Der Stoff, aus dem wir sind

Die Regisseurin Carolin Millner beschäftigt sich allzugern mit dem Leben in der DDR. So auch in ihrer aktuellen Stückentwicklung "Tod der Treuhand".

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© Nilz Böhme

Je weiter wir uns zeitlich von der DDR wegbewegen, umso mehr wird sie zu einer unwirklichen Traumwelt, in der die einen nur Groll hineinsteckten und andere das Paradies, meint Carolin Millner. Die 36-jährige Regisseurin wurde in Halle in den letzten Atemzügen der DDR hineingeboren und wuchs in Berlin und Stuttgart auf. Seit rund sechs Jahren setzt sie sich künstlerisch mit dem Leben im Sozialismus und im Kapitalismus auseinander. Ihre neue Stückentwicklung „Tod der Treuhand“ erzählt am Beispiel des Schwermaschinenbaukombinats Ernst Thälmann, kurz SKET, Geschichten über die Vorgänge der Treuhandanstalt in den 1990ern, bei der 10.000 Menschen im Zuge von Privatisierung und Abwicklung durch die Treuhand ihre Arbeit verloren. Millner möchte mit dem Publikum in die Zeit eintauchen, Einblick in den Alltag des Kombinats geben, wie die Politik die Werktätigen beeinflusste und wie der Westen quasi über den Osten kommt und darüber richtet was zu passieren hat. Sie möchte einen differenzierten Blick schaffen und Zusammenhänge aufzeigen – sowohl aus ost- wie westdeutscher Sicht. Dafür hat sie viel in Schriften, Akten und Filmmaterial recherchiert. Zudem hat sie mit früheren Mitarbeitern und Zeitzeugen des SKET gesprochen. „Ich habe mich mit ihnen getroffen, um deren Atmosphäre mitzubekommen – wie war es damals, was waren ihre Hoffnungen, wie geht es ihnen heute? Auch um abzuklären ob das richtig ist, was wir im Stück erzählen“, erklärt Carolin Millner. Aus den unterschiedlichen Fragmenten ist der Bühnentext entstanden. Mit ihrer Bühnenbildnerin Maylin Habig kam sie auf die Idee, die „Traumwelt“ DDR als eine Art Unterwasserwelt darzustellen, eine aufgeschnittene Schwimmhalle, in der die Zeit langsamer dahingleitet im Kontrast zum geschäftigen Treiben des Westens. „Ich bin darauf gekommen, weil in der DDR im August das Neptunfest gefeiert wurde. Zum anderen dachte ich an die Erzählungen von der kleinen Meerjungfrau, die sich Beine wünschte, um Laufen zu können. Als sich ihr Traum erfüllte, merkte sie, dass die ersten Schritte gar nicht so einfach sind. Ein gutes Bild, um den Traum vom Westen zu übersetzen.“ Carolin Millner hofft, dass die Zuschauer mit ihrem Stück neue Sichtweisen gewinnen, darüber nachdenken und vor allem wieder mehr Lust haben, über ihre eigene Geschichte zu erzählen. „Denn das Thema ist mit sehr vielen Emotionen beladen und nicht immer von ausreichend Wissen.“ So ist es ihr wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um die Zukunft gestalten zu können. Denn dort liegt häufig der Ursprung von Problemen oder deren Nachwirkungen, die uns bis heute begleiten. Unsere Geschichte ist der Stoff, aus dem wir sind.“ 

Zu den Veranstaltungen: Tod der Treuhand, 24. Oktober, www.caromillner.com

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