„Ich nenn es lieber den Sieg der Liebe“

Zu den Telemann-Festtagen inszeniert Kai Anne Schumacher die wegen ihrer Opulenz selten gespielte Telemann-Oper "Der Sieg der Schönheit" als Soap Opera.

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© Nilz Böhme

Frau Schumacher, Sie haben schon Opern von Mozart, Verdi und Wagner, ja sogar Operetten inszeniert. Telemann war noch nicht dabei. Was reizt Sie an Telemann?

Ich bin grundsätzlich ein Fan von Barockopern, weil Affekte und Emotionen sehr ausgebreitet werden. Es entsteht so etwas wie ein Fließmoment. Wie bei einer Art Meditation kann ich als Regisseurin diese Gemütsbewegungen unterschiedlich interpretierten. An Telemann fasziniert mich der Farbenreichtum der Musik und der Witz der Figuren.

Was sind die Herausforderungen für die Regie?

Es gibt keine Handlung wie bei der italienischen Oper. Doch bei Telemann finden sich viele Duette und Ensembles, die miteinander zu verbinden sind. Ich muss also eine Geschichte bauen, die es eigentlich nicht gibt. Ich habe das versucht, in dem ich mich auf die Entwicklung der Charaktere konzentriert habe, die wie in einer Soap Opera in kleine Liebesgeschichten verwickelt sind.“

Was macht für Sänger das Besondere einer Barockoper aus?

Es sind die vielen Verzierungen und Koloraturen, die auch in jedem Dacapo-Teil verlangt werden, und die in Zusammenhang mit einer modernen Szene zu bringen sind.

Braucht die Aufführung einer Barockoper grundsätzlich besonders ausgebildete Sänger?

Es ist nicht absolut notwendig. Aber wir verwirklichen unsere Inszenierung mit Spezialisten, die wesentlich im Barockbereich der Oper arbeiten und die vornehmlich in der sängerischen Verzierungsarbeit Besonderes leisten.

Sie arbeiten hier in Magdeburg mit einem speziellen Orchester, der Akademie für Alte Musik, zusammen. Welchen künstlerischen Vorteil bietet das?

Für eine hochkarätige Aufführung einer Barockoper braucht man Spezialisten und auch besondere Instrumente. Der Klang ist ein ganz durchsichtiger. Die Instrumente haben nicht so viel Wumms wie das heute der Fall ist.

Die Oper heißt „Sieg der Schönheit“. Wer siegt hier über wen?

Ich würde lieber sagen „Sieg der Liebe“. Unter ihrem König Gensericus besiegen die Wenden Rom. Interessant an der Fabel ist, alle Römer sind Frauen, die Wenden alles Männer. Jetzt kommt das Verrückte: Die Besetzten verlieben sich in die Besatzer und umgekehrt. Es gibt kleine Liebesgeschichten untereinander. Man vergisst, dass draußen der Krieg tobt. Es ist tatsächlich wie bei Soap Operas, es gibt nur noch kleine häusliche Dramen.

Erfinden Sie etwas, das daran erinnert, dass Krieg herrscht?

Ich arbeite nicht nur als Regisseurin. Ich habe auch eine starke Affinität zum Figurentheater und seinen Möglichkeiten. Ich benutze das oft. In dieser Inszenierung verwende ich das z. B. in Verbindung mit Live Video: Eine Pappstadt im Kleinformat (30 x 30) wird abgebrannt. In der Übertragung auf die große Leinwand sieht man das brennende Rom.

Gib es eine Herausforderung fürs Publikum? Die Länge. Die Oper dauert ursprünglich vier Stunden. Aber keine Angst, wir haben sie auf drei Stunden gekürzt und wir arbeiten daran, dass sie lebendig bleibt.


Die Regisseurin Kai Anne Schumacher:

© Álfheiður Gudmundsdottir

Die geborene Saarländerin arbeitet als Regisseurin mit Schwerpunkt Oper, Autorin von Theatertexten, Figurenspielerin & Puppen­bauerin, seit 2015 wirkt die heute 31-jährige freischaffend in ganz Europa. 2019 erhielt sie für „Der Kaiser von Atlantis“ den Götz-Friedrich-Preis für die „Beste Regie im Bereich experimentelles Musiktheater“.    

Mehr zur Oper „Sieg der Schönheit“ gibt's hier

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