Boesmans Julie: "Eine facettenreiche Frau"

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© Tom Wolf

August Strindberg (1849–1912) gilt als Frauenfeind, dennoch oder gerade deshalb sind die weiblichen Rollen in den Stücken des Dramatikers außerordentlich attraktiv. Das mag auch der Grund sein, warum „Fräulein Julie“ bis heute zu seinen meistgespielten Stücken zählt und unzählige Male als Film, Ballett oder Oper adaptiert wurde. Nun erreicht „Fräulein Julie“ auch die Bördemetropole und zwar in der Vertonung des Belgiers Philippe Boesmans, die 2005 in Brüssel uraufgeführt wurde und schlicht „Julie“ heißt.


Frau Cervoni, zunächst einmal, worum geht es in der Oper?

Lucia Cervoni: Julie, die Tochter eines Grafen, verbringt die Mittsommernacht mit Jean, dem Diener ihres Vater. Die beiden verstricken sich in ihren Wünschen und Sehnsüchten, die so gar nicht zueinander passen. Das Ende ist tragisch. Julie nimmt sich, animiert von Jean, das Leben.

Bei Strindberg spielen die Standesunterschiede eine wichtige Rolle. Heute nicht gerade zeitgemäß! Das stimmt, doch der Charakter der Julie hat viele Facetten. Man findet nicht nur diese eine Perspektive.

Sie haben die Julie bereits in Kanada gesungen. Haben Sie die Rolle gern?

Sehr. Sie hat so viele Seiten. Man darf als Sängerin richtig tief in sich hineineinhören, um Julies Gefühle zu erspüren. Sie ist eine eigenartige Frau, irgendwie verloren, aber gleichzeitig nutzt sie die Macht, die sie hat. Sie ist einsam und zerrissen. Am Schluss kann und will sie nicht mehr leben.

Sehen Sie die Figur negativ?

Nein, gar nicht. Julie hat ihre Probleme. Die gehen so tief, dass sie sich umbringt. Aber sie ist irgendwie auch wie wir alle, also ein Teil von ihr steckt in jedem von uns. Ich erlebe ständig Frauen, die verzweifelt nach Liebe suchen. Sie ist nicht so weit weg von uns.

Welche Anforderungen stellt die Oper an die Sänger? Es war ganz schön schwer für mich, diese Partie zu studieren. Es hat gedauert. Die Premiere in Kanada war im letzten November. Ich habe im Juli angefangen zu lernen. Aber sobald man die Musik versteht, dann siegt die Magie und es fließt ganz von alleine.

Es gibt ja bei den Zuschauern oft Vorbehalte gegen zeitgenössische Oper. Wie ist denn die Musik?  Sie ist wunderbar, genau wie „Carmen“ super für Mezzosopran geschrieben. Sie entspricht genau der Empfindung, die ich als Figur habe, und sie hilft, den ständigen Wechsel der Gefühle auszudrücken. Außerdem ist die Oper dialogisch. Arien fehlen. Ich liebe so etwas. Man erzählt die ganze Zeit eine Geschichte. Und vielleicht noch eine Erfahrung: Wir haben in Kanada acht sehr gut besuchte Vorstellungen mit großem Erfolg gespielt.

Zur Veranstaltung: Philippe Boesmans „Julie“, Premiere 4. November

© Engelhardt

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