Stadtläufer: Der unbekannteste Dom Europas

Die Enttäuschung, im Rennen um den Kulturhauptstadt-Titel den Kürzeren gezogen zu haben, scheint im Stadtrat groß zu sein. So groß, dass man sich auf einen anderen wichtigen Titel gar nicht erst bewerben will.

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© DATEs Medienverlag

Dass Magdeburg den Titel der Kulturhauptstadt Europas nicht erringen konnte, scheint doch tiefere Spuren in der Stadtseele hinterlassen zu haben, als die Verantwortlichen zunächst zugeben wollten. Anders scheint es nicht zu erklären, dass die Stadt den Antrag der Fraktion Grüne/future!, den Magdeburger Dom ins Rennen um das „Europäische Kulturerbesiegel“ zu schicken, derart schmallippig ablehnte, indem sie darauf verwies, dass der Dom über die Straße der Romanik bereits ausreichend beworben werde. Die Befürworter der Bewerbung versprechen sich eine deutliche touristische Aufwertung der „Kaiserkathedrale“, die schließlich pro Jahr nur 170.000 Besucher verzeichnet, während es der weder historisch noch architektonisch bedeutsamere Dom in Köln auf immerhin sechs Millionen bringt.

Würde es unserem Dom gelingen, die Auszeichnung zu ergattern, befände er sich prompt auf Augenhöhe mit der Akropolis in Athen, dem Kapitolsplatz in Rom und der Wiener Hofburg. Er stünde aber auch in einer Reihe mit dem Partisanenlazarett in Dolenji Novaki, der Schiffswerft in Danzig und dem Kohlebergwerk in Vitkovice. Und nicht zuletzt würde er sich zum Netzwerk von Stätten des Eisernen Vorhangs gesellen, zu denen das Notaufnahmelager Marienfelde sowie die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn mit dem Grenzdenkmal Hötensleben gehören.

Auch der Kölner Dom kommt schließlich ohne europäisches Kulturerbesiegel aus, was aber vermutlich nicht zuletzt daran liegt, dass er die Gebeine der Heiligen Drei Könige beherbergt und bis heute eine katholische Kathedrale ist. Auch in Magdeburg hat der Reliquien-Tourismus in vorreformatorischer Zeit gebrummt, seit Erzbischof Albrecht II. zu Beginn des 13. Jahrhunderts den Schädel des Heiligen Mauritius aus Konstantinopel nach Magdeburg brachte. Außerdem befanden sich damals in unserem Dom die Gebeine des heiligen Florentius sowie natürlich ein Splitter vom Kreuze Christi, ein Dorn aus seiner Dornenkrone sowie Teile der Ruten, mit denen er gegeißelt worden war. Mit der Reformation hatte sich dieses Geschäftsmodell, das in Köln noch immer funktioniert, dann aber eben erledigt.      

Und wenn den Dom deshalb keiner mehr sehen will, dann ist es eben so.

Dom zu Magdeburg "St. Mauritius und Katharina"

Am Dom 1, 39104 Magdeburg View Map

0391 5410436

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Täglich geöffnet Mai - Sept: 10-18 Uhr, April und Okt: 10-17 Uhr, Nov - Mrz: 10-16 Uhr, Sonn- und kirchliche Feiertage ab 11.30 Uhr, Eintritt frei.

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