Magische Momente

Nach über 20 Jahren gibt Frank Bernhardt seinen Abschied als künstlerischer Leiter am Puppentheater. Das Haus hat sich in dieser Spanne zum anerkannten Zentrum der Figurentheaterkunst entwickelt. Zeit für eine kleine Bilanz.

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© Engelhardt

Es war eine schnöde Alka Seltzer, die 1993 alles veränderte: Eher durch Zufall war Frank Bernhardt in jenem Nachwendejahr ans Puppentheater gekommen, zuständig für Management und Öffentlichkeitsarbeit. Das, was er anfangs am Haus erlebte, ließ ihn ernüchtert sein: „Ich gestehe offen, dass mich die hier gespielten Stücke anfangs null-komma-null interessierten“. Einer wie er durfte das denken, schließlich hatte er schon Ende 1988, in jungen Jahren, sehr viel erreicht. Nach dem Studium der Kulturwissenschaft gehörte er in Berlin zu den Auswählten für ein Regiestudium der Unterhaltungskunst, war Meisterschüler bei Emil Neupauer. Am Friedrichstadtpalast hatte er an großen Revuen und den Shows mit Helga Hahnemann & Co mitgearbeitet. Aber dann kam der Wendeherbst 1989, mit ihm die Umbrüche. Und für ihn die Karrieredelle, die ihn schließlich in die alte Heimat zurückkehren ließ.

Wer weiß, wie lange er es am Puppentheater ausgehalten hätte. Aber dann spielte in jenem Herbst 93 bei der Internationalen Puppentheaterwoche der italiener Gyula Molnar, der als Miterfinder des Objekttheaters gilt, seine „Drei kleinen Selbstmorde“, ein ungewöhnlich inszeniertes Stück mit jener kleinen Tablette in der Hauptrolle. Es war für ihn ein magischer Moment seines Lebens. „Damals ging mir eine ganz neue Welt auf, mit einem Mal ahnte ich, was Figurentheater alles sein kann.“ Bei jenem Festival war auch Damiet van Dalsum mit ihrer Ästhetik bei „Hollebollebeer“ dabei. Noch so ein zündender Moment! Frank Bernhardt blieb. Und er hatte mit einem Mal eine Vision, wie es weitergehen könnte mit dem Haus.

Dreißig Jahre später hat das Magdeburger Puppentheater international einen sehr guten Ruf. Er hat daran entscheidenden Anteil. War sein Wirken in den 1990er Jahren vor allem auf notwendige Effizienzsteigerungen, sprich: bessere Zuschauerzahlen, ausgerichtet, setzte er gleichzeitig alles daran, das Haus weiterzuentwickeln. Wichtigster Schritt war wohl, Damiet van Dalsum 1997 als künstlerische Leiterin nach Magdeburg zu holen. Ab 2001 trat er ihre Nachfolge an. Schritt für Schritt entwickelte sich das Haus in jenen Jahren künstlerisch und personell in eine neue Richtung. Dazu trug das von ihm neu konzipierte Internationale Figurentheaterfestival „Blickwechsel“ bei, das 2003 erstmals stattfand, eine Schaubühne aktueller Figurentheaterkunst, die dem eigenen Haus Impulse gab. So entwickelte sich auch das Angebot fürs erwachsene Publikum in großen Sprüngen. „Mir war das Theater stets in seiner Gesamtheit und Strahlung nach innen und vor allem nach außen wichtig.“ Was waren seine persönlichen Glanzpunkte? In der Aufzählung ist die Vakuum-Inszenierung 1998 zum 40. Jahrestag des Hauses ebenso dabei wie das Unima-Weltfestival 2000 oder die Saalsanierung 2002. Aber auch anderes ging auf „seine Kappe“: Die Konzeption des Café p. oder die Umgestaltung des Foyers.

Kann man nach 30 Jahren so ein Haus einfach verlassen? „Ich gehe mit glücklichem Gefühl: ja, ich scheide aus, aber es geht weiter, wenn auch mit anderen Vorzeichen.“ Tatsächlich ist das, was in Magdeburg entstanden ist, – ein Haus mit 44 Mitarbeitern, dazu die Figurenspielsammlung in der villa P. – extrem ungewöhnlich für das Genre. Ein Vielzahl von Ehrungen und Preisen: 2019 Theaterpreis des Bundes, 2021 der Assitej Preis als bestes Kinder- und Jugendtheater, um nur zwei zu nennen, untermauern das.

Hier gelangt man zum Puppentheater

© Jesko Döring

Puppentheater

Warschauer Straße 25, 39104 Magdeburg View Map

0391 5403310

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Kassenzeiten Di-Do 10-12.15 Uhr u. 13-18 Uhr Fr 10 -12.15 Uhr u. 13 -16 Uhr Abendkasse: 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn nach Vorstellungsbeginn erfolgt kein Nacheinlass.

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