Yvonne Catterfeld: „Ich möchte provozieren dürfen“

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© Christoph Köstlin

Sie wirkt im Leben angekommen. Die Berlinerin Yvonne Catterfeld machte in der Vergangenheit eher durch ihr Schauspiel­talent oder Familienglück auf sich aufmerksam. Die 37-Jährige ist zurückhaltend, bedacht, aber trotzdem meinungsstark und entschlossen. Sie feierte mit Shows wie „The Voice of Germany“ und „Sing meinen Song“ 2015 und 2016 ihr Comeback als Sängerin. Mehr noch gelang ihr der Durchbruch als starke, ernst zu nehmende Künstlerin, die sich von Bohlens Kitsch-Songs längst entfernt hat. Davon zeugt auch ihr siebtes Album „Guten Morgen Freiheit“, das eine Vielfalt an Themen anspricht und gleichzeitig auch musikalisch abwechslungsreich ist wie kaum ein anderes aktuelles Popwerk. Wir sprachen mit der Sängerin über ihre Rolle als Mutter, Persönlichkeitsentwicklungen, Freiheit in Zeiten politischen Umbruchs.


Vor 13 Jahren gelang dir dein Durchbruch und du sangst auch bei uns im AMO Songs wie Dieter Bohlens „Für dich“. Wie stehst du heute zu ihm? Ich hab‘ mit ihm kein Problem. Ich habe allerdings nur wenig mit ihm gemacht und empfinde es ungerecht, dass von Journalisten so oft darauf zurückverwiesen wird und meine Zusammenarbeit mit Max Herre oder Xavier Naidoo nirgendwo auftaucht.  

Wie bist du damals mit dem Erfolgsdruck umgegangen und wie ist es heute? Heute mache ich mir keinen Druck mehr. Damals kam der Druck von anderen, z.B. vom Label. Aber ich habe jetzt mein eigenes Label. Es verändert sich auch mit dem Alter, so dass man sich, wenn man Mutter wird, zwangsläufig die Frage stellt, „was bleibt.“ Man hinterfragt, was bedeutet mir was und entscheidet dementsprechend. Ich bin seit fast 10 jahren in einer glücklichen Beziehung und mein Sohn ist glücklich, also bin auch ich glücklich. Das ist für mich der wahre Erfolg. Da bin ich schon sehr privilegiert.

Das Thema Freiheit bezieht sich also für dich auf das Künstlerische und dein Label „Veritable Records“. Was bedeutet es für dich noch? Im Moment, wo Trump regiert, gestaltet sich Freiheit mit einem großen Fragezeichen für uns alle. Das eingeschränkte Reisen kenn‘ ich noch aus DDR-Zeiten. Als es um die Wahlen ging, hab ich mir auch die Frage gestellt, darf ich mein Album „Guten Morgen Freiheit“ nennen. Die Antwort war: ja, erst recht. Ich will mir jeden Tag bewusst und dankbar dafür sein, dass ich in meinen Entscheidungen frei sein kann!“

© Christoph Köstlin

Der Song „Besser werden“ handelt vom Erfolgsdruck, immer das Optimum zu erreichen, um glücklich zu sein. Ist das ein Lebensmotto für dich, das Glück im Kleinen zu finden? Ja. Es geht darum, das Hier und Jetzt zu genießen, sich bewusst zu werden oder in einer Umarmung inne zu halten. Ich kenne so viele Menschen, die ihr Glück gar nicht genießen können, nur zukunftsorientiert denken oder in der Vergangenheit leben.

Man hat bei dir das Gefühl, du bist seit der Geburt deines Sohnes und der Beziehung mit Schauspieler Oliver Wnuk im Leben angekommen. Das zeigt sich auch in deinen geerdeten Songs. Wann ist dir das bewusst geworden? Ich wusste schon immer, dass ich einmal Mama sein werde und ahnte, dass das es ist, worum es eigentlich geht. Ich liebe meinen Job und es macht mich auch glücklich, aber wenn ich mir überlege, was bleibt, sind es die Momente mit meiner Familie. Mein Mann hat mich auch sehr inspiriert. Er hatte mal ein Programm, wo er zurückblickt auf die Dinge, die Menschen bereuen, wenn sie auf dem Sterbebett liegen. Ich frage mich auch, wie wird es sein, wenn man selbst alt ist.

Was ist schwieriger: Muttersein, Schauspielern, singen? Ganz eindeutig mein Beruf. Es kommen schon die Fragen auf wie „Kann ich das“ oder „Ist mir die Öffentlichkeit gerade zuviel“. Wenn ich Anfragen wie „The Voice“ bekomme, habe ich schon vor der Dimension dieser Aufgabe Respekt.

Du bist zurückhaltend, wie groß war die Überwindung als Coach so im Mittelpunkt zu stehen? Eigentlich ist es nicht mein Ding, so um mich zu werben. Das hat mich Überwindung und mentale Vorbereitung gekostet. Die Herangehensweise ist ähnlich wie die bei einer Schauspielrolle. Ich muss aus mir herausgehen und die Rolle, die ich als Coach habe, einnehmen. Ich hab jedoch schnell meinen Platz eingenommen und verteidigt und mag es weiterzugeben, was ich selbst bei Coachs gelernt habe. „The Voice“ hat mich daher auch persönlich weitergebracht.  

Gab „Sing meinen Song“ den Impuls wieder mehr Musik zu machen? Ja, obwohl es eigentlich für mich der Horror ist, nicht zu wissen, was passiert, wenn so lange die Kamera auf einen gerichtet ist. Nicht zu wissen wann ich dran bin, spontan auf der Bühne loszulegen, was bildlich und auch auf CD festgehalten werden wird.  

Verrate einen witzigen Fakt über dich, den man nicht googeln kann? Ich verlege ständig Dinge. Da kriegt „Auf der Suche nach Irgendwas“ gleich eine neue Bedeutung: dass ich auf der Suche nach Gegenständen wie meinem Handy bin. (lacht) Ich habe sogar schon einen Chip am Schlüssel, um es zu orten.

Um Klischees geht es bei „Mehr als ihr seht“. Mit welchem Klischee über dich möchtest du aufräumen? Es ist auch mein Song, aber eher eine Ermutigung an andere, aufzustehen und zu sagen, ich kämpfe darum, dass mich andere so sehen wie ich bin.

Findest du es schwer aktuell auf deutsch zu texten, weil es so viele deutsche Künstler gibt? Es gibt viel deutsche Musik, die sehr beliebig ist. Mir fehlen da oft die Ecken und Kanten. Songwriter tendieren oft dazu, nicht anecken zu wollen. Ich habe bei meinem Album auch viel diskutiert, aber ich möchte provozieren dürfen und eine Relevanz haben. Ich bin aus einem inneren Drang heraus ins Studio gegangen, weil ich eine Botschaft mitteilen wollte!  

Das fällt auch bei „5 vor 12“ mit Zeilen wie „Warum führt ihr noch Kriege, ist Liebe hier noch irgendwas wert“ auf. Viele Künstler scheuen sich davor politisch zu sein. Ich würde auch nicht nach draußen gehen und meine politische Meinung äußern. Aber ich finde, wir haben als Künstler eine Aufgabe, etwas mitzugeben. Gar nichts Politisches auf dem Album zu machen, würde für mich bedeuten, man würde die momentane Zeit ignorieren.

Zur Veranstaltung: Yvonne Catterfeld, 19.3.

©Rathmann

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