Knorkator: "Die Texte sind zudem ein bisschen erwachsener, sogar politischer geworden"

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© Vollvincent

Die Berliner Band Knorkator ist eine schillernde Musikformation, der es gelingt, souverän und verspielt aggressiven Hardcore Metal mit feinsinnigem und klassischem Tonsatz zu verbinden. Die Konzerte sind legendäre, bizarre Wechselbäder aus bunt zusammengewürfelten Stilistiken, einerseits leichtfüßigem Tanz zwischen rüdem Gefluche und zarter Poesie, pathetischem Größenwahn und infantilem Blödsinn andererseits. Sänger Stumpen ist gleichsam die Personifizierung dieser Vielfalt.


Ein neues Album soll immer das beste der Bandgeschichte werden. Wie geht man das an, wenn man weiß, dass das nach 25 Jahren und neun Alben schwierig wird? Schwere Frage, die Alf sicher besser beantworten könnte, weil er die Songs und Texte macht. Alf ist Mastermind und Diktator und was er anordnet, zumindest was die Musik angeht, wird in der Band schweigend akzeptiert. Er gibt uns eine Vorlage, die zu 95 Prozent stimmig ist. Er kennt uns und weiß, wie jeder von uns tickt. Er gibt also vor, was zu spielen ist, oder wie ich zu singen habe. Dass er all das in seinem Kopf und immer wieder neue Ideen hat, neue Kompositionen und Texte entdeckt und niederschreibt, finde ich schon phänomenal. 25 Jahre Knorkator ist schon eine beachtliche Leistung, wie ich finde. Es gelingt nicht allen, als Band durchzuhalten, sich und den Fans treu zu bleiben, sich immer wieder neu zu erfinden und womöglich sogar besser zu machen.

Hattet ihr euch vorgenommen, dem Album einen etwas anderen Charakter zu geben als dem vorherigen? Dass wir dieses Mal im Studio unseres Tonmeisters Big D waren, um aufzunehmen und zu mischen, war eine kluge und weise Entscheidung. Das Album klingt dicht, dynamisch und kraftvoll. Was sich in der Zeit außerdem ändern muss, sind die Inhalte, denn was man einmal besungen hat, braucht man kein zweites Mal. Die Texte sind zudem ein bisschen erwachsener, sogar politischer geworden.

„Der Untergang“ heißt eines der neuen Lieder. Seid ihr jetzt eine Untergangsstimmungsband? Der Titel lässt das zwar vermuten, aber der Text ist ja nur eine Aneinanderreihung von Worten, die das menschliche Scheitern, den Ruin, das Verhängnis, den Zusammenbruch, das Fiasko, das Debakel oder das Unglück, die Niederlage, das Verderben, den Zerfall widerspiegeln. Aber definitiv: Nein, wir sind keine Untergangsstimmungsband. Wir beschränken unsere Bandbreite beziehungsweise unser Image nicht auf so wenige einfache Kategorien. Es war uns immer wichtig, alles zu reflektieren, was uns bewegt. Momentan ist die Welt halt etwas aus den Fugen, also findet das auch in unseren Liedern statt. Deswegen fokussieren sich aber noch lange nicht alle unsere Gedanken auf dieses eine Thema.

Euer Stammpublikum ist es gewohnt, zwischen den Zeilen zu hören und weiß natürlich längst, dass ihr keine Blödelkapelle seid. Die Begriffe Blödelkapelle oder Funmetal gefallen mir ja überhaupt nicht. Unsere Fans sind geistig solide, sie denken mit und wissen unsere Texte einzuordnen, verstehen den Witz und die Ironie.

Englisches Liedgut ist auch wieder neu im Angebot. Ihr covert Anita Wards Discohit „Ring my Bell“ von 1979, ein Klassiker der Rubrik One-Hit-Wonder. Wie kamt ihr auf den? Zu meinem 40. Geburtstag haben mir Knorkator und einige Musikerkollegen aus anderen Bands ein Ständchen dargeboten mit etwas brutaleren Versionen von 70er-Discohits. „Ring my Bell“ kam dabei so gut rüber, dass wir seitdem darüber nachdachten, es ins Knorkator-Repertoire aufzunehmen.

Das zweite Cover, „Behind The Wheel“ von Depeche Mode, wurde dann auf Wunsch von... ... Alf ausgewählt. Er ist ein großer Fan alter Depeche Mode Songs. „Behind The Wheel“ kannte ich bis dahin gar nicht. Naja, den 80ern konnte ich generell nicht so viel abgewinnen. Meine Zeit waren die 70er, Hippies und Heavy Metal, Schulmädchen Report und Mad Max.

Im Song „Zu kurz“ wirken Gastkünstler wie Ärzte-Bassist Rod Gonzales, Anna R. und Thomas D. mit. Wie kam es dazu? „Zu Kurz“ entstand deshalb, weil das Album zu kurz war und ironischerweise ist „Zu Kurz“ das längste Lied. Also schlug Alf vor, einfach alle rumliegenden Ideen, die es bisher nicht zu einem Song und auf eine Platte geschafft haben, oder Riffs, die Buzz Dee im Kopf hatte, Alf bisher aber nicht verwerten wollte, in ein letztes Lied zu packen. Unsere Gäste Rod, Thomas. D, Anna R. haben deshalb zugesagt, weil dieses Lied zum einen wirklich lustig, anspruchsvoll und vielschichtig ist, zum anderen weil sie hierbei nicht viel zu tun hatten.

Demnächst geht ihr auf Tour, wo von dir wieder totaler Körpereinsatz erwartet wird. Wirst du dem nachkommen oder mit deinen 55 etwas runterschrauben? Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste und merke natürlich, dass der ganze sportliche Firlefanz von vor 20 Jahren nicht mehr funktioniert, aber nö, die Show wird nicht nach körperlichem Befinden geplant, sondern nach Songs, die sich für dieses Jahr eignen: Welche müssen rein, welche haben wir lange nicht gespielt, oder welche fetzen?!

Zu den Veranstaltungsterminen der "Zweck ist Widerstandslos"-Tour von Knorkator in der Factory

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