New York und die weißen Männchen: America Noir

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© Andreas Lander

 Von Motiven aus dem Film Noir begleitet, hangeln wir uns gemeinsam mit dem Magdeburger Ballett durch die Welt nordamerikanischer Komponisten in der ersten Ballettpremiere der Spielzeit, die außerdem eine Uraufführung ist: America Noir. Film Noir, das heißt, da ist dieser Einzelgänger, der keine Freunde hat und die Frauen umgarnt. Die Polizei ist ihm natürlich auch auf den Fersen. Diese Rolle übernimmt Andreas Loos als langjähriges Ballettmitglied und füllt sie aus. Und wie er sie ausfüllt, körperlich agil, elegant und stark, Marke Herzensbrecher.

Am Anfang ist die Bühne noch relativ leer, hat dennoch durch die Musik von Joan Tower etwas Bedrohliches . Auf den Klängen von "Tambora" trägt ein Mann eine tote Frau zu Grabe.  Mehr braucht man zur Geschichte des ersten Bildes nicht sagen, viel eher zum Tanz. Der bekommt durch das minimalistische Bühnenbild noch mehr choreografischen Spieraum. Den nutzt Galguera und lässt Loos geschickt mit seiner Partnerin Lou Beyne spielen. Er wirbelt sie durch die Lüfte, legt sie zu seinen Füßen. Stößt ihre Füße weg.  Sie bewegt sich scheinbar nicht, aber doch. Die Choreografie ist so genau aufeinander abgestimmt, das man ihre Bewegungen, ja ihre Körperspannung, nur beim genauen Betrachten bemerkt. Dann kommt ein schneller Szenenwechsel: der Mann, den Loos mimt, sieht sich gleich zwei Polizisten gegenüber.

Insgesamt bettet Galguera seine Musikauswahl in fünf unterschiedliche Bilder, die den flüchtenden Mann als roten Faden haben. Immer sind da Frauen, die Loos mal erobert, mit denen Loos schmachtend in der Musik von Aaron Copland und Samuel Barber versinkt. Da ist aber auch die selbstbewusste Hollywood-Diva, die über den Womanizer zu den Melodien von William Grant Still triumphiert. Galguera hat für jeden der Songs eine ganz individuelle Geschichte gefunden. Loos meistert jede noch so kleine Herausforderung, gibt den Unnahbaren, was ihm eine faszinierende Aura gibt. 

© Andreas Lander

Höhepunkt ist Philipp Glass' Song "The Canyon". Die Atmosphäre ändert sich schlagartig. Etwas hat sich verändert, der Mann wird scheinbar wahnsinnig. Das transportiert Glass' Musik so wunderbar auch durch den abhakten, ja fast marschierenden melodischen Einstieg. Alles steht Kopf, wir blicken in den Abgrund von New York. Was für ein Bild. Dann erobern die weißen Männchen die Bühne. Die Augenpartie wird durch einen dunklen, schwarzen Streifen markiert. Durch die Videoeinspielung bekommt die ganze Szenarie etwas Abstraktes und entfaltet einen unheimlichen Sog. Wer sind sie, diese weißen Menschen? Sind es die Gedanken, die den Mann umtreiben? Ja fast könnte man meinen, all die Frauen, denen er begegnet ist, werden choreografisch am Anfang wiederaufgenommen quasi eine Reprise bevor sie in knallroten Kleider auf der Bühne erscheinen. Und dann führt Galguera den neu erdachten roten Faden wieder zum Anfang zurück, zur toten Frau. Das Krimiballett bekommt sein großes Finale. Was bleibt: die Erkenntnis, dass die Motive des Film Noir auch in Kombination mit facettenreicher Musik und einer gut durchdachten Ballettchoreografie fesseln können.

Opernhaus/Theater Magdeburg

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