, ich arbeite ja mit meinen Eltern zusammen. Meine Mutter ist auch Psychologin und Autorin, eine wahnsinnig inspirierende Frau! Das ich mich mit beiden so gut austauschen kann ist bereichernd.

Wann warst du zuletzt so traurig wie die besungene Person im Song "Grapefruit"? Die Person bin erstmal nicht ich. Ich bin meistens traurig, wenn sich Jahreszeiten ändern.

Wie gehst du mit depresssiven Phasen um? Es ist eine Zusammensetzung aus allem: Zeit mit guten Menschen wie Familie und Freunden zu verbringen, lesen, Sport treiben, sich ausdrücken durch malen, Musik, schreiben, und frische Luft ist auch immer gut.

Du hast auch zum Thema "Quarter Life Crisis" getextet. Definiere mal! Es gibt ja die Midlife-Crisis, in der man sich fragt, was man aus seinem Leben gemacht hat und was man noch erreichen möchte. Das frag ich mich mit 25 Jahren auch: Was möchte ich noch aus meinem Leben machen und womit möchte ich meine Zeit verbringen?

Was hat sich in Bezug auf deine Anfänge verändert? Momentan denke ich viel über Freiheit nach. Im schönen Buch "Und Nietzsche weinte" geht es viel um die Frage 'wie man so leben kann als wäre man frei'.

Ist der Druck schon größer geworden, etwas Neues abzuliefern? Ich empfinde das eher als Geschenk und Erlaubnis, dass ich alles machen kann. Kreativität hat einen größeren Platz in meinem Alltag bekommen. Ich fühle mich inspiriert und Druck kann man ja auch von verschiedenen philosophischen wie psychologischen Seiten beleuchten, er ist mit Fragen verknüpft wie 'warum mache ich die Dinge, wem will ich gerecht werden?' Mir sind innere Dinge wichtig wie, dass ich mich wohl fühle, ein guter Mensch bin, ein schönes Leben führe und nicht, das mich andere toll finden!

Inhalt deines neuen Programms ist "neuer Minimalismus". Wie minimalistisch lebst du? Nicht ansatzweise so wie ich es gerne würde. Konsum zu hinterfragen gehört für mich dazu. Ich versuche so bewusst wie möglich zu leben. Ich merke, dass das in meinem Umfeld ein Thema ist. Ich gehe gerne in Second Hand Läden, versuche aber auch manchmal einfach nichts zu kaufen. Ich glaube zuviel Besitz ist nicht wichtig. Meine Prioritäten liegen nicht bei Äußerlichkeiten, aber ich habe auch nichts gegen schöne Dinge.

Warum jetzt zusätzlich noch Musik, erreicht man damit mehr Leute? Musik hat schon immer einen Stellenwert in meinem Leben, ich hatte jahrelang Klavierunterricht. Ich habe meine Gitarre auf Tour mitgenommen. Wie man bei einer Weinprobe zwischendurch an Kaffee riecht, hab' ich zwischen den Gedichten gespielt, sodass alle herunterkommen und sich neutralisieren können. "Grapefruit" war das erste Lied, was ich geschrieben habe. Ich bekomme wahnsinnig schönes Feedback darauf und bin glücklich, dass ich ein Album machen darf.

Singst du dann auch deutsch? Ja, weil der Wortschatz der deutschen Sprache so wunderschön, so unendlich ist.

Welchen Slammern schaust du gern zu und erkennst dich wieder? Vielen, ich war ja fünf Jahre lang auf Slams. Aber ich sehe mich nicht mehr als Poetry Slammerin eher als Vollzeitpoetin. Ich mag eher Autoren wie Hermann Hesse, Michael Ende, Eric-Emmanuel Schmitt, Lyrik von Goethe, Rilke, Dorothy Parker, Yoko Ono oder Marina Keegans' „Das Gegenteil von Einsamkeit“. Ich identifiziere mich mit vielen Gedanken, aber finde auch was Freunde von mir sagen toll.

Julia Engelmann, 11. Oktober

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