Von der Suche nach dem eigenen Glück

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© Nina Stiller

Die Veröffentlichung seines Albums „Kraniche“ machte 2013 zum erfolgreichsten Jahr von Axel Bosses 16-jährigen Musikkarriere. Dabei ist er sich und seiner Musik trotz Rückschlägen immer treu geblieben. Der 33-jährige Braunschweiger transportiert sein Glück und seine Zufriedenheit auch in den feinsinnigen 12 Songs des aktuellen Albums und lässt bildlich den Kranich für sich sprechen. Bosses Textzeilen sind Momentaufnahmen, die in Verbindung mit seiner Musik zu perfektem emotionalen Kopfkino verschmelzen. Die Stücke entwickeln eine solche Kraft, dass sie den Zuhörer mitnehmen, zum Nachdenken anregen und in Optimismus versetzen. Auf einmal ist die Welt in Ordnung. Doch am liebsten steht „Aki“ auf der Bühne – seine Konzerte sind voller Energie und er bleibt stets mit den Zuschauern auf Augenhöhe. Seine Ausgeglichen- und Zufriedenheit steckte uns auch beim Interview zum 2. Teil der „Kraniche“-Tour an.


Kranich bedeutet in Japan Glück und Ausdauer. Bist du gerade glücklich und zufrieden?

Ja, ich bin glücklich. Es war das tollste Jahr in meiner Karriere. Das Schreiben und Produzieren hat Bock gebracht und die Konzerte waren toll, wir waren auch auf den großen Festivals.

Es ist fast seltsam in der heutigen Zeit, jemanden sagen zu hören „Ich bin glücklich“. Jeder scheint seinem Glück hinterher zu rennen.

Du hast Recht. Ich bin auch 2006 schon glücklich gewesen, als ich noch nicht so erfolgreich war. Ich hab so meine Eckpfeiler im Leben und wenn die in Ordnung sind, ist der Rest egal. Dazu gehört auch Musik. 2003 als ich noch nicht so eine tolle Frau und Tochter hatte, hätte ich vielleicht anders geantwortet. 

Was macht dich zufrieden?

Mein Freundeskreis, meine Familie. Sonst sind es Kleinigkeiten. Manchmal glaub ich auch, dass es mir nach einer Stunde joggen besser geht. Jeder Mensch muss herausfinden, was gut für ihn ist. 

Ist der Song „Vier Leben“ auch autobiografisch?

Der Song sagt das, was er sagt und ich kann mich da nicht herausnehmen aus der Mühle. Aus dem Fakt, dass es total viel ist im Leben. Ich hab das Gefühl, dass, seit ich 26 Jahre bin noch echt viele Sachen dazugekommen sind, um die ich mich kümmern muss. Ich glaub, das geht aber vielen so.

Wie lässt sich das Thema „Müßiggang“ mit dem schnelllebigen Popbiz vereinbaren?

Ich hab nicht das Gefühl, dass es schnell ist, eher zuviel. Bei mir hat sich nichts geändert, außer, dass die meisten Sachen, die ich mache, auch in der Presse stattfinden. Ich hab ja früher auch dasselbe Programm gehabt, man spricht z.B. mit denselben Radiosendern. Bloß diesmal bin ich dann halt für Preise nominiert. 

Und du wirst jetzt eher erkannt.

Ich hab immer noch das Gefühl, da gibt es im Publikum immer super viele Leute, mit denen ich einen Kaffee trinken würde, weil das Ganze auf Augenhöhe stattfindet. Genauso ist es auch mit dem Erkennen oder dem Stress einkaufen zu gehen, weil ich ja kein Teenie-Act bin. 

Auf deiner Homepage steht bei den Kommentaren „In schwierigen Zeiten stehst du mir mit deiner Musik und den Texten bei“ – wer steht dir bei?

Offenbar nicht meine Texte. (lacht) Freunde und alle, die mir so wichtig sind. Es gibt so Leute wie Judith Holofernes, Sven Regener, Marcus Wiebusch, die ich textlich ziemlich gut finde und wo man auch eine Menge lernen kann. Diese Leute sind auch Auffangbecken.

Das Album gibt einem ein sehr optimistisches Gefühl.

So soll es auch sein. Die letzten Alben waren gar nicht so motivierend, die Geschichten sind eher tragisch ausgegangen. Diesmal wollte ich es gut enden lassen, weil ich finde, egal was einem im Leben passiert, man kann aus allem etwas Gutes ziehen und alles hat seine Bedeutung.

Seit 16 Jahren machst du Musik. Gab es einen Punkt, an dem du aufgeben wolltest und wann war das?

Eigentlich nicht. Es war so, dass, als mein 2. Album sich so schlecht verkauft hat, auch meine Tochter zur Welt kam (2006 – Anm. der Red.) Da habe ich mir finanzielle Sorgen gemacht. Aber ich hab mein ganzes Leben lang immer Nebenjobs gemacht und konnte so immer alles finanzieren. 

Wie entstehen deine Texte? Was oder wer inspiriert dich dabei?

Inspirieren tut mich alles. Ich bin ein Sammler. Sobald ich das Gefühl habe, jemand hat was Gutes gesagt oder mir fällt was ein, schreib ichs auf. Und wenn ich z.B. Lust habe ein Lied übers Lügen zu schreiben, schreib ich drauf los, guck, was ich dazu gesammelt habe, nehme meine Gitarre und es passiert was damit oder nicht. 

Hast du auch immer eine Message an die Zuhörer oder denkst du beim Schreiben gar nicht daran?

Ich hab in den Jahren gelernt, dass man jegliche Erwartungshaltung, außer der eigenen, beim Schreiben rauslassen sollte. Ich kann es nicht für die Leute machen. Ich glaube auch zu wissen, was Kritiker gut finden oder Mädchen – aber ich muss mich davon locker machen. Mich muss es auf alle Arten, die es gibt, berühren. Was die Leute dann daraus machen, ist denen überlassen.

Ein Song heißt „Istanbul“ – warum diese Stadt?

Ich mag diesen Clash zwischen ganz altmodisch, dem osmanischen Reich, das an jeder Ecke noch zu spüren ist und so einer jungen Bewegung, die es da gibt. Es gibt so viele junge Menschen in dieser Stadt, die Lust haben, was zu entwickeln und kreativ sind. 

Wie entstand der Song „Schönste Zeit“?

Ich durfte in der Disco, wo ich früher getanzt hab, ein Klavier reinstellen und eine Woche schreiben. Da hab ich ein Lied genau über diese Ecke geschrieben und über all das, was man so fühlt, wenn man im Spätsommer durch seine Heimat Fahrrad fährt. Und ich hab meine Pubertät festgehalten. (stolz)

Wie konntest du nach dem Erfolg von „Wartesaal“ den Druck ablegen?

Den Druck fühle ich gar nicht so. Ich finde drei Minuten beim Bundesvision Songcontest üben mehr Druck aus, weil man nur kurz Zeit hat, alles gut zu machen, als sich ein oder zwei Jahre Zeit zu nehmen, um ein Album zu machen. Und wenn einer sagt: „Alter, du musst jetzt abliefern, hab ich da keinen Bock drauf.“ (energisch) Das wissen auch alle. Man sollte versuchen alles selbst in der Hand zu behalten, so gut es geht. 

War der Gewinn beim „BuViSoCo“ dein bisheriges Highlight?

Meine Highlights finden eher auf der wirklichen Bühne, bei Konzerten statt. Das war neulich bei einem kleinen Gig in Neubrandenburg oder bei Rock am Ring vor 30 bis 60.000 Leuten - das ist tierisch.  

Laut eines Interviews wolltest du mit 23 immer etwas sein, was du nicht bist.

Ich hatte immer das Gefühl, ich muss dem Schreiber von der Intro gut gefallen oder ich muss das und das so und so machen, damit ich so und so wirke. Das ist oft das Problem bei jungen Bands aus Deutschland. In Deutschland wird erst mal viel kritisiert, und dadurch ist es schwierig, seinen Weg zu finden. Ich habe jetzt das Gefühl, dass ich meinen Weg gefunden habe, dass ich weiß, was ich kann und was nicht. Und, dass ich mich so wenig wie möglich verstellen muss, um das Ganze so gut machen zu können. 

Wenn deine Tochter Musikerin werden wollte, welchen Tipp würdest du ihr geben?Langsam zu machen. Viel spielen und nicht so schnell, irgendwas unterschreiben. Bei 90% der Musiker, die schnell irgendwo hinkommen, hört es auch so schnell wieder auf. Das liegt daran, dass sie noch unerfahren sind. Das würde ich ihr und auch jeder anderen Band raten

Bosse, 16. Februar, 20 Uhr, AMO

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