Auf einsamen Wegen

Mit wienerischem Humor und psychologischem Scharfsinn analysiert Arthur Schnitzler in "Der einsame Weg" das Wandeln auf Lebens- und Sterbe­wegen.

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© Gernot Sommerfeld

„Der Tod, das muss ein Wiener sein“, schrieb der österreichische Kabarettist Georg Kreisler 1969. Tim Kramer, der aus Hamburg nach Wien zu Studium und Tagewerk ging und (mit Unterbrechung) 16 Jahre blieb, hat den spezifischen Umgang der Wiener mit dem Ende des Lebens erlebt: beim volksfestartigen Begräbnis der letzten österreichischen Kaiserin etwa, oder auf dem Wiener Zentralfriedhof, der eher einer Art Naherholungsgebiet gleicht. Das Wienerische Lebens- (und Sterbens-) Gefühl hat ihn geprägt – und so nimmt es nicht wunder, dass er für seine letzte Inszenierung als Schauspieldirektor in Magdeburg einen Wiener Abschieds­gruß sendet: Zwar nicht mit Kreisler, aber mit Arthur Schnitzler, dessen Werk er innig liebt. „Eines der wichtigsten Stücke der Weltliteratur zum Thema Tod“, nennt Kramer Schnitzlers wohl dunkelstes Drama. Am Sterbebett von Gabriele kommen ihr Gatte Professor Wegrat, ihre Kinder Felix und Johanna sowie alte Freunde der Familie zusammen. Jede Figur verkörpert exemplarisch ein vertanes Leben: Während die Elterngeneration ihren unerfüllten Träumen nach­trauert, üben sich die Kinder in einer gewissen, aber orientierungslosen Rebellion. Auf „einsamem Weg“ wandelt jeder von ihnen. Und genau das entbehrt nicht einer gewissen Aktualität. Zugegeben, ein Optimist war Schnitzler nicht gerade. Dafür ein umso akribischerer Beobachter – nicht umsonst heißt Psychologie-Pionier Sigmund Freud ihn einen „psychologischen Tiefenforscher“ und seinen „Doppelgänger“. Schnitzlers Texte erweisen sich als wunderbar doppeldeutig: Was einer sagt, ist nicht, was einer meint. Seine Figuren sind grandioser Stoff für profilierte Schauspielerinnen und Schauspieler. Bei unterschiedlichen Umsetzungen anderer Regisseure, die Tim Kramer über die Jahre „aus Liebhaberei“ besuchte, fiel im auf, dass diese die Figuren oft mit Darstellern besetzten, die eigentlich zu alt sind – der Lebenserfahrung wegen. Er aber wird sie im passenden Alter besetzen und ist gespannt, welche Facetten seine „junge“ Version des Stücks offenbart. Schnitzlers Verortung des Stückes in der „Gegenwart“ (originär im Wien von 1900) nimmt Kramer ernst: Mit einem eher abstrakten Bühnenbild von Gernot Sommerfeld wird das Stück zeitlos und … eben gegenwärtig. Apropos Wien: „Der einsame Weg“ bietet neben Figuren mit Identifikationspotential auch tödliche Krankheiten, die Enthüllung einer Vaterschaft, die Ablehnung einer Verlobung und Selbstmorde. Morbide? In gewisser Weise. Aber es wäre nicht typisch wienerisch, wenn all das nicht mit einer Menge Humor verbunden wäre. Und mit einem Hoch auf das Leben.

Zur Website: „Der einsame Weg“, Premiere am 14. Januar, 19.30 Uhr

© Engelhardt

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