"Zu mir passen keine 'Happy-Hippo-Sachen!"

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Auf deinem aktuellen Album „Head Orchestra“ dreht sich alles um Verlust und Trennung – wieso hast du dich entschieden das zum Thema des Albums zu machen?

Die Songs sind im Sommer 2013 entstanden. Damals hat sich in meinem Leben sehr viel verändert. Dann habe ich meine beiden Gitarren geschnappt und bin vier Monate aufs Land in ein altes Fachwerkhaus eines Kumpels gezogen. Dort habe ich mir ein kleines Studio aufgebaut, ein Zimmer bezogen und alle Demos für das Album aufgenommen. Das waren fast 30 Songs.

War diese Zeit auf dem Land eine Art Therapie für dich?

© Tom Lau & Kristin Albrecht

Viele haben mir gesagt 'Tom, wenn du das so zum Thema machst wirst du ständig damit konfrontiert, erstmal weil du dich selbst damit beschäftigst und weil andere Leute dich danach fragen'. Da habe ich gesagt 'Ach das geht schon, ich bin cool'. Es war auf jeden Fall nicht als Selbsttherapie gedacht. Wenn du Musiker bist gibt es zwei Möglichkeiten – entweder du suchst nach Inhalten, oder sie sind da. In dem Fall waren sie einfach da, ich habe sie nicht gerufen. Ich hätte in dieser schweren Zeit voll Trennung, Problemen und Sorgen niemals über die Karibik oder politische Probleme der Welt schreiben können. Es ging darum was mich umtreibt, wovor ich Angst habe, was mich beschäftigt. Musik ist ein gutes Medium, um sowas zum Thema zu machen.

Hast du Angst in deinen Texten zu viel von dir preis zu geben?

Angst nicht. Aber Respekt davor. Natürlich ist es einfacher wenn man unpersönliche Texte hat, immer an der Oberfläche bleibt und weit interpretierbar ist. Klar macht man sich angreifbar wenn man über Traurigkeit singt, aber das ist okay. Ich war schon immer ein melancholischer Mensch. Zu mir passen keine 'Happy-Hippo-Sachen', so war ich noch nie. Und das wird auch nicht mehr passieren.

Ist es schwierig diese Songs vor Publikum zu spielen?

Es ist mittlerweile ja viel Zeit vergangen. Und wenn ich auf den Konzerten diese Songs spiele sind drei von meinen besten Kumpels mit mir auf der Bühne. Damit wird viel abgefedert, auch emotional. Auf so einer Tour gibt es viel Spaß, da wird viel gelacht und Witze gemacht. Ich finde es wichtig das eine gewisse Tiefe und Melancholie in der Musik ist und hoffe das das auch live rüberkommt. Aber es ist nicht so das ich damit allein dastehe und bei jedem Song in Tränen ausbreche. Das ist vorbei.

War das mal so?

Ein bisschen schon, ja. Wenn man das an sich heranlässt und sich damit auseinandersetzt, mit so schwierigen Szenen die irgendwie jeder kennt, klar kann einen das selbst auch mal überwältigen oder treffen. Vor allem wenn man weiß wie die Songs entstanden sind und warum man das singt, dann steckt man jedes mal schon wieder sehr tief drin.

Würdest du sagen „Head Orchestra“ ist dein persönlichstes Album bisher?

Inhaltlich auf jeden Fall. Musikalisch nicht unbedingt, da ich da diesmal einige Komponenten abgegeben habe. Mein Produzent und guter Freund hat viel Input zu diesem Album gegeben.

Musikalisch unterscheidet es sich ja auch von den zwei Vorgängern. Eine bewusste Entscheidung?

Ja schon. Ich glaube es wäre typisch deutsch gewesen auf Nummer sicher zu gehen und das zu machen was die Leute von einem erwarten.  Manchen Leuten ist das vielleicht zu viel, zu viel produziert, zu viele Elektro-Elemente drauf … vielleicht mach ich bei der nächsten Platte alles Elektro, oder nur Akustik. Man muss sich als Musiker eingestehen, dass man wandelbar sein darf. Und auch muss. Ich finde es wichtig zu zeigen 'Hey, ich kann nicht nur Akustikgitarre spielen, ich kann auch noch ein paar andere Sachen!'

Seitdem sich „myballoon“ aufgelöst haben stehst du jetzt erstmalig wieder mit einer Band auf der Bühne, ist alles wie früher?

Nein, gar nicht. Das ist keine Band die zusammen gewachsen ist mit drei gleichberechtigten Musikern die in jungen Jahren zusammen kommen und bis morgens um fünf im Proberaum abhängen. Es ist wesentlich professioneller. Alle haben noch andere Bands, Familie .. es ist ein ganz anderer Organisationsaufwand als früher. Ich fühle mich oft mehr als Dirigent als als Musiker. Aber in dem Moment wo zu zusammen spielst ist es wieder das Gleiche wie damals. Da sind es wieder vier kleine Jungs die nicht erwachsen werden wollen und zusammen im Proberaum Krach machen. Nur die Naivität von früher ist mittlerweile verflogen.

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